Neulich veröffentlichte die CDU2017-Initiative ein Sechs-Thesen Papier zum Islam in Deutschland. Eren Güvercin schreibt nun seine Antithesen zum Islambild der jungen CDU-Politiker auf.
CDU2017 nennt sich eine Gruppe von jungen CDU-Politikern, die zu bestimmten Themen Positionspapiere erarbeiten. Das ganze läuft unter dem Motto: „Heute die richtigen Entscheidungen für 2017 treffen.“ Das klingt auf den ersten Blick sehr ambitioniert und weckt das Interesse der Menschen.
Nun hat die CDU2017 auch sechs Thesen zum Islam in Deutschland verfasst. In den einleitenden Sätzen betonen die Unterzeichner dieser Thesen, zu denen etwa Jens Spahn, Cemile Giousouf, Peter Tauber und Serap Güler gehören, dass die CDU eine „einladende Partei“ sei, also auch einladend für Muslime. Man wolle bestehende Differenzen und Probleme im Gespräch mit den Muslimen gemeinsam lösen. Denn, so die Unterzeichner, ansonsten könne eine Sprachlosigkeit zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen in Deutschland entstehen. Das klingt eigentlich ganz vernünftig, die Realität ist allerdings eine andere.
Eine Sprachlosigkeit gibt es zwischen den Muslimen und der Politik, weniger zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen. Denn auf verschiedenen Ebenen, sei es auf der Ebene der Moscheegemeinden, der Akademiker oder auf anderen Plattformen, gibt es einen regen Austausch zwischen Muslimen und Nicht-Muslimen. Dieser Austausch ist zwar ausbaufähig, allerdings sind positive Entwicklungen bereits zu beobachten, denn die neue Generation ist dabei bestehende Hürden zu überwinden.
„Muslimisches Forum Deutschland“
Seitens der Politik gibt es aber eine seltsame Art des Umgangs mit den Moscheegemeinden und den Verbänden. Dafür sind diese Thesen der CDU2017 ein gutes Beispiel. Einerseits ist die Politik angewiesen auf die Vertreter der Moscheegemeinden, um die Anliegen der Muslime zu verhandeln und andererseits scheint sie nicht ganz glücklich mit ihnen zu sein.
Erst vor einigen Wochen gründete sich das sogenannte „Muslimische Forum Deutschland“ mit Unterstützung der CDU-nahen Konrad-Adenauer-Stiftung. Eine wild zusammengewürfelte Gruppe, darunter Professoren der Islamischen Theologie, glühende Islamkritiker, Yeziden, Aleviten und vermeintlich liberale Muslime, erheben dabei für sich den Anspruch die „humanistischen Muslime“ zu vertreten, die verfassungstreu seien und die Menschenrechte achteten. Das MFD stelle sich auch der Politik als „Ansprechpartner“ zur Verfügung. Die Rhetorik ist klar: wir sind die Guten, die bestehenden Verbände sind latent verfassungsfeindlich oder zumindest nicht ganz koscher.
Jeder hat natürlich das Recht sich zu formieren. Das Problematische ist allerdings, dass die CDU-nahe Parteistiftung der MFD sowohl finanziell als auch organisatorisch unter die Arme greift. Nicht nur Muslime, sondern auch Nicht-Muslime, wie etwa Dr. Thomas Lemmen vom Erzbistum Köln, kritisierten diesen Eingriff in die muslimische Selbstorganisation. Wenn man CDU-Politiker mit Migrationshintergrund die Frage stellt, was sie vom MFD halten, bekommt man dann die Ausrede zu hören, dass man als CDU damit nichts zu tun habe. Aber kommentieren wollen sie diese Entwicklung dann lieber doch nicht.
Der historische Kontext des Korans
Nun kommt jetzt die Gruppe CDU2017 mit ihren sechs Thesen zum Islam in Deutschland und versucht die Eigenschaften des idealen Muslims zu umschreiben, also eines Muslims so wie man es gerne hätte. Dort heißt es etwa, dass diejenigen, „die für einen Islam stehen, der den Koran in seinem historischen Kontext auslegt und ihn in den gesellschaftlichen Zusammenhängen des 21. Jahrhunderts und im europäischen Kontext deutet“, mit der Unterstützung der CDU rechnen könne.
Es ist erstaunlich zu sehen, dass sich Politiker in die Islamische Theologie wagen und sogar bestimmen, welche Muslime man unterstützen müsse. Das dies die Aufgabe der Politik ist, ist mir ganz neu. Politiker und andere Akteure werden nicht müde, immer wieder mit Begrifflichkeiten um sich zu werfen wie zum Beispiel die historische Auslegung des Koran. Anscheinend scheint es diesen Leuten immer noch nicht klar zu sein, dass bereits in den klassisch-traditionellen Koranauslegungen die Koranverse immer nach dem historischen Kontext und dem Anlass der Überlieferung ausgelegt wurden. Es ist also nichts Neues, auch wenn manche vermeintliche Reformtheologen etwa aus Münster und vor allem Politiker, dies als etwas Revolutionäres präsentieren.
Aber hinter diesen, mittlerweile abgegriffenen Begriffen stecken andere Absichten. Hier werden den Muslimen katalogartig bestimmte Punkte vorgegeben, die sie zu erfüllen haben wenn sie eine politische Anerkennung erlangen oder zu den „Guten“ gehören wollen. Ein Mittel dafür ist auch die neu eingerichtete Islamische Theologie an deutschen Universitäten. An einigen Standorten klappt die Zusammenarbeit mit den Religionsgemeinschaften, aber es gibt auch Standorte, an denen die religionsverfassungsrechtlich vorgeschriebene Einbindung der Religionsgemeinschaften nicht funktioniert.
Ausbau oder Aufbau der Lehrstühle für Islamische Theologie?
Daher ist auch die Forderung der CDU2017 nach mehr Lehrstühlen der Islamischen Theologie alles andere als hilfreich für einen gesunden Aufbau einer Islamischen Theologie in Deutschland. Die Muslime in Deutschland brauchen nicht noch mehr Lehrstühle, sondern die bereits bestehenden müssen erst einmal eine vernünftig funktionierende Lehre gewährleisten, die auch das Vertrauen der muslimischen Community genießt. Davon kann man bisher nicht reden. Ein Ausbau einer – zumindest an bestimmten Standorten – nicht funktionierenden Islamischen Theologie ist lediglich als purer Aktionismus und Augenwischerei zu bewerten.
„Import-Imame“
Weiter heißt es in den Thesen der CDU2017, dass „nur wer den Alltag der Muslime in Deutschland kennt“, lebensnah predigen oder lehren könne. Daher brauche man mehr deutschsprachige Imame. Das Modell der „Import-Imame“ sei ein Hindernis für gute Integration. Da werden durchaus richtige Punkte angesprochen, aber die Rückschlüsse sind hier das Problem. Anscheinend kennen die Politiker, die für diese Thesen verantwortlich sind, nicht wirklich den Alltag der Muslime. Denn ansonsten würden sie wissen, dass es mittlerweile unter den Muslimen Konsens ist, dass die Imame immer mehr auf Deutsch predigen müssen. Diese Debatte wird in der muslimischen Gemeinde längst geführt. Und es gibt schon zahlreiche Moscheegemeinden, die daran arbeiten.
Das aber die CDU2017 daraus den Rückschluss zieht, dass die „Import-Imame“ verantwortlich für das Scheitern von Integration seien oder gar für die Radikalisierung von Jugendlichen, ist realitätsfern. Wer schon einmal eine Moschee von Innen gesehen hat, nicht nur beim feierlichen Iftarbesuch im Ramadan oder zu Wahlkampfzeiten, würde wissen, welch wichtige Rolle diese sog. „Import-Imame“ bei der Vermittlung authentischem Wissens über den Islam gespielt haben. Die Imame aus der Türkei waren eher ein Bollwerk gegen die Radikalisierung von Jugendlichen, was von vielen Seiten aber ignoriert wird. Die Deutschkenntnisse eines Imams spielen aber eine sehr wichtige Rolle, und auf diesem Gebiet sind die Moscheegemeinden in der Bringschuld. Dies ist aber Aufgabe einer innermuslimischen Debatte und nicht Aufgabe der Politik, die nach dem Vorbild des unsäglichen österreichischen Islamgesetzes den hier lebenden Muslimen einen Forderungskatalog vorlegen möchte. Alleine der Begriff „Import-Imame“ ist an Respektlosigkeit nicht zu überbieten.
Ansprechpartner ja, aber wofür?
Richtig abenteuerlich wird es aber in These 5, wo behauptet wird, dass die an der aktuellen Islamkonferenz beteiligten Moscheegemeinden und Verbände „keine theologischen, sondern eher religions-politische Ansprechpartner“ seien. Also Verbände, die den Muslimen religiöse Dienstleistungen zur Verfügung stellen, Moscheen betreiben, Imame bezahlen und ausbilden sowie jungen Muslimen Wissen über ihre Religion vermitteln, die Wallfahrt nach Mekka organisieren etc. sind keine theologischen Ansprechpartner.
Wenn nicht die an die 2000 Moscheegemeinden, wer soll dann nach Meinung von CDU2017 eigentlich in theologischen Fragen der Ansprechpartner sein? Die Antwort auf diese Frage schimmert zwischen den Zeilen durch, denn weiter heißt es, dass die Moscheegemeinden nur eine Minderheit der Muslime repräsentieren würden: „So ist es schwer, verbindliche Ansprechpartner für den gesellschaftlichen oder auch interreligiösen Dialog Partner zu finden. Wir wollen daher helfen, dass sich der Islam in Deutschland und Europa auch theologisch so organisiert, dass er Verhandlungs-, Vertrags- und Dialogpartner von Staat und Gesellschaft sein kann.“
Vertretungsnot
Gebetsmühlenartig wiederholen Politiker immer wieder das Scheinargument, dass die Verbände nicht die Mehrheit der Muslime vertreten. Damit ist gemeint, dass man lieber andere genehme Vertreter hätte. Die Versuche, etwa der Konrad-Adenauer-Stiftung mit dem „Muslimischen Forum Deutschland“, zeigen das ganz deutlich. Einerseits sind diese Bemühungen klar politisch motiviert, sozusagen die politisch korrekte Form eines politischen Islams, den man angeblich bekämpfen wolle. Andererseits wollen auch ein Großteil der über vier Millionen Muslime in Deutschland vielleicht nicht vertreten werden. Aber diejenigen Muslime, die regelmäßig die Moscheen besuchen und für die die Religion eine zentrale Rolle in ihrem Alltag spielt, sind sehr wohl vertreten von den unterschiedlichen Verbänden. Denn um diese geht es auch in dem Dialog zwischen Politik und muslimische Community.
Die CDU will also dabei helfen, dass sich der Islam auch theologisch organisiert, dass Akademien für einen „deutschen Islam“ entstehen. Das klingt nett, ist aber alles andere als nett gemeint. Seit wann darf sich die Politik die Dreistigkeit erlauben in die inneren Angelegenheiten einer Religionsgemeinschaft einzumischen? Wie sich eine Religionsgemeinschaft „theologisch organisiert“ ist einzig und allein die Angelegenheit der Religionsgemeinschaft selber.
Es zeugt von einer gewissen Überheblichkeit, nicht mit Muslimen selber über die Grundfragen des Islams in Deutschland zu diskutieren, sondern ihnen Vorgaben zu machen. Also nicht das Gespräch auf Augenhöhe wird gesucht, sondern den Muslimen vorgeschrieben was sie zu denken und zu glauben haben. Die Träumereien mancher Politiker von einem Staatsislam, der lediglich die politisch-korrekte Form eines politischen Islams darstellt, werden noch so einige seltsame Thesen und Wortmeldungen mit sich bringen. Nur religionsverfassungsrechtlich sind diese Träumereien ein No-Go. Das sollte eigentlich jedem Politiker bewusst sein.