Wunder von Bern

Haus der Religionen in Bern öffnet seine Türen

In Bern öffnet am Sonntag das „Haus der Religionen“ seine Türen. Es ist der Versuch acht Religionen unter einem Dach zu vereinen. Anfangs wurde das Projekt noch als Utopie belächelt, doch jetzt steht es. Ein Beitrag von Josef Bossart (KNA)

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Acht Religionen unter einem Dach: Das Haus der Religionen am Europaplatz in Bern steht. Was vor 16 Jahren als städtebauliche Idee auftauchte, ist nach über zehn Jahren Entwicklungsgeschichte und zweieinhalb Jahren Bauzeit eine weltweit einmalige Wirklichkeit geworden. Am Sonntag wird das Haus der Religionen feierlich eröffnet.

Am Anfang stand eine Studie zur Stadtentwicklung. Wolle man verhindern, dass Berns zugewanderte kulturelle und religiöse Minderheiten nicht weiter marginalisiert würden, brauche es einen Platz, wo sich diese Minderheiten integrieren könnten, um gleichberechtigt und öffentlich in der Gesellschaft gegenwärtig zu sein, hieß es darin. Heraus aus den Hinterhöfen, alten Fabriken oder Garagen: Ein „Haus der Religionen“ mit Kultus- und Dialogräumen sei ein solcher Platz, schlug Planer Christian Jaquet vor.

Fantasten, Utopisten, Gutmenschen

Den Gedanken nahm der damals bereits bestehende „Runde Tisch der Religionen“ zusammen mit der Herrnhuter Brüdergemeine auf. Die Herrnhuter schickten im Jahr 2000 ihren Pfarrer Hartmut Haas zusammen mit seiner Familie nach Bern. Er verfügte bereits über vielfältige interreligiöse Erfahrungen. „Ohne den visionären Elan und das gewaltige finanzielle Start-Engagement der Herrnhuter würden wir heute nicht hier sein“, sagt Stiftungspräsident Guido Albisetti.

Viel Geld musste für den Bau zusammenkommen. Das Ergebnis der ersten Versuche war vernichtend. 150 Finanzierungsanfragen seien mit 150 Absagen beantwortet worden, erzählt Albisetti. Schmerzlich seien dabei nicht die Absagen an sich, sondern die Zwischentöne gewesen:„Wir waren Fantasten, Utopisten, Gutmenschen fernab jeder Realität.“

Zehn Millionen Franken

Allmählich kamen dann aber doch Absichtserklärungen, Spendenzusagen, schließlich Einzahlungen von Privatpersonen und Stiftungen, Unterstützung von Stadt und Kanton Bern und den Kirchen. Ende 2012, einige Monate nach Baubeginn, waren dann die erforderlichen zehn Millionen Franken (8,3 Millionen Euro) beisammen. Ein kleines Wunder von Bern.

Stolz stellt die Stiftung Europaplatz – Haus der Religionen heute fest: „Das erste Mal auf der Welt steht nun ein Haus, in dem so verschiedene Religionsgemeinschaften unter einem Dach zusammenarbeiten, ihren Kultus feiern, gestalten, diskutieren, entwickeln und die Anliegen des Dialogs in ihre Gemeinschaften hinein und in die Welt hinaus vermitteln“.

Jede Gemeinschaft hat ihre eigenen Räume

Im Haus der Religionen haben Aleviten, Hindus, Muslime, Buddhisten und Christen ihre eigenen Räume. Jede Glaubensgemeinschaft ist für deren Finanzierung und Ausbau selbst zuständig. Juden, Bahai und Sikhs sind zwar im Verein engagiert, verfügen aber über keine eigenen Räume.

Bis zuletzt wurde in den Kulträumen emsig gearbeitet. Im Hindu-Tempel bemalen noch indische Handwerker die imposanten Altäre. In der Moschee hängt zwar der große Kronleuchter, doch fehlen die Gebetsteppiche. Der Innenausbau der Moschee erfolgte fast ausschließlich durch Freiwilligenarbeit. Für den Tempel der Buddhisten trifft soeben die Buddha-Statue ein.

Ein Drittel für den Dialog

Ein Drittel der Gesamtfläche im Haus der Religionen gehört dem Dialog. Denn eigentlich versteht sich das Haus der Religionen als „Labor des religiösen Zusammenlebens“, wie David Leutwyler, Geschäftsführer des Trägervereins, sagt. Es handele sich um ein Experiment zwischen Rückzug und Öffnung. Die Religionsgemeinschaften verfügen über ihre sakralen Räume, die ihnen einen intimen Rahmen bieten. Gleichzeitig wollten sie aber auch mit der Öffentlichkeit ins Gespräch kommen. Große Türen verbinden die Sakralräume mit dem gemeinsamen Bereich: einer Halle, einem Restaurant und Seminarräumen. Hier sollen künftig verschiedenste Kulturveranstaltungen stattfinden.

Immer wieder galt es, Kompromisse zu machen. Doch mit den Jahren sei „das Vertrauen gewachsen, dass das Leben unter einem Dach nicht auf Kosten der eigenen Identität geht“, sagt Gerda Hauck, Präsidentin des Trägervereins. Das gemeinsame Dach sei „ein unübersehbares und einzigartiges Zeichen, dass der interreligiöse und interkulturelle Dialog in der Lage ist, gesellschaftliche Veränderungen zu bewirken, Vertrauen aufzubauen und gemeinsam und friedlich vorwärtszugehen“. (KNA)