Mit Nurhan Soykan wurde zum ersten Mal eine Frau zur KRM-Sprecherin und somit zur Vertretung der Muslime in Deutschland gewählt. Mit uns sprach Soykan über die Zukunft des KRM und die Bedeutung ihrer neuen Position.
IslamiQ: Welche Ziele beabsichtigen Sie als KRM -Sprecherin in den nächsten Monaten zu realisieren? Welche thematischen Akzente sind Ihnen wichtig?
Soykan: Wir sind gerade dabei, die Geschäftsordnung des KRM und unsere bisherige Struktur zu überarbeiten. Ich hoffe, dass es uns in den kommenden Monaten gelingt, ein Fundament zu erarbeiten, auf deren Grundlage wir den Einheitsprozess voranbringen können. Vorrangige Themen sind die Anerkennung der Religionsgemeinschaften des KRM, der Ausbau der sozialen Strukturen in den Moscheegemeinden auf dem Weg zur muslimischen Wohlfahrtspflege, die Jugendarbeit, die Seelsorge, muslimische Bestattungen etc. Diese Themen bearbeiten wir auf Bundes- (DIK) und Landesebene (DFI) zusammen mit staatlichen Akteuren und der Politik.
IslamiQ: Wie schätzen Sie die weitere Entwicklung und die Zukunft des KRM ein, insbesondere vor dem Hintergrund der aktuellen Spannungen zwischen einzelnen Mitgliedern? Hat der KRM noch eine Chance, weiter etabliert und als muslimische Vertretung in Deutschland anerkannt zu werden – sowohl von Seiten der Muslime als auch der Nichtmuslime?
Soykan: Der KRM ist eine Plattform, in der Meinungsbildung stattfindet und Entscheidungen getroffen werden. Es ist nichts Ungewöhnliches, wenn es dabei zu Meinungsverschiedenheiten kommt. Das passiert auch in Parteien, Firmen, sogar in der Kirche. Niemand spricht dort von einer Auflösung der Organisation. Allerdings ist es bedauerlich, dass diese an die Presse lanciert wurden. Bislang kam es öfter zu Auseinandersetzungen zwischen verschiedenen Organisationen, wir haben es aber bislang immer untereinander geklärt. Es wird auch in Zukunft Konflikte geben, wichtig ist, dass wir Instrumentarien entwickeln, wie wir diese lösen können.
Die Zuständigkeiten des KRM und die Verbindlichkeiten von Beschlüssen müssen dezidiert geregelt werden. Es darf keine Tabus geben. In den letzten Jahren, galt es fast als Tabu, die Forderung nach einer Satzung zu stellen. Nun sind wir an einem Punkt, an dem wir offen über alles sprechen. Das macht mich zuversichtlich. Wie das Ergebnis dieses Prozesses auch sein wird, vielleicht wird sich der KRM erweitern, vielleicht wird er sich dezimieren, entscheidend ist, dass sich alle nach diesem Prozess in der gefundenen Struktur wiederfinden müssen.
Unabhängig von der Umsetzung sind sich alle darin einig, dass es ein gemeinsames Gremium geben wird. Ich denke, dass der KRM in Zukunft noch handlungsfähiger und verbindlicher sein wird, als bisher.
IslamiQ: Was beabsichtigen Sie zu unternehmen, um das Verhältnis der einzelnen islamischen Religionsgemeinschaften in Deutschland zu entspannen und um wieder eine gemeinsame muslimische Agenda zu setzen?
Soykan: Wir werden miteinander über die Zukunft sprechen und uns nicht an Querelen der Vergangenheit aufhalten. Mit Schuldzuweisungen ist niemandem geholfen. Vor allem haben wir gesehen, dass die Meinungsverschiedenheiten auf grundlegenderen Themen fußen, nämlich der Frage, wie der Islam in Deutschland gestaltet wird. Ich werde mich dafür einsetzen, dass ein guter Kompromiss für alle Beteiligten möglich ist, die auch aufrichtig die Weiterführung des KRM als einheitliche Stimme der Muslime wollen.
Unsere gemeinsame muslimische Agenda steht nach wie vor. Wir wollen, dass der Islam in Deutschland als eine gleichberechtigte Religion, neben den bestehenden anerkannt wird und die Muslime dieselben Rechte bekommen, wie die anderen Anhänger der bestehenden Religionsgemeinschaften. Das fängt beim Religionsunterricht an und hört bei den Grabstätten auf.
IslamiQ: Sie sind die erste Frau, die das Amt der KRM-Sprecherin übernimmt. Welche Bedeutung hat dies für die muslimische Community? Ist es eine Chance mehr Frauen in die Führungsspitzen der islamischen Religionsgemeinschaften mit aufzunehmen? Welche Entwicklung wünschen Sie sich in diesem Kontext?
Soykan: Ich arbeite seit der Gründung des KRM in diesem Gremium mit, in dem gleichen Jahr bin ich überhaupt in die islamische Arbeit eingestiegen, ich musste also erstmal einen Überblick bekommen.
Mit meiner Wahl in den Vorstand des ZMD habe ich auch eine gewichtigere Rolle im KRM bekommen, mein Verband hat mir schon bei der letzten Sprecherzeit des ZMD vorgeschlagen, die Sprecherrolle zu übernehmen. Aufgrund meines damaligen längeren Auslandsaufenthaltes musste ich ablehnen. Es ist schön, dass mir dieses Jahr erneut der Vorschlag gemacht wurde. Ich denke, dass es nicht nur eine Benennung aufgrund meines Geschlechtes ist, sondern auch meine langjährige Mitarbeit zu meiner Qualifikation beigetragen hat. Ich habe mich nie wegen meines Geschlechtes bevorzugt oder diskriminiert gefühlt, was nicht heißt, dass es immer einfach ist, sich gegen so viele Männer zu behaupten. Aber am Ende zählt die Qualität des Beitrages.
Daher möchte ich auch die vielen fähigen Schwestern ermutigen, sich nicht nur im Bereich der Frauenarbeit zu engagieren.