In den letzten Wochen ist die Gefängnisseelsorge für muslimische Insassen ein Thema. Wir sprachen mit Süleyman Küçük über Muslime in der JVA in Berlin.
IslamiQ: Sie arbeiten in einer Berliner Justizvollzugsanstalt. Wie viele muslimische Insassen gibt es in Berliner Gefängnissen?
Küçük: Es gibt keine exakten Statistiken, da die Insassen nicht explizit nach ihrer Religionszugehörigkeit gefragt werden. Wenn sie aus Ländern kommen, in denen mehr als die Hälfte der Bevölkerung muslimisch ist, werden sie in die Statistik als Muslime aufgenommen. Nach dieser Berechnung beträgt der Anteil der Muslime in den Berliner Justizvollzugsanstalten ca. 20%.
IslamiQ: Was sind Ihre Aufgaben?
Küçük: Meine Aufgabe ist in erster Linie, den Gefangenen als Gesprächspartner zur Verfügung zu stehen. Neben Problemen und Sorgen der Insassen spielen theologische Fragen zur Halal-Kost, Fastenzeit, Freitagsgebet usw. eine wichtige Rolle. Auf Wunsch der Insassen verrichten wir die täglichen Gebete. Am Ramadan- und Opferfest organisiere ich ein Festprogramm mit Essen. Zudem gibt es seitens der Gefangenen Anfragen zur islamischen Literatur wie z. B. Koranübersetzungen oder Hadith-Bücher. Nach Absprache mit der Gefängnisleitung werden diese von der DITIB zur Verfügung gestellt und in die Anstaltsbibliothek aufgenommen.
IslamiQ: Man kennt es aus Spielfilmen: Insassen, die im Gefängnis zum Glauben finden. Haben Sie einen solchen Fall miterlebt?
Küçük: Nein. Jedoch ist es richtig, dass sich viele im Gefängnis intensiver mit Religion auseinandersetzen, da sie u. a. viel Zeit haben, nachzudenken und ihre Taten zu hinterfragen. An dieser Stelle ist es wichtig, dass sie einen muslimischen Theologen zur Seite haben. Denn meine jahrelange Erfahrung in den Anstalten haben gezeigt, dass Bruchwissen vom Islam, welches nicht auf normative Quellen aufbaut, zur Radikalisierung des Einzelnen führen kann.
IslamiQ: Was können muslimischen Gemeinden für muslimische JVA-Insassen tun?
Küçük: An erster Stelle fehlt es in den Anstalten an muslimischen Theologen und Seelsorgern, die täglich präsent sind und nicht nur wenige Male im Monat. Zudem könnten muslimische Gemeinden Imame zur Verfügung stellen, die neben Freitagsgebeten mehrmals in der Woche offene Gesprächsrunden leiten. Auch sollte die Möglichkeit gegeben werden, mindestens zwei Einzelgespräche wöchentlich anzubieten. Ferner könnten sich die Gemeinden dafür einsetzen, dass die muslimischen Inhaftierten auf Wunsch Halal-Kost erhalten.