Eine gemeinsame Studie der Bertelsmann-Stiftung und des Religionsmonitors zeigt, dass die Mehrheit der befragten Muslime in Deutschland sich mit der deutschen Demokratie verbunden fühlt. Demgegenüber stellt die Stiftung eine weitere Umfrage vor, die zunehmende anti-islamische Haltungen bei der deutschen Bevölkerung belegt.
Aus Anlass der Diskussion um die anti-islamische „Pegida“-Bewegung stellte die Bertelsmann-Stiftung heute (08.01.2015) eine Studie zum Thema Islam vor. Dazu haben Wissenschaftler die Haltung von Muslimen in Deutschland zu Staat und Gesellschaft näher beleuchtet. Dem stellt die Studie die Haltung der bundesdeutschen Gesellschaft zum Thema Islam gegenüber. Mit dem Religionsmonitor veröffentlich die Bertelsmann-Stiftung regelmäßig internationale Entwicklungen im Verhältnis von Gesellschaft und Religion. Für die Sonderauswertung wurden Ende November 2014 in einer repräsentativen Umfrage nicht muslimische Deutsche über 16 Jahren befragt.
Die meisten der vier Millionen Muslime in Deutschland identifizieren sich laut der Studie mit den Grundwerten Demokratie und Pluralität. So halten 90 Prozent der hochreligiösen Muslime die Demokratie für eine gute Regierungsform, heißt es darin. Neun von zehn Befragten haben in ihrer Freizeit Kontakt zu Nicht-Muslimen. Jeder Zweite hat mindestens genauso viele Kontakte außerhalb der Religionsgemeinschaft wie mit Muslimen. Die befragten Muslime zeigten sich mehrheitlich fromm und liberal zugleich. 63 Prozent der sich als ziemlich oder sehr religiös bezeichnenden Muslime überdenken regelmäßig ihre religiöse Einstellung. Einer Heirat unter Homosexuellen stimmten rund 60 Prozent von ihnen zu. In der Türkei hingegen, dem Hauptherkunftsland der Muslime in Deutschland, gibt nur jeder dritte hochreligiöse Muslim an, den Glauben regelmäßig zu überdenken. Gleichgeschlechtliche Ehen befürworten dort nur 12 Prozent der Hochreligiösen.
Laut Bertelsmann belegt der Religionsmonitor also eine starke Verbundenheit der Muslime zu den Grundwerten der Bundesrepublik. Umgekehrt belege eine Umfrage von Ende November 2014, dass große Teile der nicht-muslimischen Bevölkerung dem Islam ablehnend gegenüberstehen.
Trotz der Verbundenheit der Muslime mit Deutschland wachsen hier negative Vorurteile gegenüber dem Islam, wie die Studie zeigt. Nach einer repräsentativen Emnid-Umfrage im Auftrag der Stiftung empfinden 57 Prozent der nicht-muslimischen Bundesbürger den Islam als Bedrohung, vier Prozentpunkte mehr als 2012. 61 Prozent der Bundesbürger finden, der Islam passe nicht in die westliche Welt (2012: 52 Prozent). 40 Prozent der Befragten fühlen sich durch Muslime wie Fremde im eigenen Land. Jeder Vierte will Muslimen die Zuwanderung nach Deutschland verbieten.
Weder politische Orientierung, Bildungsniveau noch Sozialstatus beeinflussten das Islambild der Deutschen nennenswert, heißt es in der Sonderauswertung. Entscheidender seien Alter und persönlicher Kontakt zu Muslimen. So fühlten sich von den über 54-Jährigen 61 Prozent durch den Islam bedroht, von den unter 25-Jährigen aber nur 39 Prozent. Die Angst sei dort am stärksten, wo wenige Muslime leben. In Nordrhein-Westfalen, wo ein Drittel von ihnen wohnt, fühlen sich 46 Prozent der Bürger bedroht. In Thüringen und Sachsen mit einem niedrigen Muslimen-Anteil sagen dies 70 Prozent.
Die Islam-Expertin der Stiftung, Yasemin El-Menouar, führt das Negativ-Image auf die Minderheit von radikalen Islamisten zurück. Es bestehe die Gefahr einer breiten Islamfeindlichkeit. Dabei gebe es vieles, was Muslime und Nicht-Muslime verbinde. El-Menouar: „Daraus kann ein Wir-Gefühl wachsen.“ Aber dafür bedürfe es einer stärkeren Wertschätzung der Muslime und ihrer Religion.
Der Religionsmonitor basiert auf repräsentativen internationalen Bevölkerungsumfragen aus dem Jahr 2013, mit 14 000 Befragten aus 13 Ländern. Um das Meinungsbild in Deutschland zu erfassen, befragte das Forschungsinstitut TNS Emnid für die Stiftung Ende November 2014 repräsentativ 937 nicht muslimische Deutsche über 16 Jahren. (KNA/dpa/iQ)