Islamische Organisationslandschaft

Neues „Muslimisches Forum“ laut Experten schwer einzuordnen

Das neu gegründete „Muslimische Forum Deutschland“ ist laut Experten schwer einzuordnen. Die großen Islamverbände reagierten abwartend.

24
04
2015

Zu dem „Muslimische Forum Deutschland“ haben sich Muslime, Aleviten und Jesiden auf Initiative der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung (KAS) zusammengeschlossen. Der liberale Islam solle so eine eigene Plattform erhalten, teilte die KAS mit. „Die Mehrheit der Muslime ist unterrepräsentiert“, heißt es in der Gründungserklärung des Forums.

„Deshalb wollen wir mit unserer Aktion der Politik einen weiteren Ansprechpartner anbieten, der die unartikulierten Positionen von Muslimen in Deutschland wiedergibt.“ Unter den Erstunterzeichnern sind der Leiter des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Münster, Mouhanad Khorchide, und der Direktor des Zentrums für Islamische Theologie der Universität Tübingen, Erdal Toprakyaran.

„Es ist eine zusätzliche Vertretung. Und mehr schadet in dem Fall nicht“, sagte der Aachener Theologen und Islam-Experte Thomas Lemmen dem Kölner domradio. Das liberale Islamverständnis des Forums sei jedoch nicht unproblematisch. „Das erweckt das Zeichen der Spaltung der Community, weil der Eindruck erweckt wird, man sei besser, man sei liberaler und demokratiefähiger“, so der Experte.

Kritik an der Unterstützung der KAS

Scharfe Kritik äußerte Lemmen an der Entstehungsgeschichte des Zusammenschlusses. Es sei „ziemlich unmöglich“, dass die KAS einen Prozess unterstütze, der zu einer Herausbildung einer neuen islamischen Struktur führe. Das sei unvereinbar mit dem Prinzip der Trennung von Staat und Kirche in Deutschland.

Der Vorsitzende der KAS, Hans-Gert Pöttering, hatte das Forum als Bereicherung in der aktuellen Debatte über den Islam in Deutschland bezeichnet. Besonders hob er „die Betonung individueller Freiheitsrechte“ und „das klare Bekenntnis zu unserer freiheitlich-demokratischen Grundordnung und der europäischen Menschenrechtskonvention“ hervor. Auch der Kirchenbeauftragte der Unionsfraktion im Bundestag, Franz Josef Jung (CDU), begrüßte das Forum. Es schließe eine Lücke in Deutschland. (KNA)

Leserkommentare

Christian W. Troll sagt:
Herr Lemmen spricht als ob er Mitglied einer der Moscheevereine wäre. Varietas delectat sagten die Römer: Was soll es schaden, wenn sich Muslime jenseits der Struckturen der Moscheevereine in weiteren, anderen Strukturen lorganisieren. Als nichtmuslimischer Dialogpartner steht es Lemmen nicht an, diese Entwicklungen zu kritisieren. Stattdessen sollte er, wie es im interreligiösen Dialog angebracht erscheint, die neuen Entwicklungen wahrnehmen und darauf mit Offenheit eingehen. Er will ja Dialogpartner und nicht Interessenvertreter sein.
24.04.15
18:29
Burak sagt:
@Christian W. Troll: Lesen Sie sich doch bitte das Islamiq-Interview mit Eren Güvercin einmal durch. Gerade die Gründung eines solchen "Muslimischen Forums" durch die Initiative (und Anschubsfinanzierung?) der Konrad-Adenauer-Stiftung stellt einen Eingriff der Politik in die inneren Angelegenheiten der Muslime dar und ist daher der Inbegriff einer Interessenvertretung. Insofern ist die Kritik von Herrn Lemmen angebracht.
26.04.15
15:21
Romanco sagt:
An Burak: Es gibt keine "innere Angelegenheit der Muslime", dazu ist die muslimisch orientierte Teil der Gesellschaft allzu Vielfältig. Allerdings wäre ein Start dieses Formus auf breiterer Basis als CDU besser gewesen.
27.04.15
12:00
Muhammed-Ronald Wellenreuther sagt:
@ Christian W. Troll: Das sehe ich genauso. Es wird allerhöchste Zeit, daß sich liberale/tolerante/progressive Muslime gleich welcher nationalen Herkunft in Deutschland eine Meinungsplattform schaffen und ihre Interessen artikulieren. Ein Gegenpol zu den großen konservativen Interessensverbänden halte ich gesellschaftlich für überfällig. @ Burak: Die Gründung des "Muslimischen Forums" stellt m.E. keinen Eingriff der Politik in die Inneren Angelegenheiten der Muslime dar. Dieses Argument ist ein beliebtes Ablenkungsmanöver, weil die großen konservativen Verbände um ihr Meinungsmonopol fürchten, welches sie beim runden Tisch in Berlin noch erfolgreich haben verteidigen können. Ich als deutscher Muslime fühle mich gerade nicht von DITIB & Co repräsentiert. Ganz im Gegenteil, diese Organisationen haben in in der Vergangenheit recht erfolgreich die Bildung sog. "Parallelgesellschaften" in Deutschland begünstigt. Die Anspielung mit der Anschubfinanzierung ist ein starkes Stück!!! Ich glaube, wir müssen uns einmal über die Finanzierung türkischer Imame in Deutschland unterhalten. @ Romanco: Das sehe ich genauso. Der Alleinvertretungsanspruch etablierter und großer muslimischer Verbände in Deutschland täuscht oder soll über die Heterogenität der Muslime in Deutschland hinwegtäuschen. Das Spektrum ist weitaus vielfältiger als es offiziell erscheint. Vor diesem Hintergrund hätte ich mir in der Tat eine parteiübergreifende Initiative gewünscht. Aber ich honoriere den Anfang, der für mich sehr unterstützenswert ist.
28.04.15
15:55
Iqra Suba sagt:
@Wellenreuther Wie kann man ernsthaft als Muslim diese staatliche Einflussnahme auf die Glaubensinhalte der Religion des Islam gutheißen?? Einer der Gründungsunterzeichner, selbsternannter Islamwissenschaftler Herr Ghadbhan verlangt von den Muslimen, was nicht einmal das Grundgesetz verlangen würde: ""Liberale Muslime sind all diejenigen, die sich ohne Wenn und Aber zu den Menschenrechten und zum Grundgesetz bekennen. Die Scharia-Vorschriften, die dem widersprechen, lehnen sie ab." Das ist eine bodenlos unverschämte staatliche Beeinflussung auf die Religion, wie sie einem neutralen Staat gerade nicht zusteht!! Das dürfen wir Muslime uns NICHT gefallen lassen! Wer verlangt denn bitte von den Christen, das Zölibat (das gegen Art. 2 I, 6, 3 GG verstößt), die Priesterweihe (Verstoß gg Art. 3 II GG) oder das Scheidungsverbot (Verstoß gg Art. 6 I, 2 I GG) abzulehnen, nur weil es mit Grundrechten nicht vereinbar ist? Die freiheitlich demokratische Grundordnung ist KEIN Pflichtprogramm, sondern ein Rahmen innerhalb dessen jeder frei ist, dh er kann die Freiheiten für sich persönlich enger stecken, er kann sie auch innerlich ablehnen, er kann sie auch voll ausschöpfen. Das ist allgemein anerkannt in der Staatsrechtslehre: - nach dem Rechtswissenschaftler Uwe Vollkmann ist das GG „eine Ordnung, die es ihren Mitglieder freistellt, ihre Grundprinzipien zu teilen oder auch nicht, nun ein Bekenntnis zu diesen Prinzipien verlangt“ - Laut BVerfG ist das GG ein "Minimalkonsens", gemäß dem lediglich gefordert werden kann, dass eine Religionsgemeinschaft ihrem äußeren Verhalten nach die Gewähr dafür bieten kann, dass sie das geltende Recht beachtet und die in Art. 79 Abs. 3 GG umschriebenen fundamentalen Verfassungsprinzipien nicht gefährdet - das BVerfG sagt ferner, dass der Staat von seinen Bürgern eine "Werteloyalität" nicht erzwingen darf (BVerfG, NJW 2001, 2069 (2070)) und verlangt die „Anerkennung des Anderen in seiner gleichen Würde“ (Vollkmann) - der bekannte GG-Kommentator Horst Dreier sagt richtig, der säkuläre Staat „bildet kein Gegenwicht zum Glauben, sondern bietet diesem eine Plattform.“ - ähnlich der bekannte Staatsrechtler C. Hillgruber: „Wer das verächtlich macht und böswillig herabwürdigt, was anderen heilig ist, was für andere den Kern ihrer tiefsten Glaubensüberzeugung, die geglaubte und gelebte religiöse Wahrheit darstellt, gefährdet den religiösen Frieden und damit den öffentlichen Frieden der staatlichen Gemeinschaft.“ Es steht dem Staat nicht zu, den Islam in seinem Sinne zu deformieren. Vom Judentum verlangt der Staat auch kein solch unverschämtes Bekenntnis. Der Staat darf keinem Religiösen vorschreiben, was er aus seinen Quellen zu glauben, was er zu verwerfen und was er zu "korrigieren" hat. Viel schlimmer ist der vorauseilende Gehorsam einiger biegsamer Muslime, die tatsächlich glauben, päpstlicher als der Papst sein zu müssen!!!
01.05.15
17:00
otto sagt:
@Iqra Suba Das ist Satire oder ?
01.05.15
21:45
Muhammed-Ronald Wellenreuther sagt:
@Iqra Suba. Als liberaler Muslim kann ich Kritik aushalten und schätze die Meinungsvielfalt einer pluralistischen Gesellschaft auch und gerade innnerhalb der muslimischen Community!
02.05.15
16:26
Iqra Suba sagt:
@otto Es ziemt sich für einen neutralen Staat nicht, mittels einer staatsnahen Stiftung wie der KAS den Muslimen vorzuschreiben, wie sie ihren Glauben zu leben und verstehen zu haben. Inhaltlich können Sie dem offenbar nichts entgegensetzen.
02.05.15
16:52
otto sagt:
Wie neutral soll denn der "neutrale Staat" sein ? Staatsrechtler C. Hillgruber: „Wer das verächtlich macht und böswillig herabwürdigt, was anderen heilig ist, was für andere den Kern ihrer tiefsten Glaubensüberzeugung, die geglaubte und gelebte religiöse Wahrheit darstellt, gefährdet den religiösen Frieden und damit den öffentlichen Frieden der staatlichen Gemeinschaft.“ Welche "geglaubte und gelebte religiöse Wahrheit" ist hier gemeint die Eigene oder alle Denkmöglichen "religiösen Wahrheiten". Und was bedeutet das dann für die Gesellschaft/Wissenschaft. Muss die Gesellschaft zur Wahrung des öffentlichen Friedens all diese "geglaubten Wahrheiten" akzeptieren. - bei X tausenden Religionen/Göttern? die Erde ist eine Scheibe und der Mittelpunkt des Universums,die Erde ist 6000 Jahre alt,es gibt keine Evolution, Beschneidung m/w,Menschenopfern usw......geglaubt und für Wahr gehalten wird so ziemlich alles. Soll und kann der Staat da neutral sein?
03.05.15
18:51
Dirk sagt:
Der neutrale Staat in der Türkei nimmt übrigens auch sehr starken Einfluss auf die Religion in der Türkei. Da werden dann Moscheen von Steuergeldern gebaut, und zwar von den Steuergeldern aller, also z.B. auch der Aleviten und Christen. Kirchen und Cem-Häuser müssen die Christen und die Aleviten hingegen selbst finanzieren. Der Einfluss reicht über die DITIB sogar bis nach Deutschland. Was soll also das Geheule über die angebliche böse Einmischung des deutschen Staates in die Religion des Islam in Deutschland? Abgesehen davon ist die Konrad-Adenauer-Stiftung keine staatliche Institution. Und auch nicht Gründer des neuen Forums.
04.05.15
10:36
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