Islamfeindlichkeit

Wer trägt die Verantwortung für Pegida?

Aktuelle Umfragen zeigen: Die Pegida-Demonstrationen stoßen auf viel Zustimmung in der Gesellschaft. Doch allein dem rechten Spektrum die Schuld am Erstarken zu geben, wäre falsch. Das sehen auch Muslime und Opposition so. Sie kritisieren die Politik der geistigen Brandstifter.

15
12
2014
0

Eine aktuelle Umfrage der Zeit ergibt, dass knapp die Hälfte aller Bundesbürger (49 Prozent) Verständnis für die Pegida-Aufmärsche haben. Auch eine Angst vor „Islamisten“ sei in Deutschland weit verbreitet. 73 Prozent der Bundesbürger gaben an, sie hätten Sorge, dass der „radikale Islam“ in Deutschland an Bedeutung gewinne. Eine Mehrheit der von YouGov befragten Deutschen, nämlich 59 Prozent, ist zudem der Ansicht, dass die Bundesrepublik zu viele Flüchtlinge aufnimmt. In einer anderen Umfrage, die für den Spiegel durchgeführt wurde, erklärten 34 Prozent der Befragten, dass in Deutschland zunehmend eine Islamisierung stattfinde.

Solche Ergebnisse lassen natürlich die Frage aufkommen, was eigentlich Auslöser für solch gefährliche Einstellungen in der Gesellschaft sind. „Wir Muslime können die Ängste der Menschen, die bei Pegida demonstrieren, gut nachvollziehen, so unbegründet diese auch sein mögen. Schließlich wissen wir am besten, woher diese Ängste kommen. Sie wurden über viele Jahre geschürt von unseren Politikern“, sagt beispielsweise der Generalsekretär der Islamischen Gemeinschaft Millî Görüş, Mustafa Yeneroğlu. Man habe daher auch kein Verständnis, wenn sich ausgerechnet die Innenminister „nun hinstellen und Verständnis für die Demonstranten“ zeigten.

Yeneroğlu: Differenzierung findet nicht statt

Seit dem 11. September würden der Islam und die Muslime in Deutschland durch die Politik nur im „Kontext der inneren Sicherheit als Bedrohung“ thematisiert. „Kaum ein Tag vergeht, an dem Muslime nicht im Fokus der Öffentlichkeit stehen, als Terroristen, als Dschihadisten, als gefährliche Schläfer“, erklärt Yeneroğlu. Eine Differenzierung zwischen den tatsächlichen Gefährdern und unbescholtenen Bürgern finde nicht statt. Der Bürger sei schon längst nicht mehr in der Lage, zwischen dem sogenannten Islamismus und dem Islam zu unterscheiden. „Selbst die Sicherheitsbehörden blicken nicht mehr durch ihr eigens aufgestelltes Sammelsurium an Begriffen, die unter dem Strich alle nur eines bewirken: das Schüren von Angst vor den Muslimen.“

Insofern könne man die Angst der Bevölkerung – so unbegründet man sie auch halten mag – sehr gut nachvollziehen. „Wer hätte keine Angst, wenn in der Öffentlichkeit eine bestimmte Gruppe tagtäglich als die Bedrohung präsentiert werden würde?“, fragt die IGMG. Sie fordert die Politik auf ihr Sicherheitskonzept auf den Prüfstand zu stellen und sämtliche Begriffe der Sicherheitsbehörden vom Islam loszulösen. Sicherheitsbehörden sollten nach Meinung der IGMG zu dem interkulturell geschult und sensibilisiert werden um islamfeindlichen Ressentiments zu begegnen.

Linke: AfD und CDU/CSU sind geistige Brandstifter

Dass die IGMG mit ihrer Meinung nicht allein steht, zeigt auch die scharfe Kritik aus der Opposition. Die Linkspartei hält der AfD und der CDU/CSU eine Politik der „geistigen Brandstiftung“ und offenes Verständnis für fremdenfeindliche Demonstrationen vor. Linken-Chef Bernd Riexinger sagte der Leipziger Volkszeitung am Samstag (13.12.2014) vor dem Hintergrund der Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Bayern und der Pegida-Demonstrationen in Dresden: „Da zeichnet sich ein deutlicher Rechtsruck ab.“

Die AfD stehe „Pegida ohnehin näher als dem Grundgesetz und Bernd Lucke ist ein geistiger Brandstifter mit Biedermanngesicht.“ Aber auch die Union „bricht ein weiteres Tabu nach rechts, indem sie offen Verständnis für fremdenfeindliche Demonstrationen äußert“. Diese Art der Politik, so Riexinger, „hat schon einmal nach Lichtenhagen und noch weiter geführt“. In einem politischen Klima, „wo etablierte Parteien Rassismus salonfähig machen, fühlen sich rechte Gewaltbanden ermutigt“.

Grüne: Verschärfung des Meinungsklimas

Der Grünen-Fraktionschef Anton Hofreiter hat nach den Brandanschlägen auf drei geplante Flüchtlingsunterkünfte in Bayern der CSU vorgeworfen, in den letzten Monaten mit wiederholten populistischen Vorstößen – vom Sozialtourismus bis zur Deutsch-Pflicht – zu einer Verschärfung des Meinungsklimas beigetragen zu haben. In einem Gespräch mit der Neuen Osnabrücker Zeitung ebenfalls am Samstag forderte Hofreiter die CSU auf, auf ihrem Parteitag zu klären, wie weit sie sich von AfD und Pegida an den rechten Rand der Republik treiben lassen wolle.

„Der mutmaßlich rechtsextreme Hintergrund der Brandanschläge auf Flüchtlingsunterkünfte in Vorra sollte die CSU wirklich wachschütteln“, sagte der Grünen-Politiker. Rechtspopulistische Signale würden immer gern von denen aufgenommen, die dumpf rechtsextrem und menschverachtend handelten. CSU-Chef Horst Seehofer und seinem Generalsekretär Andreas Scheuer müsste es „ langsam dämmern“, dass beim Wettlauf um dumpfe Parolen gegen Integration und Zuwanderung alle verlören – am allermeisten die, die auf Unterstützung angewiesen seien. Wichtig wäre eine eindeutige Willkommenskultur für Menschen auf der Flucht, forderte Hofreiter. Gerade jetzt auch im Winter seien für Zuwanderer sichere Unterkünfte, eine bessere Gesundheitsversorgung, Integrationsangebote und ein schnellerer Zugang zum Arbeitsmarkt lebenswichtig.

Schura-Hamburg: Politik muss klare Haltung zeigen

Die SCHURA sieht die Schuld an den aktuellen Entwicklungen in einer seit Jahren laufenden einseitigen und pauschalisierenden Darstellung von Islam und Muslimen als Terrorverdächtige und Integrationsverweigerer, als das gesellschaftlich Andere schlechthin. So würde Hass und Hysterie fabriziert. Man dürfe sich eigentlich nicht wundern, wenn hier von Rechtsradikalen angeknüpft werde, um daraus Kapital zu schlagen und Menschen weiter aufzuhetzen. „Es ist schon bemerkenswert, wenn ausgerechnet in einer Stadt, wo es kaum Muslime gibt, Tausende die Islamisierung des Abendlandes halluzinieren“, sagt Yoldaş mit Blick auf die Aufmärsche in Dresden.

Es sei deshalb auch ein völlig falsches Signal, wenn Politiker wie Bundesinnenminister de Maizière (CDU) jetzt Verständnis für Pegida-Demonstranten zeigten. „Man könnte ja meinen, es sei irgendetwas daran an der Islamisierungs-Hysterie.“ Die Politik müsse gerade jetzt gegen Rechtsradikale und das Schüren von Islamfeindlichkeit eine klare und eindeutige Haltung einnehmen. Politiker sollten sich nicht nur zur Einwanderungsgesellschaft bekennen, sondern auch dazu, dass der Islam unbestreitbar Teil der gesellschaftlichen Realität sei, so die SCHURA. „Und hierzu gehören auch die Moschee und das öffentlich getragene Kopftuch“, machte die SCHURA deutlich. In Hamburg und Bremen habe man mit den hier geschlossenen Staatsverträgen ein starkes Signal in diese Richtung gesendet. Leider sei das noch nicht überall angekommen.

Mazyek: Angst vor der Zukunft

Nach Ansicht des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime, Aiman Mazyek, zeigt die Pegida-Bewegung die Angst der Menschen vor der Zukunft. Sie sorgten sich um ihren Arbeitsplatz und suchten dafür Sündenböcke, sagte Mazyek dem Bayerischen Rundfunk (BR) am Montag in München. Bewegungen wie Pegida versuchten, solche Ängste zu instrumentalisieren. Die Pflicht der Politik sei es deshalb, hier besser mit den Bürgern zu kommunizieren. Rechtsextremisten zeichneten immer wieder eine fremdenfeindliche Fratze Deutschlands, die gar nicht da sei. „Deutschland ist nicht so“, betonte Mazyek.

Die fremdenfeindliche Initiative „Patriotische Europäer gegen Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida) hat sich im Oktober in Dresden gegründet. In Dresden hatten laut Polizei zuletzt 10.000 Menschen an einer Demonstration teilgenommen. Bundesweit gibt es inzwischen mehrere Bündnisse, die sich an Pegida orientieren. (iQ/KNA)