Junge Muslime, Juden, Christen und Bahai aus Berlin geben Workshops zu interreligiösem Dialog an Schulen. Alltägliche und gesellschaftspolitische Fragen vor religiösem Hintergrund stehen dabei im Mittelpunkt.
Sie sind junge Muslime, Juden, Christen oder Bahai. Und sie haben eines gemeinsam – ihre Religion ist ein wichtiger Bestandteil ihrer Identität. Mehr als 20 Jugendliche aus Berlin haben sich ein Jahr lang ausbilden lassen, um als interreligiöse Trainer mit Schülern über ihren Glauben zu sprechen. Jetzt haben sie im Roten Rathaus ihre Zertifikate erhalten und ihre Arbeit der Öffentlichkeit präsentiert – natürlich in Form eines Workshops.
„Wie viele unterschiedliche Religionen sind in eurem Freundeskreis vertreten?“ Der neu ernannte Workshop-Leiter Saeed Husseim steht vorne und fordert die Besucher – Lehrer, Freunde, Interessierte – auf, sich im Raum zu positionieren. Ein junger Mann geht zielstrebig an das eine Ende des Raums. In seinem Freundeskreis sind viele Religionen vertreten. Kein Wunder, denn auch Frank Heinke ist einer der Teilnehmer des interreligiösen Workshop-Projekts der Initiative „JUGA – jung, gläubig, aktiv“ aus Berlin und wird heute ebenfalls sein Zertifikat erhalten.
„Ich wollte andere Religionen kennenlernen, zum Beispiel Muslime“, erzählt Heinke, der Evangelische Theologie studiert. Als er bei einem Vortrag von dem Projekt hörte, wollte er mitmachen. „Ich kann hier meine Vorurteile hinterfragen und auch andere Menschen dazu anregen. Die meisten davon beruhen auf Unwissenheit.“ Inzwischen hat Heinke zwei Workshops geleitet und war überrascht von den offenen Fragen der Schüler. „Eine junge Muslima wollte wissen, ob sie sich schminken dürfe, was die Heiligen Schriften dazu sagen.“ Was die Schüler in den Workshops am meisten beschäftige, seien Alltagsfragen vor religiösem Hintergrund. „Es gibt mehr Gemeinsamkeiten als Unterschiede.“
Das sei auch das Besondere an dem interreligiösen Bildungs-Projekt, findet der Verantwortliche in der Trägerorganisation Regionale Arbeitsstellen für Bildung, Integration und Demokratie Berlin (RAA), Kofi Ohene-Dokyi. „Es geht um die Frage, wie man seinen Glauben in der Gesellschaft im Einklang mit den anderen Religionen leben kann.“ Diese Frage scheint besonders Muslime zu beschäftigen, erzählt Ohene-Dokyi. Mit 16 Teilnehmern seien sie die größte Gruppe.
Das Projekt ging 2013 aus der Initiative „JUGA – jung, gläubig, aktiv“ hervor. „Das Entscheidende ist, dass die Schüler die jungen Trainer und deren Religionen als einen Teil ihrer Identität persönlich kennenlernen“, betont Ohene-Dokyi. Das schaffe einen offenen Raum in der Schule, der oft persönlicher sei als der dort angebotene Religionsunterricht.
Religionslehrerin Uschi Tautphäus ist begeistert von dem Projekt. Sie will sich über eine mögliche Zusammenarbeit mit den jungen Workshop-Leitern für ihren Religionsunterricht an einer Gemeinschaftsschule in Neukölln informieren. „Meine Schüler sind zu einem großen Teil Muslime. Aber auch Juden oder Christen sind vertreten.“ Religion könne dann auch manchmal zu Konflikten führen. „Nach den Anschlägen in Frankreich auf die Redaktion von Charlie Hebdo gab es auch unter meinen Schülern Diskussionen.“ Deshalb sei es wichtig, den Unterricht an die Realität anzupassen und die Vielfalt als Chance wahrzunehmen.
Das vom RAA Berlin getragene und vom Bundesinnenministerium finanziell geförderte Projekt ist nicht konfessionell organisiert. Jüdische, muslimische und christliche Trainer aus Berlin haben die Ausbildung der Workshop-Leiter übernommen. Eine offizielle Zusammenarbeit mit den Institutionen der Konfessionen gebe es aber nicht, erklärt Ohene-Dokyi. (KNA)