Der Tag der offenen Moschee (TOM) steht vor der Tür. Dieses Jahr unter dem Zeichen der muslimischen Jugend in Deutschland. Aus dem Anlass hat IslamiQ eine Reihe von Beiträgen vorbereitet. Heute ein Beitrag von dem Buchautor Murat Demiryürek zur islamkonformen Ehevorbereitung.
Leyla und Hassan sind zwei junge Muslime. Sie macht eine Ausbildung im letzten Lehrjahr zur Erzieherin in einem Kindergarten und er studiert im 6. Semester Informatik. Es ereignet sich an einem windigen Herbstnachmittag folgendes Gespräch auf einer Parkbank, nachdem er sie erwartete:
Er freut sich sie zu sehen, steht auf und umarmt sie: Esselamu aleykum. Wie geht dir?
Sie: Uww ist das kalt. Gut geht´s mir. Obwohl ja geht so.
Erwartungsvoll schaut er sie an: Und?!
Sie senkt ihren Kopf: Ich konnte es einfach meiner Mutter nicht sagen. Sie wird sehr enttäuscht sein, wenn sie hören wird, dass ich mit dir heiraten möchte. Wenn ich ihr sage, dass du betest und so, dann…
Er versucht sich optimistisch: Meine Familie würde sich auch nicht begeistert zeigen, wenn die hören würden, wie es deine Familie mit Religion hält. Aber das klappt schon. Die kommen schon klar, wenn wir das tun.
Sie: Außerdem wird sie das nicht so toll finden, wenn sie hört, dass du noch Student bist. Sollten wir nicht warten bis du fertig bist? Bis dahin können wir uns noch besser kennenlernen. Schaden kann das ja nicht.
Mittlerweile sitzen beide. Er gibt sich ebenfalls enttäuscht, reibt sich die Hände und findet einen Stock mit dem er auf der Erde vor seinen Füßen herumstochert. Fortan klingt er ein wenig bedrückt:
Es müssen ja nicht optimale Bedingungen vor einer Ehe vorliegen, damit man glücklich wird. Oder?! Immer diese Ansprüche. Was soll das alles? Job, fette Hochzeit, voll eingerichtete Wohnung. Das braucht man Anfang zwanzig doch nicht. Du bekommst was, ich bekomme was.
Suche mir noch einen Nebenjob. So kann das hier aber nicht weiter. Das ist haram was wir hier machen.
Sie lacht: Also findet das Allah jetzt auch nicht so toll?
Auf einige kann dieses Paar naiv wirken oder aber schlicht nicht reif genug für eine Ehe. In jedem Fall haben wir es hier mit einem Fall zu tun, der mehrere Konflikte aufwirft und die Realität unter den muslimischen Jugendlichen in Deutschland skizziert.
1. Konflikt: Die Suche nach einem Ehepartner
Es ist mittlerweile üblich, dass Heiratswillige ihren Partner selbst suchen. Das geschieht auf vielerlei Wegen. Da gibt es das Kennenlernen ohne einen solchen Gedanken, der sich im Rahmen einer Zusammenkunft ergibt. Man arbeitet beispielsweise bei der gleichen Firma, besucht ein Seminar oder kennt sich aus der Uni. Nicht selten denkt dabei anfangs nur eine Person an die Ehe, die andere weiß von ihrem Glück nichts, bis sie es offenbart bekommt. Noch viel barrierefreier lässt es sich in den sozialen Medien kennenlernen. Dort können sich Menschen aber darstellen, wie sie gerne wären. Der andere muss dann herauskriegen, wer er wirklich ist. Je länger das Kennenlernen ohne ein reales Gespräch geht, desto mehr baut sich ein Bild vom Gegenüber auf, das meist schwer zu halten ist. Das barrierefreie Kennenlernen führt dann auch dazu, dass schnell Grenzen überschritten werden, weswegen einige Gelehrte von dieser Art des Kennenlernens abraten oder als unerlaubt ansehen.
In jedem Fall geht der Trend dahin, dass viele Heiratssuchende auf eigene Faust suchen und ihre Eltern meist vor vollendete Tatsachen stellen, weshalb diese meist zähneknirschend zustimmen (müssen).
2. Konflikt: Voreheliches Verhalten
In vielen Köpfen von Heiratssuchenden ist mittlerweile der Gedanke vorhanden, erst mal den anderen in einer Beziehung kennenzulernen, als buchstäblich die Katze im Sack zu kaufen. „In einer Beziehung lässt sich eine Person nicht so kennenlernen wie in einer Ehe. Sprich eine Ehe kann man vorher nicht üben, weil es dafür kein Übungsfeld gibt! Viele möchten durch eine Beziehung eine sichere Grundlage für eine Ehe haben bzw. darauf aufbauen. Hierfür fehlen jedoch die übrigen Rollen in einer Ehe. Man sieht den Partner lediglich als Frau oder Mann. In der Ehe nimmt das Gegenüber mehrere Rollen gleichzeitig ein, beziehungsweise es addieren sich welche dazu.“ Deshalb klappt der Schritt von einer Beziehung zu einer Ehe eher selten, da die Ehe nicht die Erwartungen erfüllen kann. Nicht umsonst sieht der Islam keine Beziehung vor der Ehe vor. Zudem wirkt sich jede Handlung eines Muslims in seiner unmittelbaren Zukunft aus. Erlaubte Handlungen bringen Allahs Unterstützung mit sich, während das Gegenteil auch der Fall ist. Deshalb ist es nicht gleichwertig eine Hand des Partners in oder außerhalb einer Ehe zu halten.
3. Konflikt: Vorstellung von Traditionen
Hierzulande aufgewachsene Heiratswillige haben meist puristischere Vorstellungen rund um Verlobung und Hochzeit als ihre Eltern. Kürzlich fand eine große Hochzeitsfeier zwischen einem Türken und einer Marokkanerin statt, nur zuliebe der Eltern, damit diese die Erwartung der Tradition abarbeiten konnten. Was die beiden vorhatten war definitiv nicht so kostspielig und in einem kleinen Rahmen. Im Grunde treiben fragwürdige Traditionen und ein „sich präsentieren wollen“ die Kosten für Verlobung, Hochzeit und Wohnung auf große fünfstellige Beträge und halten manche von solchen Vorhaben ab. Die Lasten der Tradition wiegen schwer. Wer sich dagegen stemmen will, muss viel Kraft aufbringen. Wer etwas anders machen will, muss sich erst einmal erklären.
4. Konflikt: Familiäres Umfeld
Mit dem künftigen Ehepartner klarzukommen ist wichtig, aber leider nicht die ganze Miete. Man heiratet nämlich das komplette Paket samt Vergangenheit der Person und dessen Familie. Letztere prägt einen mehr als man vor der Ehe angenommen hat. Ein Blick auf die Familienverhältnisse im Vorfeld ist gut angelegte Zeit. Die Haltung der Familie kann eine Ehe erleichtern oder gar ruinieren. In jedem Fall kann man nicht als werdendes Ehepaar und den Einfluss der Familie ausblenden.
Blauäugigen Eltern reicht es angeblich aus, dass ihre Kinder eine glückliche Ehe führen, allerdings zeigen viele Beispiele, dass dem nicht so. Ihre Egos müssen bedient werden. Das Loslassen fällt dann vielen Eltern schwer. Deshalb greifen sie gerne mal in die Ehe ein und meinen es wie immer nur gut. Wenn beide Elternseiten eine gewisse menschliche Haltung mitbringen, kann man sich auch an binationale Ehen herantrauen. Die sind nicht immer einfach, aber bei Gelingen sehr bereichernd.