Innenminister Thomas de Maizière behauptete gegenüber Medien, die Radikalisierung von Extremisten habe in Moscheen stattgefunden. Jetzt hagelt es scharfe Kritik von der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş. Diese fordert einen besseren und angemessenen Umgang mit Muslimen.
„Verzerrend und gefährlich“, so sieht Mustafa Yeneroğlu, Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş (IGMG) die jüngsten Äußerungen von Bundesinnenminister Thomas de Maizière (CDU) im Zusammenhang mit der Terrorgruppe IS. Seine Äußerungen stellten die Moscheen in unmittelbaren Zusammenhang zu Terroristen und bedienten wider besseres Wissen die schon äußerst vertieften Ressentiments gegenüber Muslimen in der Gesellschaft.
Bundesinnenminister de Maizière hatte gegenüber Medien erklärt, die Menschen, die sich der Terrororganisation IS anschlössen, seien „mitten in Deutschland, in dieser Gesellschaft radikalisiert worden“. Sie hätten in Deutschland Fußball gespielt, „sie waren in Moscheen, sie radikalisieren sich dort“. Gerade der Bundesinnenminister müsse jedoch wissen, wo Radikalisierung stattfinde und wo nicht, so Yeneroğlu. In Deutschland gäbe es über 2.000 Moscheen. Alle Moscheen unter einen Generalverdacht zu stellen, sei nicht nur nicht sachdienlich, sondern auch kontraproduktiv.
Es sei an der Zeit, dass sich der Umgang mit Muslimen ändere, so Yeneroğlu. Anstatt mit dem Finger auf „selbst verschuldete Einzelfälle“ zu zeigen und immer nur mit Präventionsmaßnahmen auf Muslime zuzugehen, müsse die dem Gemeinwohl dienende Arbeit der Moscheegemeinden endlich gewürdigt werden. „Es ist falsch, Moscheegemeinden mit Polizei und Präventionsprogrammen anzusprechen und sie in der Sozial-, Bildung-, und Jugendpolitik zu ignorieren“, sagte Yeneroğlu.
Auch müsse die Innenpolitik ihren Umgang mit Muslimen, ihre „kulturalisierenden Sicherheitskonzepte, sowie ihre Begriffswahl und Rhetorik“ überdenken. Es sei Fakt, dass 99 Prozent der Moscheegemeinden trotz „mangelnder Unterstützung sowie permanenter Ausgrenzung und trotz fehlenden Respekts für ihre ehrenamtliche Arbeit“ vor allem im Jugendbereich seit Jahrzehnten hervorragende Arbeit leisteten. Dank dieser Arbeit betrachteten Muslime Deutschland mehr denn je als ihre Heimat.
Sicherheitsbehörden wüssten zu gut, dass Äußerungen wie die des Innenministers rechtsextremistischen Gewalttätern als Legitimation für ihre Aggressionen gegenüber Muslimen dienten. „Insofern wären Verantwortliche gut beraten, auf ihre Wortwahl zu achten und Äußerungen zu vermeiden, die Ressentiments schüren und Vorurteile gegenüber Muslimen noch weiter verfestigen. Diese Rhetorik erinnert an überwunden geglaubte frühere Zeiten und schürt Angst – nicht nur unter Muslimen“, sagte der Generalsekretär der IGMG.
Die Sicherheitsbehörden hatten am Wochenende erneut Alarm geschlagen. Sorge bereitet dem Verfassungsschutz die zunehmende Zahl von Extremisten, die unter anderem in Syrien und dem Nordirak für Terrormilizen in den Kampf ziehen. Der Leiter des Hamburger Landesamts für Verfassungsschutz, Torsten Voß, sagte dem Nachrichtenmagazin Der Spiegel (Montag): „Wir müssen auch die Islamisten weiter in unseren Fokus nehmen, die im Ausland kämpfen wollen, aber ihr Ziel nicht erreicht haben“. Die betreffenden Personen könnten stattdessen versucht sein, die Ziele von Gruppen wie der Terrororganisation IS auf deutschem Boden zu unterstützen.
Was die Überwachung von Rückkehrern aus den Kampfgebieten anbelangt, räumte der Präsident des Bundesamtes für Verfassungsschutz, Hans-Georg Maaßen, in der Welt am Sonntag Engpässe ein. Seine Behörde verfüge nicht über die Kapazitäten, um alle der mutmaßlich 180 bislang heimgekehrten Kämpfer zu observieren. Alarmiert zeigte sich Maaßen über eine wachsende Zahl an Ausreisen. Mittlerweile hätten sich 550 Personen aus Deutschland Richtung Syrien und Irak aufgemacht; davon seien rund 60 Kämpfer inzwischen gefallen.
Dies sei ein trauriger Erfolg für die extremistische Propaganda, so Maaßen. Ähnlich wie Voß warnte auch Maaßen vor einer steigenden Gefahr von Anschlägen. Es müsse damit gerechnet werden, dass es auch in Deutschland zu Terrorakten kommen könne. Das Thema steht auch auf der Tagesordnung der nächsten Konferenz der Innenminister von Bund und Ländern. (iQ/KNA)