Kommunikationswissenschaftler, Philosophen und christliche Geistliche stellen sich gegen die undifferenzierte Solidarisierung mit den religionskritischen Karikaturen des französischen Satiremagazins „Charlie Hebdo“.
Der Eichstätter Bischof Gregor Maria Hanke hat nach den Terroranschlägen von Paris für mehr Differenzierungen in der Debatte über den Zusammenhang von Gewalt und Religion geworben. Kritisch äußerte sich Hanke zum Umgang der Medien mit der Religion. Presse- und Meinungsfreiheit müssten verantwortlich gebraucht werden.
Wo Satire über ein zumutbares Maß hinaus religiöse Überzeugungen verletze, sei nicht immer leicht zu beurteilen. Aber auch eine säkulare Gesellschaft brauche „einen praktizierten Grundrespekt vor religiösen Überzeugungen“. Insofern dürfe Satire „nicht einfach alles“.
Das Pariser Magazin Charlie Hebdo, verortete der Bischof „in der Tradition eines antireligiösen französischen Laizismus“. Des öfteren habe es sich nicht nur über die Grenzen religiöser Gefühle von Muslimen, sondern gerade auch von Christen hinweggesetzt. Er als Christ müsse keineswegs „Charlie sein“ und könne dennoch die Pressefreiheit entschieden befürworten und angesichts der Mordopfer in Paris zutiefst betroffen sein, erklärte Hanke.
Karikaturen gegen den sakralen Kern einer Religion könnten nach Ansicht des Kommunikationswissenschaftlers Kai Hafez auch als fremdenfeindlich interpretiert werden. Dadurch entstehe ein seltsamer Schulterschluss zwischen links orientierter Aufklärung und rechtspopulistischen Bewegungen, sagte Hafez am Dienstag im Deutschlandfunk.
Religion sei eine sensible Angelegenheit in der islamischen Welt. Allerdings sei seine Erfahrung, dass solche Ausschreitungen wie jetzt gegen die Mohammed-Karikaturen auch übersteigert dargestellt würden. Die Aufregung sei in der islamischen Welt in der Regel nicht ganz so groß, wie es in Deutschland scheine.
Was den einen als Meinungsfreiheit und gesunde Provokation erscheine, werde von anderen als fremdenfeindlicher Angriff interpretiert, so der Kommunikationswissenschaftler. Dazu komme, dass der Westen in den vergangenen Jahren als Kriegsakteur in islamisch geprägten Ländern aufgetreten sei. Man sollte alles sagen können, aber nicht alles, was gesagt werde, sei auch vernünftig und gesellschaftlich sinnvoll, so Hafez.
Nach Ansicht des Wiener Kardinals Christoph Schönborn muss die Pressefreiheit auch Rücksicht auf religiöse Gefühle nehmen. Meinungs-, Presse- und Religionsfreiheit hätten dort ihre Grenze, „wo es um die Achtung vor dem geht, was dem anderen heilig ist“, schreibt der Wiener Erzbischof in seiner Kolumne in der österreichischen Zeitung Heute. Karikaturisten wie die der Satirezeitung Charlie Hebdo seien „Gradmesser“ dieser genannten „Grundfreiheiten einer guten, offenen Gesellschaft“. Die Attentate von Paris hätten wieder bewusst gemacht, wie kostbar diese Freiheiten seien.
Millionen Menschen weltweit hätten zuletzt mit dem Slogan „Ich bin Charlie“ Solidarität mit den ermordeten Karikaturisten in Paris gezeigt, schreibt der Kardinal und fragt: „Aber ist damit schon alles gesagt?“ Das Pariser Satiremagazin habe sich nicht gescheut, neben humorvollen und satirischen Karikaturen politischer Art seit Jahren „vor allem das Christentum und den Islam in verächtlich machenden und vulgären Karikaturen darzustellen“. Die Gewalt gegen Charlie Hebdo und das Massaker an Juden in einem Pariser jüdischen Supermarkt seien gleichwohl durch nichts zu rechtfertigen.
Eine undifferenzierte Solidarisierung mit den religionskritischen Karikaturisten von Charlie Hebdo ist nach Meinung des Prager Soziologen Tomas Halik ein Beleg für eine Seichtheit der politischen Kultur im Westen. Trotz seiner Solidarität „mit allen, die jedweden Ausdruck der Gewalt und der Unduldsamkeit verurteilen“, bringe ihn die „Bemühung, die unglücklichen Opfer aus den Reihen der Redaktion der satirischen Zeitschrift als Helden und Symbole unserer Kultur zu feiern“ bloß in Verlegenheit, schreibt Halik in der tschechischen Tageszeitung Lidove noviny.
Als er die „Karikaturen“ des französischen Satiremagazins gesehen habe, habe er sie „nicht nur als Beleidigung des Islams und des Christentums wahrgenommen, sondern auch als Verletzung der Grundwerte unserer Kultur, die in der Achtung der anderen besteht“, betonte Halik. Dieser Wert sei nicht geringer als die Pressefreiheit, so der Priester, Philosoph und Professor an der Prager Karlsuniversität. Die Karikaturen von Charlie Hebdo erinnerten ihn „stark an die herabwürdigenden Darstellungen der Juden in der antisemitischen Presse“.
„Bei aller Sympathie für die Opfer und deren Nächste“ würde er sich selbst niemals den Sticker „Ich bin Charlie“ anheften, so Halik, der auch Präsident der Tschechischen Christlichen Akademie ist. Er bekenne sich „zu einem anderen Gesicht unserer Kultur“: zu jenem, das einen „befreienden Humor sowie Ironie und Polemik gegen Fanatismus und Fundamentalismus“ kenne, aber „vulgäre Ausdrücke der Geringschätzung und verantwortungsloses Gießen von Öl ins Feuer des Hasses zwischen Menschen und Kulturen“ ablehne.
Halik stellte klar, dass man vor der „Krake des Islamischen Staates und seinen Fangarmen“ keinesfalls zurückweichen dürfe. Genauso sei ein entschiedenes Nein auch den Populisten zu sagen, die „aus der Angst vor dem Islam politisch Punkte sammeln wollen“. (KNA)