Angst vor dem Kopftuch

Östliche EU-Staaten fremdeln mit Muslimen

Kopftuch und Burka als Angstsymbol? Die östlichen EU-Staaten tun sich schwer mit der Idee, muslimischen Flüchtlingen eine neue Heimat zu bieten. Im Baltikum ist eine Kopftuchdebatte entbrannt – dabei gibt es kaum kopftuchtragende Muslima.

28
08
2015
0
Gebetsraum in Polen © Jarosław Pocztarski

Östlich der Oder sind selten vielfältige Sprachklänge zu hören – und falls doch, handelt es sich meist um Touristengruppen. Die EU-Freizügigkeit bedeutet für Polen oder die baltischen Staaten eher Abwanderung nach Skandinavien, Großbritannien oder Irland und nicht den Zuzug anderer EU-Bürger. In Polen etwa beträgt der Anteil von Ausländern an der Bevölkerung weniger als ein Prozent – und die meisten Zuwanderer stammen aus EU-Staaten. Mit der Aufnahme von Flüchtlingen aus Syrien, Afghanistan oder Eritrea könnte sich das in den kommenden Jahren ändern. Doch die östlichen EU-Staaten fremdeln mit der Rolle als Einwanderungsländer.

Gerade erst lösten Bemerkungen aus der Slowakei Aufregung aus, das Land wolle nur christliche Flüchtlinge aufnehmen. Nach Diskriminierungsvorwürfen ruderte das Innenministerium zurück: Niemand werde wegen seiner religiösen Zugehörigkeit benachteiligt. Wenn ein Muslim in der Slowakei Asyl beantrage und sich integrieren wolle, werde er natürlich genauso aufgenommen. Bei Christen erwarte man aber eine leichtere Integration.

Verbot wegen Sicherheitsbedenken

Im Baltikum ist Monate vor der Ankunft der ersten Flüchtlinge eine Debatte über ein Burka-Verbot entbrannt. Die Frage der Verschleierung sollte geregelt werden, ehe muslimische Flüchtlinge ankommen, heißt es in Estland, Lettland und Litauen. Der estnische Sozialminister Margus Tsahkna begründete seine Initiative vor allem mit Sicherheitsbedenken. „Wir sind daran gewohnt, dass Menschen im öffentlichen Raum zu erkennen sind“, sagte er. In Lettland sprachen sich in einer Umfrage mehr als zwei Drittel der Befragten dafür aus, muslimischen Frauen das Tragen von Schleiern zu untersagen.

Die kleinen muslimischen Gemeinden lehnen ein Verbot schlicht ab. „Wenn es einer Frau in Lettland erlaubt ist, die meisten ihrer Körperteile in der Öffentlichkeit zu entblößen, warum sollte man dann diskutieren, ob es ihr erlaubt ist, sie zu verbergen?“, meint etwa Ilja Petrovs, der Leiter des Islamischen Kulturzentrums in Lettland. Ebenso haltlos seien durch „islamophobe Propaganda“ angeheizte Ängste, wonach eine Verschleierung zu einer höheren Terrorgefahr beitrage. Dann müsste man auch elektronische Geräte, Sportrucksäcke oder Autos verbieten, meinte Petrovs.

„Lettland sollte keine Probleme erzeugen, wo es keine gibt“, mahnte Innenminister Rihards Kozlovskis zu Zurückhaltung. Die bisherige Erfahrung im einzigen Flüchtlingszentrum des baltischen Landes zeige, dass sich muslimische Asylbewerber den lokalen Gegebenheiten und kulturellen Traditionen vor Ort anpassten. Ohnehin wird die Aufnahme von insgesamt 725 Flüchtlingen im Lauf von zwei Jahren die Bevölkerungsstruktur in den drei Ländern mit insgesamt knapp sieben Millionen Einwohnern kaum verändern.

Auch in Muslime in Polen

Eine Kopftuchdebatte gibt es in Polen bisher nicht, wo alte Bäuerinnen in den Dörfern des Ostens und Südens noch gerne ihre bunt geblümten Kopftücher tragen. Seit Jahrhunderten lebt in Polen eine kleine muslimische Minderheit von Tataren. Im Warschauer Stadtteil Wilanow steht die Moschee nur wenige Meter entfernt vom Gebäude der jüdischen Reformgemeinde.

Allerdings – dieses friedliche Nebeneinander bedeutet nicht, dass die Mehrheit der Polen muslimische Einwanderer mit offenen Armen aufnimmt. Im Juli warf eine Frau einen Schweinekopf auf das Gelände der Warschauer Moschee, im Januar schmierten drei Männer islamfeindliche Parolen an die Wände eines islamischen Zentrums in Posen (Poznan). In einer im Juli veröffentlichten Untersuchung der Stiftung „Afryka inaczej“ gaben 58 Prozent der Befragten an, sich vor Muslimen zu fürchten.

Zudem meinten 61 Prozent, Polen eigne sich nicht als Einwanderungsland. Nur etwas mehr als 30 Prozent würden einen Einwanderer aus dem Nahen Osten als Lehrer ihrer Kinder akzeptieren. Ähnliche Äußerungen waren im Juli in einer Ipsos-Umfrage im Auftrag der Organisation für Migration (IOM) zu hören: Danach halten 55 Prozent der rund 1000 befragten Polen Araber für ein Sicherheitsrisiko – und zwei Drittel bezeichneten auch ohne jeglichen Kontakt Araber pauschal als unsympathisch. (dpa, iQ)