Bodo Ramelow

„Man muss jedem Kritiker erst einmal zuhören“

Jeder Mensch, der in Deutschland seinen Glauben friedlich leben will, muss geschützt werden, sagt Bodo Ramelow. Thüringens Ministerpräsident redet aber auch mit Pegida-Anhängern, um sich ihre Kritik anzuhören.

10
02
2015
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Die Demonstrationen des Pegida-Ablegers Sügida verlieren immer mehr Teilnehmer. Die Initiatoren werden vom Verfassungsschutz dem Rechtsextremismus zugeordnet. Sie hatten in den vergangenen Wochen immer wieder versucht, die Erstaufnahmeeinrichtung auf dem Suhler Friedberg für ihre Zwecke zu instrumentalisieren. Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) beantwortete am Montagabend Fragen der Suhler Bürger – und erklärte im Interview mit der Deutschen Presse-Agentur, warum es wichtig ist, sich auch Islamkritikern zu stellen.

Sügida demonstriert jetzt schon seit Anfang des Jahres und verliert an Zuspruch. Warum sind Sie gerade heute hergekommen?

Die Landesregierung ist bei jeder Sügida-Gegendemonstration hier gewesen. Wir haben einen Kabinettsbeschluss: bei jeder dieser Veranstaltungen ist immer mindestens ein Vertreter von uns da. Ich bin direkt nach meinem Amtsantritt oben auf dem Friedberg gewesen. Bevor ich mich mit anderen Akteuren auseinandersetze, setze ich mich zuerst mit den Flüchtlingen auseinander. Und mit dem Problem, dass auf dem Friedberg Menschen leben, die große Not haben, die um ihr Leben gerannt sind, die unter schwierigsten Umständen hierher gekommen sind.

Nun schrumpft der Pegida-Ableger seit einiger Zeit, könnte die Anwesenheit des Ministerpräsidenten ihm nicht neue Aufmerksamkeit bringen?

Antwort: Sie reden über Sügida, ich rede nicht über Sügida. Ich rede mit den Bürgern hier. Es war mir wichtig, dass ich nicht zu einer politischen Veranstaltung meiner Partei hierher komme, sondern ich bin eingeladen worden, um zuzuhören. Und genau das habe ich gemacht. Im Kern ist es das Format „miteinander reden“. Und da begegnen mir hier Sorgen, wo ich qualifiziert Antworten geben kann oder ich nehme Sorgen auf und sage „ich nehme sie mit“.

Von den Bürgern kamen auch kritische Fragen bezüglich Muslimen. Wie weit muss man Islamkritikern zuhören?

Man muss jedem Kritiker erst einmal zuhören, der nicht die notwendigen Kenntnisse oder Ängste hat. Ich habe eine Gesprächsrunde gehabt, wo ein Mitchrist mir sagte, der Islam gehöre nicht zu Deutschland und das es ihn ärgern würde, dass Herr Wulff das damals gesagt hat. Und meine Gegenfrage war: „Wie gehen wir mit 4,5 Millionen Menschen in Deutschland um, die Moslems sind?“ In Thüringen haben wir 7000 Moslems. Das sind alles friedliche Menschen.

Das Grundgesetz sieht die Trennung von Staat und Kirche vor. Da steht drin, dass der Staat dafür zu sorgen hat, dass Religionsfreiheit und Religionsvielfalt gelebt werden kann. Deswegen kommt es nicht darauf an, ob man sagt, der Islam gehöre zu Deutschland. Es kommt darauf, dass jeder Mensch, der friedlich seinen Glauben lebt, in diesem Land geschützt werden muss.

Die Rechtsextremen in Thüringen zeigen in den vergangenen Wochen und Monaten ein größeres Selbstbewusstsein. Wie kann man dort entgegensteuern?

Ich habe mir nie eine Illusion gemacht nach den NSU-Terrormorden, dass das Thema vorbei sei. Man kann solche Gedanken nicht verbieten, man muss sich damit auseinandersetzen. Unsere Aufgabe muss darin bestehen, Prävention zu betreiben, damit junge Leute merken, dass es eine deutsche Verantwortung gibt für unsere Geschichte. Diese Geschichte ist singulär, die ist einmalig. Das fabrikmäßige Ermorden in Auschwitz ist eine deutsche Verantwortung. Deswegen muss man Leuten, die auftreten und sagen „das wird man doch mal sagen dürfen“, widersprechen.

Bodo Ramelow (58) ist der erste Linke-Politiker, der es zum Ministerpräsidenten eines Bundeslandes gebracht hat. Der gelernte Kaufmann und frühere Gewerkschaftsfunktionär ist zwar schon seit Jahren Gesicht und Stimme der Linkspartei in Thüringen. Geboren ist er jedoch in Niedersachsen, seine Jugend verbrachte er in Hessen. Ramelow ist verheiratet und hat zwei erwachsene Söhne. (dpa)