Im Jüdischen Museum Berlin wurden die Kernergebnisse der wissenschaftlichen Untersuchung „Signale in der Mehrheitsgesellschaft“ vorgestellt. Die Beschneidungsdebatte in Deutschland war demnach ein „ausgrenzendes Erlebnis“.
Juden und Muslime haben sich durch die sogenannte Beschneidungsdebatte in Deutschland vor zwei Jahren laut einer Studie gesellschaftlich stark ausgegrenzt gefühlt. Wie aus einer wissenschaftlichen Untersuchung der Universität Oxford hervorgeht, die am Donnerstagabend (04.12.2014) im Jüdischen Museum in Berlin präsentiert und diskutiert wurde, war vor allem für jüdische Mitbürger die Debatte um die Beschneidung ein „Wendepunkt“. Erstmals standen sie gefühlt im Fokus religionskritischer und -feindlicher Debatten. Ausgeprägt sei das „Entsetzen über die Vehemenz und Bandbreite der Anti-Beschneidungspositionen“ gewesen, so das Fazit der Studie.
Auch für Muslime sei die Debatte ein „ausgrenzendes Erlebnis“ gewesen. Allerdings habe sich für sie die Diskussion in eine Vielzahl von antiislamischen Debatten eingereiht, etwa den Kopftuchstreit und vor allem die Diskussion um die Positionen von Thilo Sarrazin.
Beide hätten jedoch das Gefühl gehabt, dass infolge der Debatte „die eigenen Traditionen von der Mehrheitsgesellschaft als fremdartig und primitiv abgewertet werden“, wie es in der Studie weiter heißt. Eine Soldarisierung zwischen Juden und Muslimen habe sich nur in Anfängen gezeigt. Vor allem angesichts des Israel-Palästina-Konflikts seien die beiden Religionen wieder auseinandergedriftet.
Die empirische Studie „Signale in der Mehrheitsgesellschaft“ wurde im vergangenen Jahr an der Universität Oxford unter Leitung des Politikwissenschaftlers Kerem Öktem fertiggestellt und im Herbst 2013 vor Fachpublikum in Berlin vorgestellt. Die Präsentation für die Öffentlichkeit in Berlin ist Rahmenprogramm der Ausstellung zur Beschneidung „Haut ab! Haltungen zur rituellen Beschneidung“, die noch bis Anfang März 2015 im Jüdischen Museum läuft.
Anlass für die Ausstellung und die Studie war das Urteil des Kölner Landgerichts 2012. Die Richter bewerteten in einem Präzedenzfall die Beschneidung als strafbare Körperverletzung und stellten damit die körperliche Unversehrtheit des Kindes über die freie Religionsausübung. Es folgte eine bundesweite Debatte über religiöse Beschneidung. Der Bundestag entschied sich schlussendlich jedoch mit großer Mehrheit für ein Gesetz, das die religiöse Beschneidung von jüdischen und muslimischen Jungen weiterhin erlaubt. (KNA)