Slowakei

„Selektion von Muslimen ist unmenschlich“

Die Slowakei gab offen bekannt, dass sie muslimische Flüchtlinge nicht aufnehmen möchte, weil sie die Befürchtung hat, dass sie sich nicht integrieren können. Ist es wirklich so einfach? Kaan Orhon erklärt es uns.

30
08
2015
Syrische Flüchtlingskinder © European Commission DG ECHO

Die Regierung der Slowakei kündigte vergangene Woche an, 200 Flüchtlinge aus Syrien aufnehmen zu wollen – ausschließlich Christen. Regierungssprecher Ivan Netik sagte, Muslime würden nicht akzeptiert werden. Diskriminierung sei das nicht, fügte er an, Muslime würden sich in Slowakei nicht wohl fühlen, da es dort „keine Moscheen gibt“. Die Äußerung machte Schlagzeilen, nach der britischen BBC griffen zahllose europäische, darunter auch deutsche, amerikanische und arabische Zeitungen, Fernsehsender und Online Nachrichtenportale die Meldung auf.

Wie es oft in vergleichbaren Fällen ist, schien die slowakische Regierung von der Stärke der Reaktion überrascht und ruderte angesichts des öffentlichen Aufschreis und der Verurteilung durch Flüchtlingsorganisationen zurück. Schon am nächsten Tag hieß es in einer E-Mail an die Nachrichtenagentur dpa: „Wenn ein Migrant aus einem muslimischen Land sich entscheidet, einen Asylantrag in der Slowakei zu stellen und in der Slowakei zu leben, wird er entsprechend den Gesetzen behandelt und ins Asylverfahren aufgenommen“.

Wie es auch immer in der Slowakei weiter geht –angesichts der eher halbherzigen Distanzierung lohnt es sich, die Entwicklung dort weiter zu verfolgen – es ist wichtig zu betonen, dass dieser Fall nur einen kleinen Ausschnitt der Problematik darstellt, der Europa derzeit gegenüber steht. Die 200 Flüchtlinge, die aufzunehmen sich die slowakische Regierung bereit erklärt hat, sind teil eines Kontingentes von 32.000 die EU Staaten aus Einrichtungen in Italien und Griechenland aufnehmen wollen. Dies liegt deutlich unter dem angestrebten Ziel von 40.000 und noch viel weiter unter den realen Notwendigkeiten in den Erstaufnahmeländern. Die Größe der einzelnen Kontingente ist den Mitgliedstaaten überlassen, da Bemühungen um eine verbindliche Quote scheiterten.

Einige Länder übernehmen keine Verantwortung

Es verläuft ein Riss durch die Europäische Union: auf der einen Seite stehen die Länder, die aufgrund ihrer geographischen Lage von Flüchtenden aus dem Nahen Osten und Nordafrika als Erste erreicht werden, also Italien, Spanien, Griechenland, sowie die Staaten, die das Ziel der meisten Ankommenden sind: Deutschland, Großbritannien, Frankreich. Auf der anderen Seite stehen Staaten, die die Situation derzeit nur wenig berührt, also in denen keine oder kaum Flüchtende ankommen und die derzeit kaum Menschen aufnehmen: Polen, die Staaten des Baltikums oder eben die Slowakei.

Unmittelbar ist klar, auf welcher Seite hier das Recht steht. In wirtschaftlicher und anderer Hinsicht erschien der Beitritt zur EU für viele Staaten Mittel-, Ost- und Südosteuropas so lohnenswert, dass sie ihn angestrebt haben. Nun, als Mitglieder der EU, als Teil des „Geeinten Europa“ müssen sie auch Teil der Lösung in der Katastrophe sein. Die Bedingungen in Aufnahmeeinrichtungen etwa auf Lampedusa oder auf Kos, in vielen Städten Europas, so auch in Berlin oder in Calais, sind unerträglich und gingen um die Welt, auch in allen Ländern der EU hat man sie gesehen. Wenn der menschliche Impuls, der in dieser Situation zum Helfen motivieren sollte, schon versagt, so müssen die Regierungen dieser Länder zumindest ihre Verpflichtungen als Mitglieder des europäischen Staatenbundes erkennen.

Aussagen wie die des slowakischen Regierungssprechers Netik und anderer Regierungsvertreter, Muslime könnten in der Slowakei nicht integriert werden und würden ja ohnehin nicht bleiben wollen, sind ebenso lächerlich wie die Selektion von Menschen nach ihrem Glauben im Angesicht der humanitären Katastrophe unmenschlich ist. Wer dem unendlichen Grauen der Konflikte in Syrien, dem Irak oder Libyen entkommen ist, der ist für jede Rettung dankbar, egal wo und durch wen. Aber in einem größeren Kontext muss auch darauf hingewiesen werden, dass die „großen“ europäischen Staaten ihrer menschlichen Verantwortung nicht gerecht werden. Auch in Deutschland und England und anderswo gibt es zu viele Stimmen, die fordern, nicht mehr, sondern weniger zu helfen. „Das Boot ist voll“, so heißt es.

Angst vor muslimischen Flüchtlingen

Und auch in diesen und vielen anderen Ländern taucht immer wieder die Forderung auf, christliche Flüchtlinge aus Syrien und dem Irak bevorzugt zu behandeln. Angst wird geschürt, muslimische Flüchtlinge könnten „Schläfer“ terroristischer Gruppen wie des sogenannten ISIS sein, für Gruppen wie Pegida und ihre Sympathisanten ist auch die Aufnahme muslimischer Flüchtlinge teil der drohenden „Islamisierung“ Deutschlands. Doch hat keines der Länder, die die meisten der derzeit in Europa ankommenden Flüchtlinge aufnehmen, bisher eine solche Selektion in Betracht gezogen. Zu hoffen ist, dass dies so bleibt und das Beispiel der Slowakei nicht Schule macht.

Zum Schluß noch eine Erinnerung an die jüngste europäische Geschichte: Zwischen 1992 und 1995 herrschte Krieg auf dem Balkan. In Bosnien-Herzegowina fand eine Flugstunde von München entfernt und vor den Augen der europäischen Öffentlichkeit der Völkermord an den muslimischen Bosniaken statt. Deutschland nahm damals über 350.000 Menschen aus dem ehemaligen Jugoslawien, vor allem aus Bosnien auf. Hat es unserem Land geschadet? Ist die Wirtschaft zusammen gebrochen? Gab es den von Berufs-Islamhassern wie Ulfkotte, Broder und Co. immer wieder prophezeiten Bürgerkrieg auf Deutschlands Straßen?

Die Antwort auf diese Fragen erübrigt sich. Nicht nur für Deutschland. Auch die Slowakei wird durch die Aufnahme geflüchteter Muslime nicht in ihrer Stabilität und ihrem Wohlstand bedroht, auch wenn dieses Schreckensbild an die Wand gemalt wird.

Leserkommentare

Leonie sagt:
Ein bischen mehr tiefer schürfen hätte ich mir schon gewünscht! Nicht potenzielle "Schläfer" sind das angstauslösende Problem, sondern das, was wir in Europa vom Islam wissen: eine Weltreligion. die noch immer vermischt und verbunden ist mit archachischen Kulturen - eine "Aufklärung" und damit verbunden eine Beschränkung der Religion auf sehr private Ansichten fand nicht stand. Ständig lesen wir davon (siehe auch Suhl!), wie rückständig Muslime ihre Religiosität handhaben - Grund genung, Angst zu haben, dass sich diese Sicht der Dinge (die in Europa Jahrhundert lange Kriege erfordert hat!) hier erneut verbreitet und das Leben erschwert. Ich engagiere mich seit Jahren für Flüchtlinge. Aber diese Angst ist eine reale - sie fürchtet, dass wir zurück geworfen werden auf Auseinandersetzungen, die gerade Europa nach schier undendlichem Blutvergiessen hinter sich gelassen hat. Hier hab ich schon ein paarmal kommentiert. Nie wurde von den Autoren geantwortet, in aller Regel gibt es keine Diskussion und wenn doch mal ein paar Leute was schreiben, unternimme niemand irgend etwas, ein sinnvolles Gespräch zu unterstützen. Insofern ist das jetzt mein letzter Kommentar. Es hat offenbar keinen Sinn bzw. interessiert niemanden.
31.08.15
22:52
Mehmet sagt:
@Leonie: Kann die von Ihnen beschriebenen "Ängste" nachvollziehen. Da kann man diesen Menschen diese Vorbehalte auch nicht ohne weiteres vorwerfen. Es vergeht ja kaum einen Tag an dem der Islam bzw. Muslime nicht mit Gewalt/Unterdrückung... in Verbindung gebracht werden. Da gilt es nur mit Bildung/Aufklärung/Präventionsarbeit sowohl bei Muslimen als auch der nichtmuslimischen Mehrheitsgesellschaft gegen zu halten. Die musl. Religionsgemeinschaften u. Muslime sind dabei aufgefordert ihre eigene Religionsauffassung aufzuarbeiten und diese in ihre Gemeinden zu tragen. Ist natürlich ein langer Prozess mit ungewissem Ende...
02.09.15
13:01
Mads sagt:
@Mehmet: Bedeutet "Bildung/Aufklärung/Präventionsarbeit" dann, dass nicht mehr über Greueltaten des Islamischen Staates oder der Taliban berichtet werden darf? Soll dann verschwiegen werden, dass der IS Kulturdenkmäler anderer Religionen zerstört und die Taliban dies während ihrer Regentschaft ebenfalls getan haben? Soll unter den Teppich gekehrt werden, dass die ägyptischen Muslimbrüder Christen als Bürger ohne gleiche Rechte betrachten und es häufig Übergriffe auf Christen und Kirchen in Ägypten gibt? Das Übel ist nicht, dass über Greueltaten durch Muslime berichtet wird, sondern dass Muslime (IS, Taliban, Hamas, Muslimbrüder, Boko Haram etc.) diese Greueltaten begehen. Bevor Muslime uns Europäern Vorwürfe machen, wir wären unmenschlich, sollten sie lieber in ihren eigenen Gebieten für menschliche Bedingungen sorgen. Was können wir Europäer dafür, dass Muslime meinen, sie müßten dem Propheten Mohammed nacheifern, indem sie Ungläubige töten und deren Kulturgüter zerstören und dass sie dabei auch die eigenen Leute zum Teil zu Ungläubigen erklären?
07.09.15
16:07
Mehmet sagt:
@Mads: Nein. Ich schrieb ja, dass diese "Bildung/Aufklärung/Präventionsarbeit" sowohl bei Muslimen als auch Nicht-Muslimen stattfinden muss. Ich und sicher 90% der Muslime in Deutschland wollen in keinster Weise mit der "muslimischen" IS/Taliban oder sonstwas in Verbindung gebracht werden. Denn an dem Punkt, wie die Religion mit ihren Quellen usw. adäquat verstanden werden müssen, scheiden sich die Geister (nicht nur im Islam). Anmerkung: Bei den ganzen Themen die Sie anreißen darf man natürlich nicht den politischen Hintergrund vergessen der z.B. bei der Erstarkung der Taliban oder der aktuelle Zustand im Irak vermutlich schlechter ist als vor dem US-Einmarsch? Sind nun mal "westliche" Mächte die ihre eigenen Interessen verfolgen. Mal offen und mal über die Hintertür... Oder gab es vor den Konflikten in Syrien/Irak auch so eine Flüchtlingswelle? Nein...
09.09.15
9:29
Mads sagt:
@Mehmet: Ja, schuld sind natürlich die bösen finsteren Mächte, die von außen Einfluss nehmen auf die armen muslimischen Ländern. Nur dummerweise sind eben die Taliban oder der IS Muslime und nicht Söldner dieser bösen finsteren ausländischen Mächte. Im übrigen nehmen auch die muslimischen Regionalmächte Iran, Saudi Arabien und Türkei mächtig Einfluss (ganz abgesehen davon, dass der IS ein geistiges Kind Saudi Arabiens ist). Die Menschen flüchten im übrigen nicht aus der Region, weil sie von Amerikanern massakriert werden, sondern von IS (Syrien und Irak) und Taliban (Afghanistan und teilweise Pakistan).
10.09.15
10:24
enail sagt:
Die Haltung der Slowakei kann ich nachvollziehen. Religionen gehören in den privaten Bereich und haben sonst nirgendwo etwas verloren. Doch der Islam ist eine politische Ideologie, der in allen Lebensbereichen seinen Senf dazu geben möchte. Und mit Demokratie hat diese Pseudo-Religion absolut nichts zu tun. Demokratie ist laut Islam-Kennern nicht vereinbar mit dem Islam. Habe noch nie gehört, dass es mit Flüchtlingen christlichen Glaubens Probleme gab. Eher umgekehrt. Da mussten christliche Flüchtlinge die Unterkunft zu ihrem eigenen Schutz verlassen, weil sie von muslimischen Mitbewohnern ihres Glaubens wegen schikaniert wurden. Diese Zustände findet man in vielen Asyl-Einrichtungen. Selbst in der misslichen Lage, in der sich Flüchtlinge befinden, meinen einige Muslime immer noch sie wären die besseren Menschen, alle anderen sind Kuffar, deren Hilfe sie aber gerne annehmen.
14.09.15
1:50
siegfried tänzer sagt:
Problem sind nicht die Moslems, sondern der dahinter stehende Islam. Dieser ist beileibe keine friedfertige Religion, sondern der Islam kennt nur ein "Haus des Friedens" (das sind die Häuset/Länder, die bereits unter der Sklaverei des Islam stehen) und ein Haus des Krieges, das noch bekämpft und islamisiert werden muss. Regionen, die bereits einmal dem Islam zugehörig geworden sind, dürfen niemals wieder aufgegeben werden (s. Konflicht Palästinenser und Israel). Was spricht daher dagegen, aus der grossen Menge der Flüchtlinge unterschiedlichr Religionen Christen einzulassen und Moslems zurückzustellen? Das widerspricht doch keindm Gebot der Humanität, sondern schützt vor Problemen.
19.10.15
14:47