Zu Ehren des Propheten

Das Mawlîd-Gedicht des Süleyman Çelebi

Süleyman Çelebi dichtete eines der berühmtesten Gedichte der islamischen Welt. Sein Mawlîd-Gedicht erzählt die Geburtsgeschichte des Propheten und sein Leben.

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2015
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Der Begriff „Mawlîd“ bedeutet Geburt, Geburtsort und –zeit. Literarisch bezeichnet er hauptsächlich Werke, die sich mit der Geburt des Propheten Muhammad (s), seinem Leben, Verhalten, Aussehen, seinen Wundern bis hin zu seinem Tod beschäftigen. Viele dieser Werke wurden mit der Absicht verschriftlicht, diese auf Feiern anlässlich der Geburt des Propheten Muhammad (s) gemeinsam lesen zu können.

In Mawlîd-Gedichten werden oft Themen bezüglich der Geburt des Propheten, sein Aufstieg (Mirâdsch) in den Himmel und sein Tod behandelt. Diese religiösen Schriften sind in einer einfachen Sprache verfasst und an den einfachen Leser gerichtet. Die ersten Feierlichkeiten anlässlich der Geburt Muhammads (s) fanden im 10.-11. Jahrhundert, zur Zeit der Fatimiden (910-1171) statt. Teilnehmen konnten ausschließlich der Herrscher und die höhere Gesellschaft des Hofes.

Der erste Mawlîd, an dem jeder teilnehmen konnte, fand erstmalig 1207 in Erbil, zur Zeit des Seldschuken Atabek Abû Saîd Muzaffaruddîn Gökbörü (1233), statt. Diese Mawlîd-Veranstaltung leitete die darauffolgende Art der Festlichkeiten anlässlich der Geburt des Gesandten Gottes ein.

Die Geschichte der Mawlîd-Tradition

Im Osmanischen Reich fand die erste offizielle Mawlîd-Feier zur Zeit Murad III., 1588 statt. Auf die Mawlîdsche Textgattung wurde in der türkischen Literatur besonders viel Wert gelegt. Der hauptsächliche Grund dafür liegt an dem ersten türkischen Mawlîd-Text „Vesîletü’n-Necât“ um 1409 von Süleyman Çelebi, der besonders beliebt war und gleichzeitig zur Ursache seiner Befreiung wurde.

Das Mawlîd-Gedicht des Süleyman Çelebi ist in einer ausdrücklich einfachen und eindrucksvollen Sprache geschrieben. Dies führte dazu, dass daraufhin auch viele andere Mawlîd-Texte geschrieben wurden, allerdings schaffte es keiner, Çelebi das Wasser zu reichen. In der türkischen Literatur sind mehr als 200 Mawlîd-Gedichte und ähnliche Texte zu finden.

Amina Khatun, Muhammads Mutter rein –
Diese Muschel, sie gebar die Perle fein!
Als von Abdallah sie ein Kind empfing,
Kam die Zeit herbei, und Tag und Stunde ging.
Als das Kommen Muhammads nun nahe war,
Zeigten sich zuvor gar viele Zeichen klar.
Jene Nacht des Monats Rabi ul-evvel,
Jene zwölfte Nacht, die zwölfte Nacht so hell –
Da der Menschen Bester ward geborn allhie:
Was sah seine Mutter alles! Was sah sie!
Sagte sie: „Ich sah (so sprach die Mutter rein)
Solch ein Licht – die Sonn vor ihm ein Mücklein klein!

Der Inhalt des Mawlîd

Der gesamte Inhalt des Mawlîd-Gedichts behandelt die Allmacht Gottes und den vollkommenen Charakter des Propheten Muhammad (saw). Ein solcher Text drückt die unvergleichliche Liebe zum Propheten aus. Çelebis Werk macht eine besonders deutliche Sehnsucht zum Gesandten Gottes deutlich.

Çelebi beginnt sein Werk mit dem Namen Gottes und berichtet, dass alle Propheten von Adam (a) bis Muhammad (s) ein ganz besonderes Licht im Gesicht trugen. Besonders genau beschreibt Çelebi die Geburt des Propheten und geht dabei auf alles ein, was dessen Mutter bei der Geburt hörte, sah und mit welcher Freude seine Geburt erwartet wurde. Danach behandelt er das Prophetentum Muhammads (s) und seine Himmelfahrt.

Beendet wird sein Mawlîd-Gedicht mit der Beschreibung des Todes des Gesandten Gottes und einem Bittgebet, die er jeweils in tiefer Trauer verfasst hat.

O du Heilung für der Herzen bittren Schmerz,
O du König des Geschaff’nen allerwärts!
Du bist jener Fürst der sämtlichen Propheten,
Augenlicht der Heil’gen, aller die da beten –
O du Siegel auf der Gottessendung Thron!
O du Siegel vom Prophetenpetschaft schon!
Denn dein Licht macht diese Welt zum hellen Tag,
Deine Schönheit macht die Welt zum Rosenhag.
O Freund Gottes, lass uns Hilfe angedeih’n!
Deine Huld erquick’ mein letztes Stündelein!

Im Mawlîd-Gedicht sind die Passagen, die von Ereignissen und Gedanken handeln, sehr einfach und bescheiden gehalten. In dieser Textgattung stößt man auf alle möglichen Sprachelemente und – formen. Vor allem werden aber Wortspiele, Vergleiche und Wiederholungen verwendet. Die Achtsamkeit auf die Harmonie jedes einzelnen Verses, lässt das Gesamtwerk erst zu dem werden, was es ist. Der Mawlîd-Text lässt Lyrik und Didaktik in Gedichtform miteinander verschmelzen. Besonders ist auch, dass der Text an sich sehr einfach erscheint, doch gescheiterte Nachahmungsversuche beweisen das Gegenteil.

Diese literarische Gattung veranlasst den Muslim erneut über die Sunna des Gesandten Gottes und über seine Stellung im eigenen Leben nachzudenken. Die Wirkung, die die Mawlîd-Tradition selbst noch nach Jahrhunderten immer noch auf viele Gläubige hat, ist auch aus religionssoziologischer und kulturgeschichtlicher Perspektive interessant.

Übersetzung der Gedicht-Auszüge aus: Annemarie Schimmel: Und Muhammad ist Sein Prophet. Die Verehrung des Propheten in der islamischen Frömmigkeit. Düsseldorf, Köln: Diederichs Verlag 1981