Mensch und Natur im Islam

Achtsamer Umgang mit der Schöpfung

Umweltschutz ist ein omnipräsentes Thema. Dr. Ursula Fatima Kowanda-Yassin erklärt uns im Folgenden, welch spirituellen Wert Naturschutz im Islam hat.

31
08
2015
Naturschutzwoche Naturschutz
Religiöse Naturschutzwoche © Olli Henze auf flickr, bearbeitet by IslamiQ

Das Thema Naturschutz beschäftigt die Menschen nunmehr seit einigen Jahrzehnten, nachdem sich herausgestellt hatte, dass nur durch einen achtsamen Umgang mit Ressourcen ein Fortbestehen auf Erden möglich ist. Um das Naturverständnis und das Leben des Menschen in der Natur aus islamischer Sicht darzustellen bedarf es der näheren Untersuchung der verwendeten Begriffe. In diesem Artikel wird auf das Bewusstsein des Menschen im Umgang mit der Schöpfung eingegangen, der Begriff der Schöpfung und des Halîfa werden beschrieben. Die spirituelle Dimension bei einem bewussten Umgang mit der Natur und die Umsetzung islamischer Prinzipien haben Auswirkungen auf das Leben im Diesseits und im Jenseits eines jeden Individuums.

Die Schöpfung: Mensch und Natur sind Eins

Der Begriff der Natur – auf Arabisch bi’a oder tabii’ – als umfassender Begriff für Flora, Fauna und naturwissenschaftliche Prozesse kommt im Koran nicht vor. An seine Stelle tritt der Begriff der Schöpfung, al-Halk, der das Werk des Schöpfers bezeichnet. An 259 Stellen[1] im Koran kommen Begriffe mit der Wortwurzel h-l-k vor, die hier auszugsweise angeführt werden.

Als Nomen in Sure 10/4: „…yabda’u l-halka…“ – Er bringt die Schöpfung ins Dasein… und in Sure 67/3 „…halk ar-Rahmân…“ – die Schöpfung des Barmherzigen oder als Verb: „halak as-Samawât“[2] – Er hat die Himmel erschaffen…; „halak al-Insân…“[3] – Er hat den Menschen erschaffen; „halak al-Layla…“[4]– Er hat die Nacht erschaffen;“ halak al-Dschân…“[5] – Er erschuf die Dschinn; „halak al-Ard…“[6] – Er erschuf die Erde; „Allâhu halakakum…“[7] – Allah erschuf euch.  Allah als der Schöpfer kommt in der Sure 15/28 vor: „innî hâlikun…“ – Ich erschaffe (Wahrlich, ich bin der Erschaffende) oder auch „al-hallâk…“- der Erschaffende (Sure 15/86).

In den unterschiedlichsten Zusammenhängen wird die Schöpfung beschrieben. Auch wenn hier nicht näher auf die inhaltlichen Aspekte eingegangen werden kann, verdeutlicht doch diese große Zahl an Koranstellen, wo Begriffe mit der Wurzel h-l-k vorkommen, dass der Mensch ein Teil der Schöpfung (al-Halk) ist, und dass er bewusst mit Allahs Werk umgehen muss. Achtsamkeit gegenüber der Schöpfung bedeutet dem Schöpfer Respekt zu erweisen. Verantwortung für die Schöpfung  zu übernehmen  zeigt, dass der Mensch seiner Beschaffenheit, die ihm von Allah gegeben wurde, entspricht und seiner Aufgabe gerecht wird.

Der Mensch als Halîfa auf der Erde

Diese Untersuchungen führen zu dem Begriff Halîfa. Der Begriff Halîfa wird meist im Zusammenhang mit einer Herrschaftsform[8] verwendet. Im Koran ist Halîfa in einem weiteren Zusammenhang beschrieben und die nähere Untersuchung des Begriffes ist sinnvoll. In der Sure Bakara, Vers 30, wird beschrieben, wie Allah den Menschen zum Halîfatun fil-Ard (auf Erden) machte[9]. Die linguistische Bedeutung von Halîfa ist „Nachfolger, Statthalter“, bleibt in diesem Kontext aber unübersetzt, da Allah nie abwesend ist und keinen Stellvertreter braucht. Die Aufgabe eines Halîfa im Zusammenhang mit der Schöpfung wird von zeitgenössischen Autoren[10] als eine Art der Verwaltung eines anvertrauten Gutes (Amâna) interpretiert. Somit ist die Aufgabe des Halîfa in Form eines verantwortungsvollen Umgangs mit der Natur, der Amâna, zu verstehen und nicht nur als eine Herrschaftsform unter Menschen.

Die spirituelle Dimension der Schöpfung für den Menschen

Die Auseinandersetzung mit den koranischen Hinweisen auf die Wunder der Schöpfung deutet auf die Wichtigkeit des bewussten Umgangs mit der Schöpfung hin. Durch das Betrachten der Schöpfung in den unterschiedlichsten Formen wird der gläubige Mensch an die Macht und Schönheit seines Schöpfers erinnert und im Glauben gestärkt: „Gewiss, in der Schöpfung der Himmel und der Erde und in der Verschiedenheit von Nacht und Tag sind zweifelsohne Âyât für die Verständigen. Diejenigen, (…) die über die Schöpfung der Himmel und der Erde nachdenken und über die Erschaffung der Himmel und Erde (und sagen): Unser Herr, du hast (all) dies nicht umsonst erschaffen.“ (Koran 3/190-191).

Die praktische Umsetzung islamischer Prinzipien

Auf individueller Ebene wird der verantwortungsvolle Umgang mit der Schöpfung bei der Berücksichtigung einiger islamischer Grundprinzipien gelebt. Das Gebot der Barmherzigkeit (Rahma), der Sauberkeit (Nazâfa) und Anvertrautes (Amâna) achtsam zu behandeln als auch das Verbot der Verschwendung (Isrâf) und der Zerstörung (Fasâd) sind islamische Grundhaltungen und führen zu einer nachhaltigen Lebensweise.

Aus dem Leben des Propheten (s) wurden Vorgaben überliefert, die klare umweltschützende Verhaltensweisen beinhalten. Sparsam mit Wasser umzugehen, auf Sauberkeit zu achten und Tiere nicht zu quälen sind klare Bestimmungen, die für einen achtsamen Umgang mit der Schöpfung maßgeblich sind. Einen Baum zu pflanzen gilt als eine fortwährende Spende (Sadaka dschâriya).

Conclusio

Die Beschäftigung mit dem Verständnis des Begriffes Natur im Islam und das daraus resultierende  Verständnis des Halîfa auf Erden deuten auf eine Verantwortung des Menschen gegenüber der Schöpfung hin. Dies bedeutet Verantwortung gegenüber den Mitmenschen als auch gegenüber der Schöpfung insgesamt. MuslimInnen können durch ihre Lebensform und ihren wertschätzenden Umgang mit der Natur ihre Rechtschaffenheit beweisen und ihren Glauben stärken.

[1] Dr. Muhammad Hasan al-Himsî: Tafsîr wa-Bayân. Mufradât al-Qur’ân. Asbâb an-Nuzûl li-s-Suyûtî. Beirut, 1999.

[2] 7/54.

[3] 17/4.

[4] 21/33

[5] 55/15

[6] 41/9

[7] 16/70

[8] Asad, Muhammad: Die Prinzipien von Staat und Regierung im Islam. Mössingen: Verlag Bukhara, 2011,

  1. 42-52 (aus dem Englischen übersetzt).

[9] Kowanda-Yassin, 2011, S. 55.

[10] Beispielsweise Richard Foltz, Omar Naseef, Fazlun Khalid und Mawil Izzi Dien.

 

Die Umschrift arabischstämmiger Fachbegriffe wurde der besseren Lesbarkeit halber von der IslamiQ-Redaktion vereinfacht.

Leserkommentare

Ute Diri-Dost sagt:
Halifa sollte besser Chalifa geschrieben werden (kommt vom Verb chalafa,nicht halafa,was schören heisst.)
31.08.15
21:52
Ute Diri-Dost sagt:
Es muss natürlich "halafa"-schwören" heissen.
31.08.15
21:55
Ute Diri-Dost sagt:
Bitte dringends bei Quran-Zitaten für die Umschrift ins Deutsche für den arabischen Buchstaben cha das deutsche ch zu verwenden statt h,den das führt zu Missverständnissen "chalaqa"schöpfen ist nicht gleich halaka,vernichten,wenn so ausgesprochen.Ansonsten hat mir der Artikel gefallen.
31.08.15
22:07
Michael sagt:
Die dritte Quellen-(Ayah-) angabe ist nicht korrekt. "Er hat den Menschen erschaffen" - Khalagal Insan kommt nicht in der Sura Isra vor, sondern in der Sura Ar-Rahman (55) Ayah 3. In der Sura Isra Ayah 4 geht es um etwas ganz anderes.
07.01.17
18:53
Büsra sagt:
Salam alaikum... ich möchte meine Bachelorabreit über die Achtsamkeit im Islam schreiben. Habt ihr Tipps oder Empfehlungen? Danke im Voraus!
16.10.21
19:48