Demonstrationen gegen eine „Islamisierung des Abendlandes“ und jetzt die Forderung aus der CDU für ein „Burka-Verbot“. Was ist nur los in der deutschen Islam-Debatte? Joachim Heinz (KNA) fragt kritisch, warum man weiterhin übereinander spricht, aber nicht miteinander.
Erst HoGeSa und nun Pegida: Nach den „Hooligans gegen Salafisten“ gehen jetzt die „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ auf die Straßen. Während es bei den Hooligans zu Gewaltaktionen kam, treten die Sympathisanten von Pegida gemäßigter auf – zumindest nach außen hin. Bislang ohne größere Zwischenfälle ziehen sie auf ihren „Spaziergängen“ durch die Innenstädte. Was in Dresden begann, hat inzwischen mehrere Ableger bekommen. Am Montag planen die „Düsseldorfer gegen die Islamisierung des Abendlandes“, kurz Dügida, ihre Auftaktkundgebung vor dem nordrhein-westfälischen Landtag.
Laut Initiator Lutz Bachmann geht es Pegida um ein Umdenken in der Politik. Das beziehe sich sowohl auf die Asylpolitik als auch die Auseinandersetzung mit gewaltbereiten „Islamisten“, sagte er unlängst im Interview der Bild-Zeitung. Zugleich distanzierte er sich von rechtsradikalem Gedankengut und betonte, man sei nicht gegen das Recht auf Asyl. „Kriegsflüchtlinge – egal woher sie kommen und an welchen Gott sie glauben – haben ein Recht auf Schutz. Aber wir sind gegen Aufnahme von Wirtschaftsflüchtlingen.“
Allein in Dresden gehen inzwischen mehrere tausend Menschen immer montags durch die Straßen. Die Bewegung präsentiert sich, ähnlich wie zuvor HoGeSa, bestens vernetzt. Die Facebook-Seite von Pegida gefällt über 31.500 Menschen. „Wir haben einen Stein ins Rollen gebracht“, meint Bachmann. „Ich bekomme täglich Hunderte E-Mails von Leuten aus ganz Deutschland, die die Aktion toll finden.“ Nur: Wer gehört zu diesem Kreis? Und: Stoßen die mitunter als Schweigemärsche inszenierten Demos wirklich eine Diskussion an?
Das treibt auch den katholischen Dresdner Bischof Heiner Koch um. Er zeigte sich am Freitag beunruhigt über die Bewegung, wandte sich aber zugleich dagegen, alle Demonstranten „von vornherein als rechtsextremistisch zu bezeichnen“. Man müsse „kritisch hinterfragen, was eine so große Menschenmenge Woche für Woche montags auf die Straße treibt“. Es gelte, das Gespräch zu suchen, auch über unbequeme Themen. „Schuldzuweisungen und Lagerdenken helfen da nicht weiter.“
In Düsseldorf riefen Landtagspräsidentin Carina Gödecke und Oberbürgermeister Thomas Geisel (SPD) dazu auf, eine Gegenkundgebung namens „Düsseldorf braucht keine DÜGIDA“ zu unterstützen. „Setzen Sie fernab von jeglicher Gewalt ein Zeichen zur weiteren Stärkung eines vielfältigen Miteinanders der Kulturen und Religionen in Stadt und Land.“ Es steht zu vermuten, dass die Nerven in der Landeshauptstadt blank liegen. In Nordrhein-Westfalen nahm der bundesweite Skandal um Misshandlungen von Flüchtlingen in Flüchtlingsheimen seinen Ausgang. An neuen Negativschlagzeilen besteht kein Bedarf.
Zufall oder nicht: Zeitgleich findet im politischen Raum eine Debatte über eine mögliches Burka-Verbot in Deutschland statt. Losgetreten hat sie CDU-Vizechefin Julia Klöckner am vergangenen Wochenende. Der Ganzkörperschleier – in Deutschland häufiger in Form des sogenannten Niqabs zu sehen – gilt als Symbol der Unterdrückung muslimischer Frauen und als Zeichen mindestens konservativer Gesinnung. Auf ihrem Bundesparteitag in Köln will die Partei in der kommenden Woche über das Thema beraten.
Der religionspolitische Sprecher der Grünen, Volker Beck, sprach sich unterdessen gegen einen solchen Schritt aus und nannte ihn „verfehlt“. Vermutlich finde es niemand in der deutschen Politik gut, wenn Frauen eine Burka oder einen Niqab trügen. Das allein reiche verfassungsrechtlich jedoch nicht aus, um ein Verbot zu rechtfertigen. Die großen islamischen Religionsgemeinschaften halten sich aktuell zu beiden Komplexen – „Burka-Verbot“ und „Anti-Islamismus-Demonstrationen“ – bedeckt. Ein Schleier des Schweigens liegt über einer Debatte, in der sich viele zu Wort melden, aber nur wenige miteinander sprechen. (KNA)