Positive Beispiele

Bundespräsident trifft minderjährige Flüchtlinge in Magdeburg

Bundespräsident Joachim Gauck hat am Freitag einen Flüchtlingsverein für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Magdeburg besucht. Dabei wurde deutlich: Bürokratie und Willkür machen den Betroffenen zu schaffen. Ein Bericht von Karin Wollschläger (KNA).

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Zuwanderung und vor allem Flüchtlinge stehen derzeit ganz oben auf der gesellschaftspolitischen Agenda. In immer mehr Städten formieren sich Protestbewegungen nach dem Dresdner Vorbild der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlands“ (Pegida) und fordern eine Verschärfung des Asylrechts. Am Donnerstag vereinbarten Bund und Länder eine stärkere Kooperation bei der Versorgung von Flüchtlingen und Asylbewerbern. In dieser Gemengelage besuchte Bundespräsident Joachim Gauck am Freitag (12.12.2014) in Magdeburg den Caritas-Flüchtlingshilfeverein „Refugium“ und traf dort unbegleitete minderjährige Flüchtlinge.

„Ein vorbildliches Projekt, das Schule machen sollte“, lobte Gauck. „Wir müssen solche Geschichten des Gelingens erzählen – gegen eine Kultur der Angstmacher.“ Ihre Schicksale, von denen die meist 15, 16 Jahre alten Jungen berichteten, zeigten dem Staatsoberhaupt: Es gibt tolle Hilfsprojekte, aber Bürokratie, Gesetzgebung und Willkür legen den integrations- und lernwilligen jungen Flüchtlingen auch manche Steine in den Weg.

Zukunftsängste belasten die Jugendlichen

Da ist etwa ein junger Afrikaner, der vor drei Jahren allein nach Deutschland kam. Mit Unterstützung von „Refugium“ fasste er Fuß, machte den Hauptschulabschluss und begann eine Ausbildung. Jetzt ist er 18 Jahre alt geworden und fällt damit aus der Jugendhilfe. Ein neuer Status mit großer Tragweite: Es droht ihm die Abschiebung, und die finanzielle Unterstützung fällt weg. Er hat Bafög beantragt -doch für die Ausbildungsunterstützung müsste er mindestens schon vier Jahre in Deutschland sein.

„Die jungen Flüchtlinge belasten solche Zukunftsängste massiv“, berichtete Sozialarbeiter Roland Bartnig. Bei „Refugium“ ist er derzeit Vormund für 38 unbegleitete Flüchtlinge, 6 weitere Anträge liegen bereits beim Amtsgericht. Der Jüngste ist gerade mal acht Jahre alt und mit seinem größeren Bruder mittels Schleusern nach Deutschland gekommen. „Durch die zunehmenden Krisengebiete, vor allem Syrien, merken wir einen deutlichen Anstieg“, sagte Bartnig. „In diesem Jahr werden es wohl an die 30 neue Vormundschaften sein, das ist eine Verdreifachung gegenüber den Vorjahren.“

Bildung ist ihre einzige Chance

„Refugium“ arbeitet eng mit der Magdeburger Clearingstelle der Caritas zusammen, der einzigen Erstaufnahmeeinrichtung für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge in Sachsen-Anhalt. Dort wird zunächst nach möglichen Angehörigen in Deutschland gesucht, meist erfolglos. Parallel erhalten die Kinder und Jugendlichen Deutschunterricht, da sie während der Wochen in der Clearingstelle noch nicht in eine Schule dürfen.

„Die Jugendlichen sind durchweg hoch motiviert und sehr ehrgeizig, sie wissen, dass Bildung ihre einzige Chance ist“, erklärte Bartnig. Nicht ohne Stolz bilanziert er, dass von den 241 jungen Flüchtlingen, die „Refugium“ seit der Gründung vor 17 Jahren betreut hat, mehr ihr Abitur gemacht haben als die Schüler Sachsen-Anhalts im Durchschnitt.

Gauck: Solche Projekte müssen bekannter werden

Gauck lobte die Arbeit des Vereins und das Engagement von Kirche und Caritas als ein Beispiel, das auch in anderen Bundesländern Schule machen sollte. Solch positive Projekte müssten viel stärker in der Öffentlichkeit bekannt werden. „Wir dürfen die Hoheit über die Zuwanderungsdebatte nicht Chaoten und wenig hilfreichen Strömungen überlassen“, mahnte er. „Wir werden uns nicht von Brandstiftern jeder Couleur in Angststrategien jagen lassen.“ Zugleich forderte das Staatsoberhaupt eine offene gesellschaftspolitische Debatte darüber, wie viele Flüchtlinge Deutschland aufnehmen könne. „Nicht darüber zu reden, bestärkt jene, die diffuse Ängste schüren.“

Mit Blick auf die neue Kooperation von Bund und Ländern appellierte Gauck an die Verantwortlichen, in der Gesetzgebung auch die Probleme von unbegleiteten minderjährigen Flüchtlingen stärker zu berücksichtigen, etwa beim Zugang zu Schule und Ausbildung. „Wir brauchen neue Lösungswege für diese jungen Menschen, und ich bin sehr dankbar, dass es trotz der gegenwärtigen Probleme so ein großes Engagement für diese Flüchtlinge gibt.“ (KNA)