Heute wurde die erste empirische Untersuchung der Pegida-Bewegung durch Politikwissenschaftler aus der TU Dresden bekannt gegeben. Darin wird ein überraschendes Profil des Pegida-Demonstranten gezeichnet. Auffällig ist besonders, dass das Thema Islam für viele Demonstranten nachrangig sei.
Zum ersten Mal haben Wissenschaftler die Zusammensetzung der Demonstranten untersucht, die da wöchentlich in Dresden mit den Islam-Kritikern der Pegida auf die Straße gehen. Heute legte der Politikwissenschaftler Hans Vorländer von der Technischen Universität Dresden seine Studie vor. Vorländers Team hatte bei drei Demonstrationen in Dresden zwischen dem 22. Dezember und vergangenem Montag rund 400 Teilnehmer befragt und kam zu teils überraschenden Ergebnissen:
Der typische Pegida-Demonstrant ist nicht wie eigentlich erwartet ein junger Arbeitsloser oder ein frustrierter Rentner, sondern im Durchschnitt 48 Jahre alt, männlich, aus Sachsen, gut ausgebildet und verfügt über ein für sächsische Verhältnisse leicht überdurchschnittliches Einkommen. Nur 2 Prozent seien ohne Beschäftigung oder arbeitssuchend. Der Anteil der Rentner liegt bei 18 Prozent. Fast die Hälfte sind Arbeiter oder Angestellte. Beamte sind kaum darunter (3 Prozent). An der Umfrage wollten sich allerdings rund 65 Prozent der Demonstranten nicht beteiligen.
Bei der Befragung bezeichneten sich 21 Prozent der Demonstranten als protestantisch. Vier Prozent gaben an, katholisch zu sein, das entspricht dem Anteil der Katholiken der sächsischen Gesamtbevölkerung. Zwei Drittel fühlen sich keiner Partei verbunden, unter den anderen führt mit 17 Prozent die AfD vor CDU (9 Prozent), NPD (4 Prozent) und Linkspartei (3 Prozent).
Überraschenderweise zeigt die Studie, dass Pegida-Demonstranten in Dresden nach eigenen Angaben mehrheitlich gar nicht gegen den Islam, sondern aus Unzufriedenheit mit der Politik auf die Straße gehen. Das geht aus der ersten empirischen Untersuchung der Anhänger der Anti-Islam-Bewegung hervor. Obwohl sie an einer Kundgebung der Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes (Pegida) teilnehmen, nenne noch nicht einmal ein Viertel den Islam, Islamismus oder die Islamisierung als Grund dafür, sagte der Politikwissenschaftler Hans Vorländer. Dennoch bestätigten 42 Prozent der Befragten auf Nachfrage, dass ihre Vorbehalte gegenüber Muslimen oder dem Islam besonders ausgeprägt seien. Jeder fünfte gab dabei an, Sorgen vor hoher Kriminalität durch Asylbewerber sowie Angst vor sozioökonomischer Benachteiligung zu haben.
Für die Mehrheit der Teilnehmer seien die Kundgebungen jedoch „in erster Linie eine Möglichkeit, tief empfundene, bisher nicht öffentlich artikulierte Ressentiments gegenüber politischer und meinungsbildender Elite zum Ausdruck zu bringen“, so Vorländer weiter. Diese Gegenüberstellung von „Die da oben“ und „Wir hier unten“ in Kombination mit fremdenfeindlichen Einstellungen werde traditionell zum rhetorischen Arsenal rechtspopulistischer Strömungen gerechnet.
Für den Politikwissenschaftler sind die Demonstrationen Symptome einer schon länger beobachteten Krise der repräsentativen Demokratie. „Die Bürger haben ein sehr unmittelbares Partizipationsbegehren. Sie sind manchmal auch der Auffassung, dass das, was sie für richtig halten, auch eins zu eins umgesetzt werden muss.“ Dabei werde häufig verkannt, dass solche Prozesse „erstens einen langen Atem brauchen und zweitens zu Kompromissen führen müssen“.
Der Ruf „Wir sind das Volk“, nach direkter Demokratie, lässt den Schluss zu, dass die Befragten eine solche etwas komplexe Vermittlung der Willensbildung und Entscheidungsbildung nicht wirklich wertschätzen.“ Vielmehr zeige er, dass jemand gewünscht sei, „der das Volk hört und es an die Hand nimmt“.
Pegida ist laut Studie vor allem ein sächsisches Phänomen: 36 Prozent gaben an, aus Dresden und Umgebung zu kommen. Weitere 38 Prozent kommen aus anderen Teilen des Freistaats. Der Anteil von Teilnehmern aus anderen ostdeuten Bundesländern liegt bei nur 9 Prozent. Aus dem Westen reisten 6 Prozent der Befragten zum Demonstrieren an. Dafür spreche auch, dass die Pegida-Bewegung in anderen Städten und Regionen deutlich weniger Erfolge erziele und mit größeren Gegenbewegungen konfrontiert werde.
Vorländer prognostiziert zwei mögliche Entwicklungen für die Protestbewegung: Pegida könnte sich zu einer rechtspopulistischen Bewegung weiterentwickeln. „Das versucht sie im Augenblick ja, aber es ist nicht wirklich erfolgreich, wenn man auf die anderen Städte guckt.“ Oder Pegida könnte zum verlängerten Arm der AfD werden. „Insofern hätten wir hier den parlamentarischen Ansprechpartner und eine Bewegung der Straße.“ (dpa/KNA/iQ)