Seit Januar marschiert in Leipzig das Anti-Islam-Bündnis Legida auf. Es kommen nur ein paar Hundert Demonstranten, viel weniger als bei Pegida in Dresden. Doch es reicht, um eine Großstadt zu lähmen.
Die Filialleiterin Birgit Woycik ist bedient. Fast jeden Montag herrscht Flaute in ihrem Textilgeschäft im Leipziger Hauptbahnhof. „Der Laden ist leer. Und das ist bei den anderen Händlern auch so.“ Montags marschiert in Leipzig regelmäßig das Anti-Islam-Bündnis Legida auf, begleitet von Gegenprotesten. Dann herrscht Ausnahmezustand. Auch an diesem Montag soll wieder demonstriert werden.
Die Polizei ist mit einem Großaufgebot präsent, Straßen sind abgeriegelt, Straßenbahnen müssen Umleitung fahren. Anders als bei Pegida in Dresden, wo meist mehrere Tausend Menschen mitlaufen, sind es beim Leipziger Ableger Legida nur ein paar Hundert Leute. 500 Demonstranten auf 500 000 Einwohner. Das sorgt für Unmut in der Stadt.
„Es kann doch nicht sein, das Montag für Montag ein paar Legida-Demonstranten eine ganze City lahmlegen“, sagt der Besitzer eines Taschengeschäftes. Nicht nur geringere Umsätze seien die Folge, das Ganze schade auch dem Ansehen der Stadt. Denn Leipzig sei eigentlich weltoffen. Wieso erlaube die Verwaltung eigentlich diese Legida-Aufmärsche in der City, könnten die nicht an den Stadtrand verlegt werden, fragt er.
So einfach sei das nicht, sagt Prof. Christoph Degenhart, Staatsrechtler an der Universität Leipzig. Das Grundrecht der Versammlungsfreiheit stehe Legida zunächst genauso so zu wie anderen Gruppen. Der Antragsteller habe ein Recht auf die Wahl des Ortes. „Wir hatten solche Entscheidungen schon, dass eine Versammlung, die auf dem Bahnhofsvorplatz stattfinden sollte, irgendwo auf ein Gelände weit hinter dem Bahnhof verbannt werden sollte“, sagt der Jurist. Dies sei von der Rechtsprechung zurecht als unzulässig bezeichnet worden. Das heißt also: Wenn Legida in der Innenstadt demonstrieren will, kann das Bündnis nicht an den Stadtrand verwiesen werden.
Mit enormen Aufwand sichert die Polizei den Aufmarsch von Legida. Es sei das Ziel, Legida und deren Gegner zu trennen, erläutert Polizeisprecher Andreas Loepki. Nach Angaben der Gewerkschaft der Polizei (GdP) Sachsens waren zum Beispiel am vergangenen Montag 600 Beamte im Einsatz. „Diese hohe Zahl ist angesichts der Tatsache, dass es wie am letzten Montag nicht friedlich endet, nicht ungerechtfertigt“, sagt Hagen Husgen, GdP-Landesvorsitzender. Er schätzt, dass so ein Einsatz mehrere hunderttausend Euro kostet.
Auch für die Leipziger Verkehrsbetriebe bringt Legida einen enormen Aufwand. Zehn von zwölf Straßenbahnlinien mit 132 Bahnen sowie 16 Busse seien am vorigen Montag von der Demo betroffen gewesen. Für die Fahrer bedeuteten Umleitungen vor allem Überstunden. Zudem müsse zusätzliches Personal bereitgestellt werden, das alles koordiniert, sagt eine Sprecherin. Die größten Belastungen gebe es jedoch für vielen Fahrgäste, die nach der Arbeit einfach nur nach Hause wollen.
„Der Montag hat sich mittlerweile als Demonstrationstag in den Köpfen der Menschen manifestiert, deshalb bleiben viele fern“, sagt Heike Melzer, Geschäftsführerin des Vereins City Leipzig Marketing. 60 Prozent der Innenstadt-Einzelhändler sind dort Mitglied. Frequenz- und Umsatzrückgänge seien an solchen Tagen in der gesamten Innenstadt deutlich spürbar. Nicht die Angst um die eigene Sicherheit halte die Kunden ab, sondern vor allem die Unsicherheit, ob die Geschäfte überhaupt erreichbar seien und wie der Nachhauseweg aussehen könnte, sagt Melzer.
Ein Ende der Demo-Routine ist nicht in Sicht. „Wir kommen wieder“, hat Legida für diesen Montag angekündigt. Auch die Gegner rufen wieder zu Demonstrationen auf. Die Versammlungsfreiheit schützt beide Vorhaben – so lange sie friedlich sind. Vorletzten Montag flogen laut Polizei Flaschen und Böller aus den Legida-Reihen, die Versammlung wurde abgebrochen. Daraus könnte sich eine neue Lage ergeben, sagt der Jurist Degenhart. „Wenn die Behörden aufgrund der Erkenntnisse aus den letzten Versammlungen eine sichere Prognose treffen können, dass die Legida-Leute zu Gewalttätigkeit neigen und dass Gewalt zu befürchten ist, dann können Einschränkungen angeordnet werden.“(dpa/iQ)