Vor kurzem fand der Tag der offenen Moschee statt. Rund Hunderttausende Besucher deutschlandweit sollen die Moscheen besucht und erkundet haben. Esra Lale begleitete die Besucher in der Fatih-Moschee in Köln Nippes und bekam sowohl positives als auch negatives Feedback zu hören.
Die Sonne scheint in Köln. Ein wunderbarer Tag für einen Spaziergang. Das dachten sich Rosi R. und ihr Freund Boris F. und gingen vor die Tür, um dann an einer anderen Tür hereingebeten zu werden. Die Tür einer Moschee. Denn heute ist der Tag der offenen Moschee (TOM). Der Eingang zu der Moschee in Köln-Nippes ist liebevoll mit bunten Ballons und Lamellen geschmückt. Enes, ein siebzehnjähriger Schüler, der ehrenamtlich aushilft, steht mit einer Palette von leckeren Süßigkeiten vor der Tür und bittet vorbeigehende Passanten, einen Blick in die Moschee zu werfen.
Auch Rosi und Boris gehören zu den Angesprochenen und lassen sich diese Möglichkeit nicht entgehen. „Ich war zwar in Istanbul in mehreren Moscheen drin, doch hier in Köln ist es das erste Mal für mich“, sagt Boris und Rosi pflichtet ihm bei.
Nachdem Sie hereintreten werden Sie von der 20-Jährigen Esma, die ebenfalls ehrenamtlich am TOM mithilft, herzlich begrüßt und gefragt, ob sie eine Führung durch die einzelnen Stationen der Moschee haben möchten. Rosi und Boris nehmen dankend an und verschwinden in den Gebetsraum der Frauen, der sich in dieser Moschee auf der zweiten Etage befindet.
Doch das heißt nicht, dass Enes ausruhen kann, immer wieder bleiben Interessierte an der Tür zur Moschee stehen, reden mit ihm, lassen sich reinbitten und schauen sich die verschiedenen Angebote der Moscheegemeinde an. Manche nehmen wie Boris und Rosi an einer Führung teil oder erkunden die verschiedenen Stationen der Moschee auf eigene Faust. Denn es gibt viel zu sehen in der kleinen Moschee im Nippeser „Veedel“, wie es die Kölner gerne nennen. Im Innenhof der Moschee wurden Pavillons aufgestellt unter denen gemütlich gespeist, gesprochen und gelacht wird. Daneben werden die Aktionen der Kinder und der Jugendorganisationen der Moscheegemeinde vorgestellt. Außerdem gibt es einen Stand, an dem die traditionelle Ebru-Kunst vorgeführt wird und zum Mitmachen einlädt. Für diejenigen, die bei der Gelegenheit auch weitere Informationen zum Islam einholen möchten, gibt es verschiedene Broschüren, die man sich am Stand der 24-Jährigen Studentin Hüsna abholen kann. Auch Andreas S. nimmt sich einen Flyer in die Hand und blättert rein. „Ich hab viel dazu gelernt heute, ich wusste nämlich vorher nicht, dass die rituelle Waschung so eine Relevanz im Islam hat“, sagt der 30-Jährige und blickt zu den Waschsalons der Moschee.
„Einen Tee möchte ich aber auch noch trinken“, lächelt er den TOM–Helfer Mustafa an, mit dem er zuvor auch eine Führung durch die Räume der Moschee hatte. Sie begeben sich zusammen in einen Innenraum der Moschee, wo ein Buffet für die Besucher aufgestellt wurde. Dort stehen neben Kuchen und türkischen Teigwaren auch Getränke parat. „Ich bedauere es sehr, dass der TOM im Medienecho kaum Bedeutung und Erwähnung findet, weder im Vorhinein noch danach“, sagt Andreas noch schnell zu Mustafa und beißt in ein Stück Kuchen rein. Er hatte schon im Voraus geplant, ein paar Moscheen zu besuchen und war, bevor er in die Fatih-Moschee eingebogen ist, in einem anderen islamischen Gotteshaus gewesen. „Ich denke, dass die Medien einfach kein Interesse am TOM haben.“
Angst vor dem Islam?
Ein paar Meter weiter wird das Gespräch zwischen Andreas und Mustafa von mittellauten Wortfetzen fast übertönt. Randa H., eine aus Tunesien stammende Jüdin sitzt mit einem weiteren Besucher und Mitgliedern der Moscheegemeinde an einem Tisch und diskutiert über den Islam. Sie selbst ist „für den Dialog da“, aufgrund ihres multikulturellen Hintergrunds sind ihr interreligöse Treffen bekannt, außerdem war sie in Köln schon bei sehr vielen Moscheen zu Besuch. „Dafür ist der TOM sehr gut, es würde mich aber auch freuen, wenn in Zukunft tiefergehende Veranstaltungen für erfahrene Personen wie mich zur Verfügung gestellt werden.“ Denn nur durch Reibungen und Auseinandersetzungen könne man sich kennenlernen. Um die Angst vor dem Islam in der Mehrheitsgesellschaft abzubauen, wäre der TOM zwar ein guter Anfang und der erste Schritt, doch da muss von beiden Seiten noch viel mehr kommen.
Gesagt, getan. Bei einem Glas Tee diskutieren Randa und die Muslima Tülay Y. über die verschiedensten Gegebenheiten des Islams, mal auf Deutsch, mal auf Englisch und mal auf Tunesisch, damit die Flüchtlinge, die von Tülay zum TOM eingeladen wurden, auch in das Gespräch eingesponnen werden. Randa selbst erzählt weiter, dass sie keine Angst vor dem Islam, der „gleichzeitig eine Angst vor dem Anderen ist“, kennt. „Denn egal wo ich bin, ich gehöre immer dem Anderen. Ich bin eine Minderheit in einer Minderheit in einer Minderheit. Entweder man möchte das Fremde kennenlernen oder man fürchtet sich davor.“
Eine Furcht die Enes an der Tür zur Moschee auch bei manchen Passanten spürt. „Manche gucken verwirrt bis erschrocken und gehen einfach weiter und sagen; ‚ne sorry, damit möchte ich nichts zu tun haben’“, sagt der Schüler noch schnell bevor er mit seiner Hand einen Sonnenschutz für seine Augen formt und einem langsam vorbeifahrenden Fahrrad-Fahrer ein Bon-Bon anbietet. Enes macht gerade sein Abitur und ist in seiner Freizeit in der Jugendarbeit der Moschee aktiv. Er organisiert diverse Treffen, bei denen Jugendliche zusammen beispielsweise Sport treiben und „von der Straße wegkommen.“
Das passt zu dem diesjährigen Motto des TOM`s „Junge Muslime in Deutschland“. Neben Enes und Mustafa sind noch Hüsna, Esma und ganz viele andere jugendliche TOM-Helfer vor Ort. Sie führen die Touren durch, sprechen mit den Besuchern, unterhalten sich über islamische Themen, erzählen von ihren eigenen Erfahrungen. Es scheint, als ob der Tag ganz auf den Schultern der Jugendlichen aufbaut. „Ich versuche mich hier einfach durchzulächeln. Ich meine, ich kann bei den Medien heutzutage auch verstehen, dass manche abweisend sind.“ Genau deswegen sei der TOM so wichtig, denn „wir wollen hier aufklären“, sagt Enes und bietet einem gerade aus der Moschee rausgehenden Gast eine rote Rose, das Symbol des Propheten Muhammad (s), an.
„Einfach nur schön!“
Auch Rosi und Boris, die von Esma begleitet werden, haben die Führung beendet und setzen sich für einen Tee in den Innenhof der Moschee. „Es war eigentlich ein Zufall, dass ich hier bin. Ich wohne hier in der Nähe und ich sah immer die jungen Mädchen die hier reingegangen sind. Ich hatte mich gewundert und als der junge Mann mich draußen gefragt hat, ob ich reinkommen möchte, bin ich rein, denn so eine Möglichkeit hatte ich vorher nie gehabt.“ Sie habe auch viel dazu gelernt, sie findet es beispielsweise sehr schön, dass die Kinder in der Moschee spielen dürfen. Außerdem hätte Esma ihr erzählt, dass die in den Gebetsräumen stehenden Hocker für ältere und schwache Menschen bereit stehen, auch das „finde ich einfach nur schön!“, sagt die 51-Jährige und nippt an ihrem Tee. Boris ist über den Gebetsraum der Moschee überrascht: „Ich wusste ja nicht mal, dass hier eine Moschee ist und dann auch noch so ein schöner Gebetsraum. Damit habe ich nicht gerechnet.“
Es sollte zwar nur ein Spaziergang an einem sonnigen Feiertag sein, doch jetzt wurde es für die beiden ein Erlebnis im eigenen Viertel. Rosi und Boris füllen noch schnell den Fragebogen, den sie von einer weiteren TOM-Helferin ausgehändigt bekommen haben, aus. Darin wird nach der Zufriedenheit, den positiven und negativen Punkten gefragt. „Mir hat es sehr gefallen, der Besuch hat sich auf jeden Fall gelohnt“, ruft Rosi zum Abschied noch nach und geht mit einer Rose in ihrer Hand raus. Nicht nur Rosi und Boris, auch Randa und Andreas, genauer gesagt 100 Prozent aller Befragten sind der Meinung, dass sich der Besuch gelohnt hat. 75 Prozent fanden die Veranstaltung sehr gut und 25 Prozent erachten sie als gut. Einen Kritikpunkt gab es dann aber doch, es gab zu wenig Zeit um alle Fragen zu stellen. Spätestens am nächsten Tag der offenen Moschee, am 3. Oktober 2016 wird das aber sicherlich nachgeholt.