In Berlin wurde das neue Handbuch „Christentum und Islam in Deutschland“ vorgestellt. Das Buch soll aus Sicht der Herausgeber Grundlage für ein weiteres Zusammenwachsen zwischen Christen und Muslimen bilden. Ein Bericht von Anna Mertens (KNA).
„Der Islam gehört zu Deutschland“. Mit diesem Satz wird der ehemalige Bundespräsident Christian Wulff in die Geschichte eingehen. In seiner Rede zum 20. Jahrestag der Deutschen Einheit betonte Wulff 2010 die enge Bande zwischen dem Islam und der christlich geprägten Bundesrepublik. Ende Oktober verlieh ihm die Evangelische Akademie Tutzing den Toleranz-Preis. Nun kommt Wulff zum Thema Islam und Christentum erneut zu Wort. Im neuen „Handbuch Christentum und Islam in Deutschland“ lobt der Altbundespräsident die wachsende Gleichberechtigung der Religionen und warnt zugleich vor einer zunehmenden islamfeindlichen Haltung. „Es besteht nach wie vor Informationsbedarf und zwar auf beiden Seiten“, betont Wulff.
Um diesen Informationsbedarf ein Stück weit zu decken, hat die Münchner Eugen-Biser-Stiftung gemeinsam mit dem Freiburger Herder-Verlag und Dutzenden Experten das zweiteilige Handbuch herausgebracht. Auf mehr als 1.200 Seiten betrachten 55 christliche und muslimische Autoren die beiden Religionen und ihr Zusammenspiel auf deutschem Boden. Es gehe nicht nur um „ein Miteinander oder ein Nebeneinander, sondern um die gegenseitige Bereicherung“, sagte Martin Thurner, Vorsitzender der Eugen-Biser-Stiftung, bei der Buchvorstellung am Donnerstagabend in Berlin. Bereits 2013 war im Herder-Verlag das „Lexikon des Dialogs. Grundbegriffe aus Christentum und Islam“ erschienen.
Der federführende Herausgeber und Islamwissenschaftler Mathias Rohe hob hervor, das Handbuch werfe erstmals den konkreten Blick auf das Zusammenleben der beiden Weltreligionen in Deutschland. Essenziell sei, dass in den Beiträgen der christlichen und muslimischen Autoren nicht übereinander geschrieben werde, sondern auf Augenhöhe, sagte der Jurist.
Der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie an der Universität Münster, Mouhanad Khorchide, betonte, dass es ihm darum gegangen sei, zu reflektieren und darzustellen, mit welchen Werten der Islam Deutschland bereichern könne. Khorchide, der für seine reformorientierte Koranauslegung aus eigenen Reihen immer wieder kritisiert wird, schreibt unter anderem, dass der islamische Wahrheitsanspruch nicht dadurch relativiert werde, dass es unterschiedliche Wege zu Gott gebe. Im historischen Kontext werde klar, dass der Islam Vielfalt und verschiedene Wege zu Gott akzeptiere.
Andere Beiträge beschäftigen sich mit der sozialen Verantwortung von Christen und Muslimen. Dabei betont der katholische Theologe und Sozialethiker Hansjörg Schmid, dass die beiden ihre Zusammenarbeit etwa bei der Diakonie aber auch der Seelsorge ausbauen sollten. „In Zukunft wird es nicht mehr in erster Linie darum gehen, dass sich die Kirchen den Muslimen als Hilfsbedürftigen zuwenden“, schreibt Schmid. In einer pluralistischen und multireligiösen Gesellschaft könne die Frage sozialer Verantwortung nicht aus der Perspektive einer einzelnen Religion gestellt werden.
Neben der direkten Verantwortung der Religionen innerhalb der deutschen Gesellschaft werden auch kritische Aspekte wie die Frage des Umgangs mit Menschenrechten allgemein oder das Scharia-Recht angesprochen. Auch die Schul-und Hochschulbildung spielt in dem Handbuch eine Rolle. Für den Psychologen und Migrationsforscher Haci-Halil Uslucan steht die religiöse Erziehung im Islam etwa im „Spannungsfeld von Geborgenheit und Dogmatismus“. Und der katholische Theologe Jürgen Werbick berichtet in seinem Beitrag über die historische Entwicklung christlicher Theologie an deutschen Universitäten sowie die „beglückende Erfahrung des interreligiösen Dialogs“.
Zuletzt werden in dem Handbuch die Arbeiten von politischen Initiativen, zum Beispiel der Deutschen Islam Konferenz, und zivilgesellschaftliche Projekte beschrieben, darunter die Christlich-Islamische Gesellschaft. Der Bonner katholische Theologe Thomas Lemmen, der seit mehr als zehn Jahren ehrenamtlicher Geschäftsführer des Verbands ist, sieht das Projekt als gelungenes Beispiel für einen „Dialogs des Handelns, in dem Muslime und Christen sich gemeinsam zum Wohl anderer Menschen einsetzen“. (KNA)