Der deutsch-iranische Schriftsteller bekommt den diesjährigen Friedenspreis des Deutschen Buchhandels verliehen. Seine Funktion als Brückenbauer zwischen den Erfahrungswelten der verschiedenen Nationalitäten und Religionen wurde hervorgehoben.
Der deutsch-iranische Orientalist und Schriftsteller Navid Kermani (47) erhält den Friedenspreis des Deutschen Buchhandels 2015. Kermani sei eine der wichtigsten Stimmen, die zwischen den Erfahrungswelten von Menschen unterschiedlichster nationaler und religiöser Herkunft vermittelten, teilte der Börsenverein des Deutschen Buchhandels am Donnerstag in Frankfurt und Berlin zur Begründung mit. Der Preis ist mit 25.000 Euro dotiert und wird am 18. Oktober zum Ende der Frankfurter Buchmesse in der Paulskirche verliehen.
In seinen Sachbüchern hat sich der habilitierte Islamwissenschaftler und Muslim unter anderem mit dem Koran und der islamischen Mystik beschäftigt. In seinen Romanen wie zuletzt „Große Liebe“ (2014) geht es um Grundfragen der menschlichen Existenz wie Liebe und Sexualität, Verzückung und Tod. Kermani lebt seit 1988 in Köln und ist mit Katajun Amirpur verheiratet, die als Professorin für Islamwissenschaft an der Universität Hamburg lehrt. Das Paar hat zwei Töchter.
Die Jury unterstrich, Kermani greife mit großer Sachkenntnis in theologische und wissenschaftliche Debatten ein. „Die Romane und Essays von Navid Kermani, insbesondere aber auch seine Reportagen aus Krisengebieten zeigen, wie sehr er sich der Würde des einzelnen Menschen und dem Respekt für die verschiedenen Kulturen und Religionen verpflichtet weiß, und wie sehr er sich für eine offene europäische Gesellschaft einsetzt, die Flüchtlingen Schutz bietet und der Menschlichkeit Raum gibt.“
Außenminister Frank-Walter Steinmeier (SPD) erklärte, mit Kermani erhalte ein kritischer Denker und streitbarer Wissenschaftler und Journalist den Friedenspreis. Der Autor streite unermüdlich für eine weltoffene Bundesrepublik und lebe diese Weltoffenheit selbst. Der SPD-Vorsitzende Sigmar Gabriel betonte, Kermani trage dazu bei, dass in einer globalisierten Welt das Verständnis der Kulturen und Religionen wachse. Er setze sich „mit Verve für eine plurale Gesellschaft ein, die dennoch das Wissen und das Gefühl für religiöses Empfinden nicht verliert“. Die bündnisgrüne Fraktionsvorsitzende Katrin Göring-Eckardt sagte, mit seiner literarischen Arbeit bringe Kermani den Deutschen den Islam näher und „überbrückt den Abgrund des vermeintlich Fremden“. Der Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD) sprach von einer „glänzenden Entscheidung“. Brückenbauer wie Kermani seien in Deutschland gefragter denn je, sagte der Vorsitzende Aiman Mazyek.
Kermani studierte Islamwissenschaften, Philosophie und Theaterwissenschaft. Neben seiner Tätigkeit als Dramaturg in Mühlheim und Frankfurt schrieb er regelmäßig Literaturkritiken und Reportagen.
1994 gründete er in Isfahan das erste internationale Kulturzentrum, das infolge von Spannungen im deutsch-iranischen Verhältnis 1997 wieder schließen musste.
2005 habilitierte er sich im Fach Orientalistik mit der Studie „Der Schrecken Gottes – Attar, Hiob und die metaphysische Revolte“. 2014 analysierte er in einer Rede vor dem Bundestag zum 65. Geburtstag des Grundgesetzes dessen normative Kraft und kritisierte zugleich die Asylgesetzgebung. (KNA, iQ)