Benachteiligung aufgrund der Herkunft oder Religion gibt es überall – auch in Deutschland. Ob jemand „voll integriert“ und qualifiziert ist, spielt dabei keine große Rolle. Die Stereotype und Vorbehalte sitzen nunmal fest in den Köpfen. Wie sich diese im Alltag bemerkbar machen, schreibt Sebahat Özcan, ausgehend von einer (leider) wahren Geschichte.
Deniz Seven legt den Hörer auf. Erwartungsvoll blickt ihn seine Frau an „Und?“, „Wir sollen direkt unterschreiben kommen.“, freut er sich. Auch Sevil ist erleichtert. Schnell verschwindet sie im Schlafzimmer, um für sich und ihrem Mann die richtige Kleidung rauszusuchen. „Schön, dass es auf Anhieb geklappt hat. Wir haben zwar nur Bilder von der Wohnung gesehen, aber sie scheint tip top zu sein.“, sagt Sevil unterwegs. „Vor allem bin ich überrascht, dass er uns die Wohnung versprochen hat, bevor wir uns überhaupt richtig vorstellen konnten.“ „Er weiß, dass wir beide jeweils einen guten Job haben. Für den Vermieter ist das Wichtigste, dass er am Ende des Monats die Miete bekommt, denke ich“, sagt Deniz.
Bei der Wohnung angekommen, steht schon ein Mann mittleren Alters vor der Haustür. „Das ist er bestimmt“, denken sich Sevil und Deniz im selben Moment. Als beide aussteigen und auf ihn zugehen, ändert sich so langsam sein Gesichtsausdruck. Der Vermieter schaut weg. Vielleicht ist er ja in Gedanken versunken? Auch wenn das Deniz und Sevil ein bisschen irritiert, reicht ihm Deniz als Erster die Hand. „Guten Tag“, sagt er. „Hallo“, entgegnet der Vermieter. Anscheinend hat er sich Deniz und Sevil ein bisschen anders vorgestellt. „Ich habe gleich einen wichtigen Termin.“, fügt er hinzu, um deutlich zu machen, dass er gerade keine Zeit für die beiden hat. „Ich bin Deniz Seven und das ist meine Frau Sevil Seven“, sagt Deniz. Am Telefon hatte er seinen Namen nur buchstabiert, weil er sonst oft falsch notiert wird. Der Vermieter lässt sich seine negative Überraschung ganz offen anmerken. „Ach so“, sagt er, „dann lassen Sie uns mal reingehen.“
Sie gehen hinein. Ein lichtdurchfluteter Flur führt direkt in ein schönes großes Wohnzimmer. Die Wohnung ist toll. „Ich dachte, Sie seien Amerikaner. Seven, wie sieben halt.“ Sevil lacht. Deniz und Sevils Eltern kommen jeweils aus der Türkei und ihre Hautfarbe ist wie die ihrer Eltern. Dunkler halt. Beide sind in Deutschland geboren und aufgewachsen. Sie verstehen sich als Deutsche. „Und sie sprechen so ein gutes Deutsch. Da wäre ich nicht auf die Idee gekommen, dass sie vielleicht Türken oder Araber sind.“ „Sie sprechen aber gut Deutsch“, hören die beiden immer mal wieder. Darauf gehen sie inzwischen gar nicht mehr ein. „Die einzigen in meinem Bekanntenkreis, die kein Deutsch sprechen können, sind ältere Menschen.“, denkt sich Sevil und wundert sich immer wieder, über diese eigenartige Aussage oder Erwartung.
Sevil ändert das Thema. „Die Wohnung ist wirklich sehr schön. Sie haben am Telefon gesagt, dass wir heute direkt unterschreiben können“, sagt sie freundlich und versucht sich allein auf die Wohnung zu freuen. „Nun ja“, beginnt der Vermieter. Er zögert und scheint nicht recht zu wissen, was er entgegnen soll. „Der Vertrag ist noch nicht abgesegnet. Deswegen habe ich ihn nicht dabei. Ich werde sie telefonisch benachrichtigen. Dann können Sie noch einmal vorbeischauen.“ Das gefällt Deniz gar nicht. Aber er sagt nichts. Das Ehepaar schaut sich in Ruhe die Wohnung an und verabschiedet sich dann vom Vermieter. Unterwegs sprechen sie darüber, wie es verlaufen ist. „Ich hab’ kein gutes Gefühl“, sagt Sevil. Deniz geht es genauso. Am nächsten Tag entscheidet sie sich, den Vermieter vorzeitig nochmal anzurufen. „Tut mir leid, aber an Türken vermiete ich nicht“, sagt er.