Muslimische Entdeckungen und Erfindungen

Das Herz der Wissenschaft: Moschee-Universitäten

In diesem Beitrag der IslamiQ-Artikelserie “Muslimische Entdeckungen und Erfindungen” geht es um die Idee hinter Moschee-Universitäten und ihre Wichtigkeit.

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2015
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Niemals zuvor gab es einen größeren Andrang auf Universitäten wie heute. Der Koran empfiehlt den Menschen Wissen zu erwerben, Beobachtungen anzustellen und das Gelernte anzuwenden. So wurde im Islam seit je her großen Wert auf Bildung gelegt, was sich darin äußert, dass seit der Frühzeit des Islams in Moscheen, den Schulen, den Krankenhäusern, Observatorien und in den Häusern der Gelehrten Wissen vermittelt wurde.

Die Grundausbildung in den Primarschulen, Sekundarstufen und in den Universitäten deckte sich, sie begann in den Moscheen. Im Arabischen ist „Dschamîa“ (Universität) die feminine Form des Wortes „Dschâmî“ (Moschee). Ein Hinweis darauf, dass im Arabischen Gebetsorte und Hochschulen in direkter Beziehung zueinander standen und dass sich die islamischen Universitäten an die Moscheen angliederten. Eine sprachliche Bedeutungsnähe wie diese gibt es in keiner anderen Sprache oder Kultur. So ist es nicht verwunderlich, dass einige Moscheen gleichzeitig die ältesten Universitäten darstellen.

Die Al-Azhar Universität

An der berühmten Al-Azhar Universität in Ägypten, eine der ältesten Universitäten der Welt, wird der Lehrbetrieb seit 1030 Jahren ununterbrochen fortgesetzt. Das Herz der ägyptischen Hochschulen zog viele Gelehrte an, die der Universität einen hohen Bekanntheitsgrad verschafften und erlangte darüber hinaus für sein Alter sowie seine Absolventen Berühmtheit. Ibni Hajjâm, der wichtige Forschungen zur menschlichen Sehfähigkeit betrieb, verbrachte einen Teil seines Lebens an der Al-Azhar Universität.

Ibni Chaldun, der Vorreiter im Bereich der Soziologie, war einer der Lehrenden im 14. Jahrhundert. Den Schwerpunkt der Lehre stellen die islamische Theologie und die Rechtswissenschaft dar, doch auch die Bereiche Astronomie, Mathematik, Ingenieurwissenschaften sowie Medizin werden an dieser Hochschule gelehrt und empirische Forschungen betrieben. Seit ihrer Gründung nimmt diese Universität eine besondere Stellung unter den islamischen Universitäten ein, genießt ein hohes Ansehen und entwickelte sich sehr früh zu einem renommierten Zentrum für Islamwissenschaften und Arabisch. An diesem ehrwürdigen Ort wird die älteste islamische Theologie gelehrt.

Eine weitere ehrwürdige Universität ist die Universität Kairouan-Moschee in der marokkanischen Stadt Fes. Die Gründerin der angesehensten Universität Marokkos, die im Jahre 859 erbaut wurde, ist Fatima al-Fehri. Fatima al-Fehri, Tochter eines wohlhabenden Kaufmanns, verwendete die gesamte Erbschaft ihres Vaters für die Errichtung dieser Moschee und Universität und fastete von Anbeginn des Baus bis zu seiner Fertigstellung.

Papst Sylvester II. lernte an dieser Universität die arabischen Zahlen sowie die Verwendung der Zahl 0 und brachte dieses Wissen nach Rom. Die Universität in Kairouanentwickelte sich ähnlich wie die anderen Moschee-Universitäten in kürzester Zeit zu einem Ort, an dem islamisches Wissen vermittelt und politische Dispute geführt wurden. Mit der Zeit umfasste das Lehrangebot viele Fachbereiche, speziell die Naturwissenschaften, und ging als eine der ersten Universitäten in die Geschichte ein.

Die Ausstattung der Universität war hervorragend. Unmittelbar am Eingang befand sich das „Zeitmessungs-Zimmer“, in dem sich Sanduhren, Messgeräte zur Winkelmessung und andere Geräte, die zur Zeitmessung genutzt wurden, befanden. Das vielfältige Bildungsangebot in den Bereichen Geographie, Arithmetik, Medizin, Jura, Theologie, Versschreibung, Chemie, Mathematik, Rhetorik, Islamische Geschichte und Grammatik zog Studenten und Gelehrte aus aller Welt an. Die Voraussetzungen für das Studieren an der Universität in Kairouanwaren unter anderem die Beherrschung der arabischen Sprache sowie des Korans und eine Allgemeinbildung in den anderen Bereichen.

Die oben erwähnten Moschee-Universitäten sind seit der Gründung international anerkannt und bilden heute noch Studenten aus zahlreichen Ländern aus. Darüber hinaus wurden in der Moschee-Universität in Bagdad ebenfalls internationale Studenten aus Syrien, dem Iran und aus Indien in Bereichen wie Medizin, Pharmazie, Ingenieurwissenschaften und Astronomie ausgebildet.

Auch in der Al-Azhar Universität studierten ausländische Studenten, die kostenlose Unterkunft und Verpflegung erhielten. Ebenso an der Universität in Kairouan, wo die Studenten zusätzlich ein Stipendium von vermögenden Familien erhielten. An diesen Universitäten wurden große Bibliotheken errichtet, die größtenteils durch Stiftungen von privaten Bücherkollektionen entstanden.

In der Ez-Zitouna-Moschee in Tunesien befanden sich Handschriften über Grammatik, Logik, Archivierung, Kosmologie, Geometrie und Minieralien. Die Bibliothek in Tunesien ist im Besitz der arabischen Übersetzung des Werkes „Die Geschichte der alten Kulturen“  von Saint Germain aus dem Jahre 420. Auch die in Cordoba und Toledo gegründeten Universitäten wurden zu einem Zentrum für muslimische und christliche Gelehrte aus aller Welt.

Die Sankore-Universität

Auf dem afrikanischen Kontinent zählten die muslimischen Universität Sankore in Timbuktu und die Bildungsinstitute in Mali, Ghana und Songhay, zu den bedeutendsten Universitäten. Die Sankore-Universität, die an die Sankore-Moschee angegliedert wurde, entwickelte sich bald zu einer wichtigen Bildungsanstalt. So waren im 12. Jahrhundert 25 000 der insgesamt 150 000 Einwohner Sankores Studenten. An dieser Universität gab es keine zentrale Administration, unabhängige Bereiche wurden von unterschiedlichen Lehrenden geleitet.

Neben der Studie des Korans und Islamwissenschaften wurde in Sankor, wo der Unterricht in den Vorhöfen der Universität im Freien stattfand, ein breites Spektrum an Lehrfächern angeboten. Die Studenten hatten zudem die Möglichkeit sich in den Handwerksbereichen wie Handel, Arbeitsethik, Schneiderei, Landwirtschaft ausbilden zu lassen.

An dieser Hochschule konnten die Studenten nach zehn Studienjahren ein dem PhD ähnliches Diplom erwerben. Es wurden Gelehrte und Forscher ausgebildet, die durch weltweite Veröffentlichungen einen hohen Bekanntheitsgrad erreichten. Dies ermächtigte sie an allen Universitäten der islamischen Welt einen Lehrstuhl zu besetzen.

Ein Abschluss im Bereich Medizin setzte, ähnlich wie heute, eine lange Studienzeit und das erfolgreiche Bestehen von schweren Prüfungen voraus. In den Rechtswissenschaften wurden erfolgreiche Studenten von den Professoren zu Assistenten ausgewählt und konnten im Anschluss darauf den Weg der höheren Bildung einschlagen. Juristen waren nach dem Erwerb des Diploms (Idschâza) berechtigt den Beruf auszuüben. Es wird überliefert, dass der heutige Bachelor (niedrigster Studienabschluss) von dem Universitätsgrad „Idschâza“ herrührt.

Im Mittelalter gab es in diesen von Muslimen institutionalisierten Hochschulen Regelungen wie Aufnahmeprüfungen, Abschlussprüfungen, Hochschulzertifikate, Wettbewerbe, Auszeichnungen, Stipendien, internationale Studenten und Standards. Die Ähnlichkeiten mit den heutigen Bildungsmethoden und dem Bildungsverlauf sind überwältigend.

Lehrstühle

An den Moschee-Universitäten fanden die Lehrveranstaltungen in Zirkeln, in denen der Lehrende von einem Lehrpult seine Studenten unterrichtete, statt. Lehrpult heißt in diesem Zusammenhang „das höchste, Leitungsposition“ und dem englischen Begriff „Chair Person“ liegt diese Bedeutung zugrunde. Professoren, die einen solchen Zirkel leiteten wurden von dem Kalifen, oder anderen Gelehrten berufen und mit der Leitung eines Bereiches beauftragt. Es bestand die Möglichkeit zwei Lehrstühle gleichzeitig zu besetzen und an zwei verschiedenen Moscheen zu lehren. Wer zum Lehrstuhlinhaber in einer bedeutenden Moschee ernannt wurde, behielt diesen Posten in der Regel ein Leben lang. Gelegentlich kam es vor, dass ein Professor seinen Lehrstuhl wechselte und in einer anderen Moschee lehrte.