Diskriminierung aufgrund der Herkunft oder Religion gibt es überall – auch in Deutschland. Ob jemand „voll integriert“ und qualifiziert ist, spielt dabei keine große Rolle. Die Stereotype und Vorbehalte sitzen nun mal fest in den Köpfen. Wie sich diese im Alltag bemerkbar machen, schreibt Sebahat Özcan, ausgehend von einer (leider) wahren Geschichte.
Naima Massoud und Hamza Demir treffen sich heute mit den Vertretern von zwei anderen Hilfsorganisationen. Sollte die Sitzung fruchten, möchten die beiden bei zukünftigen Projekten zusammenarbeiten, um so noch mehr Menschen zu erreichen. Naima hat dafür einen Tisch in einem besonderen Restaurant reserviert. Sie und Hamza sind etwa 20 Minuten früher als die anderen da. Sie wollen die anderen dort empfangen.
Am Eingang steht niemand, der ihnen ihren Tisch zeigen könnte. Sie warten kurz. Es kommt niemand. Sie entscheiden sich, selbst einmal zu schauen. Vielleicht steht ja der Name, auf den reserviert wurde, auf dem Tisch. Langsam gehen sie auf einen der vielen freien Tische zu, die im hinteren Bereich des Restaurants stehen. Naima wird von manchen Gästen teils abschätzig, teils überrascht angesehen. Von oben bis unten. Hamza bemerkt es, lässt sich nichts anmerken, ist aber betrübt.
Naima winkt lächelnd ab, als sie sein Gesicht sieht .„Ich bin daran gewöhnt. Das braucht dich nicht traurig machen. Das ist einfach ‚normal’. Je nachdem, welche Stadt und welches Ambiente man sich aussucht.“ „Lass uns gehen“, sagt Hamza zu Naima. „Wir finden auch ein anderes Restaurant.“ „Kommt nicht in Frage“, entgegnet Naima mit unberührter Stimme, „ich bin ein Teil dieser Gesellschaft. Das sollen auch Menschen verstehen, die das nicht so sehen wollen.“ Sie haben sich für einen Tisch entschieden. „Da so viele frei stehen, dürfte das kein Problem sein“, denken sie sich.
Es vergehen ein paar Minuten. Es kommt kein Kellner. Ein paar haben sie eigentlich schon gesehen. Ob sie wohl ignoriert werden? Als ein Kellner vorbeigeht, hebt Naima die Hand: „Entschuldigen Sie, bitte…“ Er kommt an den Tisch heran. „Wir würden gern etwas zu Trinken bestellen.“ „Augenblick“, sagt er und geht ohne nach der Bestellung zu fragen.
Naimas Ruhe lässt nach. Auch sie fühlt sich inzwischen unwohl. Oft hat sie sich darüber Gedanken gemacht, wie schön es eigentlich ist, normal behandelt zu werden. „Komisch, nicht?“, denkt sie laut und sieht Hamza dabei an. „Es ist für mich etwas Besonderes, wenn man mich ganz normal wie andere behandelt“, sagt sie und fügt hinzu: „Ich habe mich schon so sehr daran gewöhnt, angestarrt zu werden oder einfach mal etwas Diskriminierendes zu hören. Das ist zu meiner Normalität geworden.“
Kurz darauf kommt der Oberkellner an den Tisch. Er grüßt nicht. „Entschuldigen Sie, aber sämtliche Tische sind heute Abend reserviert. Noch mehr Gäste können wir heute leider nicht bewirten.“ „Wir haben auch für heute reserviert.“ Der Oberkellner fragt nicht nach dem Namen, auf den reserviert wurde, und entgegnet: „Da muss ein Missverständnis vorliegen. Wie gesagt, alle Tische sind bereits reserviert.“ Naima und Hamza schauen auf die leer stehenden Tische um sich. Dass alle auf keinen Fall reserviert sein können, steht fest. Der Fall ist klar. „Verstehe“, sagt Hamza „sagen Sie dem Geschäftsführer, dass er in den kommenden Tagen in die Zeitung schauen soll.“ Sie versuchen unbeeindruckt auszusehen, als sie das Restaurant verlassen.