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„Ohne die Moschee wären wir verloren“

Hunderttausende Flüchtlinge kommen nach Deutschland. Viele sind Muslime. Islamische Religionsgemeinschaften und Moscheegemeinden helfen bei Versorgung und Integration. Sie haben einen besonderen Zugang – sprachlich und auch über die Religion. Ein Besuch in Köln.

18
09
2015
Willkommenskultur für Flüchtlinge © Takver auf flickr.com (CC BY 2.0), bearbeitet IslamiQ

Sie spenden Kleidung, Spielsachen, Gebetsteppiche. Sie laden zum Essen, Austausch, Beten in die Moscheen ein. Imame und Dolmetscher bieten ihre Unterstützung an. Zu den vielen Ehrenamtlichen, die bei Unterbringung und Versorgung von Flüchtlingen anpacken, gehören auch die islamischen Religionsgemeinschaften. Man helfe allen, unabhängig von der Religion, betonen die Organisationen DITIB – Türkisch-Islamische Union – und Zentralrat der Muslime (ZMD). Weil ein Großteil der Neuankömmlinge aus islamisch geprägten Ländern stammt, haben aber die Muslime hierzulande zu ihnen oft einen besonderen Zugang.

„Es ist eine menschliche und auch eine religiöse Pflicht zu helfen“, sagt Hakan Aydin, Vorsitzender der DITIB-Gemeinde in Köln-Chorweiler. In der Nähe seiner Moschee werden in einer Zelt-Notunterkunft rund 800 Asylsuchende von den Johannitern betreut, darunter sind viele Muslime. „Wir haben im Flüchtlingszelt einen Gebetsraum eingerichtet. Und wir laden die Flüchtlinge zu unserem Freitagsgebet ein“, sagt Imam Halim Algan. „Wir helfen nicht nur Religionsverwandten. Aber die Johanniter übermitteln uns oft Flüchtlinge islamischen Glaubens“, ergänzt Muslim Yalcin Colak.

Nach offizieller Regierungsprognose werden 800 000 Flüchtlinge in diesem Jahr nach Deutschland kommen. Der ZMD schätzt, das bis zu 80 Prozent Muslime sind. Die meisten Asylanträge stellen Syrer. Die Zahl der Muslime in Deutschland – derzeit rund vier Millionen – wird steigen, auch die Moscheegemeinden werden wohl wachsen.

In der muslimischen Gemeinschaft ankommen

Der syrische Elektroingenieur Sharif Baraa (27) und seine zwei Freunde Jarkas Anas (27) und Mohammad Amin (25) leben seit drei Monaten im „Camp“ in Köln. Sie sagen, sie sind angekommen – in der muslimischen Gemeinde, aber noch nicht in Deutschland. „Wir sind sehr isoliert. Unser einziger Kontakt sind die Moschee-Mitglieder“, schildert Baraa. „Sie haben uns nicht nach unserem Glauben gefragt, sie haben sofort geholfen, sie laden uns ein. Sie haben uns auch psychisch sehr entlastet.“

Designer Amin betont: „Ich fühle mich hier wie Zuhause. Alle sind engagiert, es wird geteilt. Ohne die Moschee wären wir verloren.“ Und Fakher Zael, Chirurg aus Syrien, erzählt: „Wenn wir einen Termin haben bei der Ausländerbehörde oder im Jobcenter, dann besorgt uns die Moscheegemeinde ein Auto und einen Dolmetscher.“

Mohammed A. und seine knapp zweijährige Tochter sind ebenfalls vor Krieg und Terror aus Syrien geflohen. Sie fanden einige Tage Obdach in der Chorweiler Moschee. „Aber dann habe ich die Hoffnung verloren“, übersetzt Assad Theißen aus dem Arabischen. A. musste an den Niederrhein ziehen, wohnt mit Töchterchen Hala in der Küche einer überfüllten Flüchtlingswohnung. Er hat Angst um seine zurückgelassene Frau und drei weitere Kinder. Die Moschee will ihm bei der erhofften Familienzusammenführung in Köln helfen.

Gemeindemitglied Sevgül Tunc sagt, man wolle gezielt die Kinder unterstützen. „Unsere Erzieherinnen stehen bereit“, sagt sie. Zusammen mit Dutzenden Ehrenamtlichen hat sie tagelang Spenden sortiert. Die Kartons mit Kleidung, Schuhen, Windeln, Pflegeartikeln, Taschen, Jacken und Spielzeug stapeln sich bis unter die Decke. Täglich werden sie in die Zeltstadt gebracht.

Hakan Aydin plant auch mittel- und langfristige Hilfe. „Mit Blick auf Kulturkreis und Sprache der Flüchtlinge haben wir vielleicht auch eine besondere Verantwortung“, sagt der islamische Theologe. Bei Wohnungs- oder Arbeitssuche und Behördengängen werde man weiter übersetzen und beraten. Einige melden sich auch als Pflege-Eltern für unbegleitete Kinder. „Wir haben viele Rentner, die uns ihre Wohnung als Notunterkunft überlassen, während sie in der Türkei sind.“ Die Gemeinde plane einen eigenen Deutschkurs. (dpa)

Leserkommentare

Torben sagt:
Der Artikel unterstellt, dass die Flüchtlinge in Deutschland nur überleben können, weil es muslimische Gemeinden gibt und dass nur die Muslime ihnen helfen. Tut etwa der deutsche Staat, die Städte und Kommunen, nichts für die Flüchtlinge? Und was ist mit den unzähligen ehrenamtlichen Helfern, die nicht Muslime sind, aber dennoch den Flüchtlingen ihre Kleidung spenden, Essen und Trinken verteilen, nach Ungarn reisen, um dort verletzte Flüchtlinge zu versorgen? Wie kommt der Designer Amin zu seiner Erkenntnis, dass er ohne die Moschee verloren wäre? Ich finde das unerhört und eine Beleidigung der Menschen in Deutschland, die mit ihren Steuergeldern die Versorgung und Unterbringung der Flüchtlinge finanzieren.
22.09.15
16:20