Islamische Religionsgemeinschaften sehen einen großen Bedarf an Imam-Ausbildungen im Inland. Hier ausgebildete Imame seien sensibler für die Probleme und Belange der Muslime in Deutschland. Die Strukturen hierfür müssen jedoch noch ausgebaut werden.
Imame, die ihr Handwerk in Deutschland erlernt haben, sind gefragter denn je. Islamische Religionsgemeinschaften in Deutschland sehen einen erheblichen Bedarf von Vorbetern aus Deutschland in muslimischen Gemeinden zwischen Flensburg und München. „Vorzugsweise sollten Imame hier ausgebildet werden, weil sie die deutsche Kultur, Sprache und Gesellschaft kennen und damit näher an den Gemeinden sind“, sagt der Vorsitzende des Zentralrats der Muslime in Deutschland, Aiman Mazyek.
An der ersten deutschsprachigen Imam-Schule der Bundesrepublik in Berlin haben mittlerweile 21 Theologen ihren Abschluss gemacht. Doch nicht alle wollen damit auch Vorbeter werden.
Die Klassen in dem sanierten Gebäude am Bahngelände in Karlshorst sind klein. In einem Raum lernen junge Männer in kleiner Gruppe gerade Koransuren, als Schulleiter Abdurrahim Güleç den Kopf durch die leicht geöffnete Tür steckt. 41 Schüler gehen derzeit auf das Internat. „Momentan haben wir einen überschaubaren Zuspruch“, erklärt Güleç. Mit 29 Schülern startete die berufsbildende Ergänzungsschule vor sechs Jahren. Bis zu 68 Studenten kann die Schule aufnehmen. „Fünf bis zehn Schüler kommen jedes Jahr neu hinzu“, berichtet er.
Mit der Ausbildung seien die Auszubildenden nicht explizit an den Beruf des Imam gebunden, unterstreicht Güleç. „Einige Absolventen sind in Verlagshäusern als Übersetzer klassischer islamischer Literatur tätig oder aber auch als Autoren.“ Manche wechselten als Quereinsteiger in die Wirtschaft. Vermittelt werde an der Schule ein vertieftes Wissen über den Islam. „Zurzeit sind wir eher für kleinere Gemeinden interessant, die nicht die Möglichkeit besitzen, um aus dem Ausland Imame einzustellen, oder die schlichtweg in Deutschland ausgebildete bevorzugen“, ergänzt der Schulleiter.
Die Imam-Ausbildung in Deutschland steckt nach Ansicht des Vorsitzenden des Zentralrats der Muslime aber noch in den Kinderschuhen. „Es gibt noch keine Standorte für eine klassische Ausbildung“, betont Mazyek. Zwar gebe es in Deutschland einige private Institute, aber noch keine Universitäten mit klassischen Studiengängen für Islamgelehrte. Diese Strukturen müssten daher erst gefestigt werden. „Wichtig dabei ist, dass es eine vertrauensvolle Bindung in die Gemeinden hinein gibt“, sagte Mazyek. Was nütze eine Imam-Ausbildung, wenn muslimische Gemeinden kein Vertrauen in Universitäten oder staatliche Strukturen hätten und die ausgebildeten Imame am Ende nicht einstellen könnten.
Etwa 2000 Moscheegemeinden gebe es in Deutschland und entsprechend viele Imame. Bislang erhalten viele Seelsorger ihre Ausbildung überwiegend in Ländern des islamischen Kulturkreises. Der Verband der Islamischen Kulturzentren (VIKZ) bildet nach eigenen Angaben als einzige islamische Religionsgemeinschaft bereits seit den 1980er Jahren seine Imame in Deutschland aus. Die Ausbildung dauert drei Jahre, danach kommt ein Praktikumsjahr. „Bis dato sind Hunderte von Imamen ausgebildet worden“, berichtet der Dialogbeauftragte Erol Pürlü.
Am Institut für Islamische Theologie an der Universität Osnabrück werden seit 2012 Studiengänge wie Islamische Religion oder Islamische Theologie angeboten. Zwischen 80 und 100 Bewerber gebe es zum Wintersemester, erklärte Coşkun Sağlam, Sozialwissenschaftler an dem Institut. Moscheegemeinden müssten sich jedoch künftig fragen, ob sie sich die hierzulande ausgebildeten Imame überhaupt leisten könnten, gibt Saglam zu bedenken: „Absolventen in Deutschland haben eine andere Erwartungshaltung als Imame, die zum Beispiel aus der Türkei kommen und für ein bis zwei Jahre in Deutschland bleiben.“
Das Berliner Institut Buhara, das dem Sufismus nahesteht, einer mystischen Strömung des Islam, sieht indes keinen anderen Weg als die Ausbildung in Deutschland: Aus der Erfahrung heraus wisse er, erzählt Schulleiter Güleç, „dass die in der Türkei ausgebildeten Imame leider aufgrund der fehlenden Sprachkenntnisse, aber auch wegen des fehlenden Wissens gegenüber unserer mitteleuropäischen Kultur nicht den Zugang zu unseren Jugendlichen bekommen haben“. Güleç versteht Imame als Brückenbauer zwischen Jugendlichen und dem Islam, die einen wichtigen Beitrag zur Integration leisten. (dpa/iQ)