Vortragsreihe „Islamdiskurse“

Islam ist weiterhin nicht gleichberechtigt – trotz Verbesserungen

Wie steht es um die Gleichberechtigung des Islam in Deutschland? Welche Rolle spielen die Religionsgemeinschaften im Prozess? Ali Kızılkaya, Vorsitzender des Islamrates, ging im Rahmen eines Vortrags beim Avicenna Akademikerbund e.V. auf diese Fragen ein. Ein Nachbericht.

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2014
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Die Vortragsreihe „Islamdiskurse“ des Avicenna Akademikerbundes e.V. hat am 9. November in Mülheim an der Ruhr ihren Auftakt gehabt. Bei der ersten Sitzung wurde die „problematische Verortung von Muslimen in Deutschland“ im Lichte der geschichtlichen Entwicklung und unter dem Gesichtspunkt des Einflusses der islamischen Religionsgemeinschaften als Akteure der öffentlichen Debatten beleuchtet.

Als Referent war der Vorsitzende des Islamrates für die Bundesrepublik Deutschland, Ali Kızılkaya, eingeladen. In seinem Vortrag hat Kızılkaya wiederholt auf die Verdienste der Muslime für die deutsche Gesellschaft hingewiesen und die Bedeutung der Religionsgemeinschaften in diesem Zusammenhang unterstrichen.

Einer weit verbreiteten Erwartungshaltung zum Trotz, die von den Muslimen verlange, dass sie sich einer sogenannten „Leitkultur” zu unterwerfen hätten, sei mit Nachdruck zu betonen, dass eine pluralistische Gesellschaft von der Vielfalt lebe und „Rechte und Freiheiten dazu da sind, sie in Anspruch zu nehmen.” In Anbetracht dessen, dass kulturelle Vielfalt für alle Beteiligten eine Bereicherung darstelle, müsse der Austausch mit der Mehrheitsgesellschaft auf Augenhöhe stattfinden.

Falsche Wahrnehmung des Islam

Das öffentliche Misstrauen und die falsche Wahrnehmung bzgl. des islamischen Glaubens seien nicht nur medial, sondern auch staatlich begründet. Beispielhaft könne man die erste Runde der Deutschen Islamkonferenz (DIK) anführen. Laut Kızılkaya war „die DIK I-II keine Konferenz der Integration, sondern mehr der Kontrolle und Erziehung. Eine Sicherheitskonferenz.” Man müsse sich nur die umstrittene „Vermisst-Kampagne” des damaligen Innenministeriums ansehen, die „nichts anderes als ein Denunziantentum war, wo jeder Bürger aufgefordert wurde, seinen muslimischen Nachbarn zu beobachten.” Glücklicherweise habe man von diesem Projekt sofort wieder Abstand genommen.

Die Devise laute unter diesen Umständen, dass man keine Toleranz ernten könne, wenn man Misstrauen säe. „Dadurch, dass das Vertrauen der Muslime in die hiesige Gesellschaft erschüttert wird, leidet die Identifikation mit diesem Land. Das ist die falsche Signalwirkung”, an der das NSU-Skandal wie auch die besorgniserregenden Moscheebrände in Deutschland erhebliche Mitschuld tragen.

Islam nicht gleichberechtigt

Kızılkaya wies schließlich darauf hin, dass „selbst nach 52 Jahren seit dem Anwerbeabkommen, durch das die ersten Einwanderer nach Deutschland kamen, der Islam immer noch nicht gleichberechtigt ist, auch wenn sich Verbesserungen abzeichnen.” Beispielhaft sei etwa, dass ca. 800.000 Schüler momentan einen Anspruch auf islamischen Religionsunterricht hätten, ohne in dessen Genuss kommen zu können. „Die Auswirkungen fehlender Wertevermittlung sind fatal. Wo bewegt sich eine Gesellschaft ohne Werte hin?”, fragt Kızılkaya. Probleme bestünden auch an den Universitäten: Das Beiratsmodell an theologischen Fakultäten sei ein Beispiel dafür. „Die Kirchen machen es allein. Wir machen es – überspitzt gesagt – mit Aufpassern.”

Im Anschluss an den Vortrag fand ein lebendiges Kolloquium statt, in der die Hörer die Möglichkeit erhielten, sich an den Diskussionen zu beteiligen und Fragen an den Referenten zu stellen. Der Termin des nächsten Seminars der Vortragsreihe „Islamdiskurse“ wird zeitnah über die Homepage des Avicenna Akademikerbundes e.V. bekannt gegeben. (ba)