Rassismus nimmt in der deutschen Öffentlichkeit nach Einschätzung des Deutschen Instituts für Menschenrechte zu und wird nicht ausreichend verfolgt. Eine „vorurteilsfreie Ermittlung“ und eine genaue Untersuchung der Opfer wird gefordert.
Nicht nur die Demonstrationen der „Patriotischen Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes“ (Pegida), sondern auch vermehrte antisemitische, antimuslimische oder gegen Sinti und Roma gerichtete Übergriffe zeugten von dieser Tendenz, so die Leiterin der Inlandsabteilung des Instituts, Petra Follmar-Otto, am Donnerstag in Berlin. Dabei herrsche in Deutschland große Zurückhaltung, Rassismus, der auch in der gesellschaftlichen Mitte existiere, zu benennen und ihm nachzugehen.
Follmar-Otto kritisierte ein „verengtes Verständnis von Rassismus“ in Deutschland. Oft werde Rassismus „mit gewalttätigem und organisiertem Rechtsextremismus gleichgesetzt“. Das sei aber gerade angesichts von Pegida offensichtlich eine Fehlinterpretation. Auch in Behörden und staatlichen Stellen fehle ein weiter gefasstes Verständnis von Rassismus.
Erschwerend hinzu kommt aus Sicht des Menschenrechtsinstituts, dass Rassismus strafrechtlich kaum berücksichtigt wird. Zwar solle infolge der Aufklärung zur Terrorzelle Nationalsozialistischer Untergrund (NSU) der Paragraf 46 im Strafgesetzbuch ausgeweitet werden, so dass künftig beim Strafmaß auch rassistische und fremdenfeindliche Motive eine Rolle spielten. Das Problem beginne jedoch bereits bei der Kriminalstatistik. Nur wenn die Polizei von Anfang mögliche rassistische Motive in ihre Ermittlung einbeziehe, könne es überhaupt zu einer entsprechenden Strafverfolgung kommen. Bislang sei das nicht der Fall. „Es gibt keine adäquate Bearbeitung rassistischer Taten“, kritisierte Follmar-Otto.
Das Menschenrechtsinstitut forderte vor diesem Hintergrund eine „vorurteilsfreie Ermittlung“ und eine genaue Untersuchung der Situation der Opfer. Eine Dokumentationspflicht etwa könne sicherstellen, dass der Beamte bei seiner Anzeige festhalte, wenn das Opfer oder Zeugen Andeutungen zu rassistischen Motiven machten. Zudem müsse es Fortbildungen für Polizisten und Justizbeamte geben, um Rassismus besser zu erkennen.
Am 5. und 6. Mai überprüfen die Vereinten Nationen in Genf die Umsetzung der UN-Anti-Rassismus-Konvention in Deutschland. Neben dem Staatenbericht der Bundesregierung aus dem Jahr 2013 hat das Institut für Menschenrechte nun seinen Parallelbericht veröffentlicht. (KNA)