H&M

Kopftuch-Model im Werbevideo

Ein Werbeclip von H&M löst Wirbel aus. Eine Muslimin mit Kopftuch gehört zu den Models. Beifall kommt von vielen Frauen. Manche sehen das rein modisch, manche politisch, anderen ist der Wirbel unerklärlich.

07
10
2015
H&M © Mike Mozart auf flickr, bearbeitet by IslamiQ.

Millionenfache Klicks, viele Medienberichte, auch vom britischen „Guardian“ oder der „New York Times“: ein kurzes Mode-Werbevideo sorgt für ungewöhnliche Aufmerksamkeit. Die Models sind untypisch. In dem H&M-Video treten in schnellster Bildfolge etwa ein Transgender auf, eine Seniorin im kurzen Röckchen, eine Sikh-Turban-Truppe, ein Socken-In-Sandalen-Träger, ein Übergewichtiger – und: eine Muslimin. Und eben diese junge Schöne mit modischer Sonnenbrille löst Wirbel aus, denn sie trägt ein Hijab-Kopftuch. Die Resonanz ist groß. Auch wenn das in Zeiten, in denen das Kopftuch in Köln, Berlin, London längst zum Straßenbild gehört, manchen unverständlich erscheint.

Der Experte für sozialwissenschaftliche Marktforschung, Kai-Uwe Hellmann, sieht einen künstlichen Hype. Der Clip sei „ästhetisch glattgebügelt“ und beinhalte kein echtes Statement. Eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem Kopftuch, seiner Rolle oder mit dem Islam erwartet er nicht. Dem Hersteller – einem der weltweit größten Textilhandelsunternehmen mit rund 3500 Geschäften in fast 60 Ländern – gehe es nur um Absatzzuwachs. Die schmale Botschaft laute, in der Mode sei alles erlaubt. „Das ist eine Nulldurchsage.“

Manche denken an die sozialkritischen Werbekampagnen von Benetton – mit Schockbildern in den 90er Jahren oder an die provokativen Plakate mit küssenden Machthabern vor rund zehn Jahren zurück. Daran komme H&M bei weitem nicht heran, sagt Hellmann. Ebenso nicht an die Dove-Werbung gegen den Schlankheitswahn – mit den posierenden kräftig-runden Frauen.

Die Islamwissenschaftlerin Lamya Kaddor kann den Wirbel um das Hijab-Model gut nachvollziehen: „Ja, ich verstehe die Aufmerksamkeit. Man schaut deshalb zweimal hin, weil man ein weibliches Muslim-Model nicht vermutet.“ Damit würden nun gezielt auch Muslime von der Modebranche angesprochen, meint Kaddor, die auch islamische Religion unterrichtet – und fragt: „Warum darf man sein Haupthaar nicht bedecken und dabei gut aussehen?“

Die Kette H&M wirbt mit dem Slogan „Verpasse nicht den Film, der alle Regeln bricht.“ Auf Anfrage erklärt eine Sprecherin, es gehe um „den Bruch mit vermeintlichen Moderegeln“. Der Clip solle die Vielfalt der Kunden widerspiegeln. Ein Model im Hijab in der Mainstream-Mode sei eine Errungenschaft, meint das Magazin „Elle“. In anderen Medien ist von Toleranz die Rede. Das in England lebende Modell erzählt in einem Interview von massenhaften Zuschriften. Viele wollten schlicht wissen, wie sie ihren Hijab binde. Es gibt auch Kritik – so eine Stimme auf Facebook. Das mit dem Kopftuch-Model sei ja schön, aber: „Wenn es darum geht, in H&M zu arbeiten mit einem Kopftuch, kriegt man (…) nur Absagen.“

Der Medienethiker Alexander Filipovic hält das Video nicht für einen Tabubruch, höchstens für etwas provokativ. „Mode ohne Regeln – das ist an sich nicht originell“. Die Kopftuchtragende Muslimin sei damit in der Werbung hierzulande auch nicht neu erfunden worden. „Interessant ist dennoch, wie viele junge muslimische Frauen es offenbar bemerkenswert finden, dass sie hier repräsentiert sind. Das weist auf eine Leerstelle in unserer Medienwelt hin.“ Eine Reflexion über das islamische Kopftuch erwartet auch Filipovic nicht. Er mahnt ganz grundsätzlich: „Hier, wie bei jeder anderen Kampagne, gilt: Wir sollten nicht auf die Werbung hereinfallen.“(dpa/iQ)

Leserkommentare

Burak sagt:
Die Frage ist doch nicht, wie mutig die Platzierung eines Kopftuchmodells in einer H&M-Werbung ist oder ob es sich dabei um einen Tabubruch handelt. Die Frage aus muslimischer Perspektive lautet, ob wir es uns überhaupt wünschen, dass Firmen mit kopftuchtragenden Modells werben. Einerseits ist eine derartige Zurschaustellung von Personen (egal welchen Geschlechts) nicht gerade sehr islamisch, andererseits verkommt das Kopftuch zu einem bloßen Vermarktungsobjekt. Es ist eher traurig, wenn muslimische Jugendliche auf solche Tricks hineinfallen und sich dadurch selbst repräsentiert sehen. Man sollte sich genau überlegen, wo man repräsentiert werden möchte und wo lieber nicht.
08.10.15
12:04