Fremdenfeindlichkeit und Vorurteile machen sich auch im Internet bemerkbar, in Kommentaren wimmelt es teils von wüsten Beschimpfungen. Eine Gruppe Youtube-Künstler hat nun eine Aktion gegen Ausgrenzung gestartet. Ihr Motto: Youtuber gegen Hass.
Drei Tage lang lief Anna Moll durch Berlin-Neukölln, am Ende war ihr Video fertig. „Meet A Muslim“, triff einen Moslem, nannte Moll den Kurzfilm. Darin erzählen Passanten, junge Mädchen in einer Moschee und eine Frau beim Einkaufen von ihren Erfahrungen als Muslime. Das Ziel: Mehr Toleranz. „Was wir nicht kennen, lässt sich leicht fürchten“, sagt Moll.
Molls Video ist Teil einer Aktion deutscher Youtube-Künstler gegen Ausgrenzung. Sie nennen sich #YouGeHa, Youtuber gegen Hass. Die ganze Woche lang laden die Youtuber immer um 15 Uhr neue Videos hoch, in denen sie sich mit Hass, Fremdenfeindlichkeit und Ausgrenzung auseinandersetzen. Die Aktion schlägt mitten in eine Debatte, die seit Beginn der Demonstrationen der islamkritischen Bewegung Pegida tobt. Die Filme wurden bereits tausendfach angeklickt und kommentiert. „Wir sind total happy und fast überwältigt davon, dass das so einen Anklang findet“, sagt Moll.
Die Videos reichen von ernsthaft über locker bis witzig. Youtuber Lars Paulsen aka SRSLY (Seriously) nimmt Pegida-Demonstranten in einem Rap-Song aufs Korn. „Ich fahr in den Urlaub: Antalya, Venedig – Wie soll ich Rassist sein? Alter, das geht nicht!“, reimt er in die Kamera, um die Schultern eine Deutschland-Fahne. Ein Youtuber namens MrWissen2go nimmt sich häufige Vorurteile vor und widerlegt sie mit zahlreichen Fakten. Etwa Flüchtlinge, die nach Deutschland kommen: „Die machen das nicht, um abzukassieren, die machen das, um zu leben.“
Mirko Drotschmann, der Mann hinter MrWissen2go, hat die Aktion mitorganisiert. Die Idee zu #YouGeHa entstand in einer Facebook-Gruppe, die Drotschmann gegründet hat. Dort diskutierten Youtuber, die sich mit ernsthaften Themen beschäftigen – keine Selbstverständlichkeit, schließlich ist die Plattform auch voll von herzigen Schminkvideos und ausgefeilten Computerspieltipps.
Die Wissens-Youtuber, wie sie sich nennen, wollten ein Zeichen setzen. „Nicht nur wegen Pegida, sondern auch weil wir festgestellt haben, dass unter unseren Videos teilweise ganz schlimme Sachen stehen, gerade wenn es um Islam oder Homosexualität geht“, sagt Drotschmann. Die Youtuber wurden regelmäßig von einer Flut rassistischer und feindlicher Kommentare überrollt. Die Demonstranten seien die Spitze des Eisbergs, sagt Videoproduzentin Moll. „Die anderen 99 Prozent befinden sich im Internet.“
Wochenlang planten die Videokünstler ihre Aktion – ohne Sponsor oder offiziellen Auftrag. Einzig der Trailer wurde von einer Produktionsfirma erstellt. „Wir kriegen dafür kein Geld und es ist auch kein Ministerium auf uns zugekommen“, sagt Lisa Ruhfus. „Wir haben uns untereinander selber organisiert in dieser Gruppe.“ Die Berlinerin hat sich auf Youtube die Kunstfigur „Die Klugscheißerin“ zugelegt und macht ebenfalls bei der Aktion mit. Sie besuchte eine Flüchtlingsunterkunft und sprach mit einem Willkommensbündnis.
Eine solche politische Aktion unter Youtubern sei etwas Neues, sagt Ruhfus. „Es hat viele angestoßen, sich mit dem Thema zu beschäftigen.“ Die Youtube-Filmer wollen besonders junge Menschen erreichen, die vor allem ihre Videos schauen.
Auch Youtube selbst beteiligt sich an einer Aktion gegen Ausgrenzung. Unter dem Motto „361 Grad Respekt“ rief die Videoplattform zu Beiträgen gegen Mobbing auf. Hier ist ein Ministerium dabei: Bundesfamilienministerin Manuela Schwesig (SPD) übernahm die Schirmherrschaft und lobte am Donnerstag in Berlin die Teilnehmer. Bei Youtube freut man sich über #YouGeHa: „Es muss ja nicht immer alles von uns initiiert werden“, sagte Sprecherin Mounira Latrache. „Je mehr Leute sich gegen Ausgrenzung aussprechen, desto weniger Leute können eine Plattform für sowas haben.“
Die Youtuber gegen Hass sind derweil beschäftigt, die Reaktionen auf ihre Aktion zu durchforsten. „Unter den Videos wird viel mehr diskutiert als sonst“, freut sich MrWissen2go Drotschmann. Allerdings findet sich dort auch genau die Hass-Kritik, die den Anstoß zu der Aktion lieferten. „Dieses Problem wird mit dieser Kampagne nicht aus dem Netz geschaffen sein“, sagt Mitstreiterin Moll. „Wir wollen versuchen, gemeinsam zu erkunden, was man mit so einer Aktion bewegen kann.“