Gestern jährte sich die Pegida-Bewegung (Patriotische Europäer gegen die Islamisierung des Abendlandes) zum ersten Mal. Seit einem Jahr dienen Medien, Migranten und vor allem Muslime, seit der europaweiten Flüchtlingskrise auch die Flüchtlinge, als Motive für die diffusen Forderungen der „besorgten Bürger“. Ein Rückblick von Taner Aksoy.
Seit dem 20. Oktober 2014 marschieren Anhänger der Pegida- Bewegung ungeniert bei den so genannten „Montagsspaziergängen“ unter dem Motto „Wir sind das Volk“ – eine gesellschaftliche Dichotomie von „Wir“ (die Guten) und „Die“ (die Bösen) – in Dresden mit. Erschienen zum ersten Spaziergang noch ca. 350 TeilnehmerInnen, konnten bereits am 22. Dezember 2014 insgesamt 17.500 Anhänger geschätzt werden. In ihren Märschen fordern sie den Stopp der vermeintlichen Islamisierung des Abendlandes, beschimpfen die Medien als „Lügenpresse“ und skandieren gegen nahezu die gesamte politische Elite. Im Laufe der Zeit entstanden in mehreren Städten Deutschlands so genannte Pegida- Ableger wie beispielsweise Kagida (Kassel gegen die Islamisierung des Abendlandes), Legida für Leipzig, Dügida für Düsseldorf sowie Mügida für München etc., so dass Pegida dadurch ein viel breiteres Publikum erreichen konnte.[1]
Pegida charakterisiert sich als ein liberaler, demokratischer und vor allem als ein vaterlandstreuer Zusammenschluss, dessen Teilnehmer vornehmlich männlich, konfessionslos, gut ausgebildet und circa 48 Jahre alt sein sollen, wie Prof. Dr. Vorländer in seiner Studie „Wer geht warum zu PEGIDA-Demonstrationen“ konstatiert.[2]
Dabei werden Tatsachen, wie etwa die Teilnahme von Vertretern der NPD (Holger Szymanski) und der AfD (Alexander Gauland) bei Pegida- Veranstaltungen sowie das Wehen von Fahnen der rechtsorientierten „Identitären Bewegung“ schlichtweg ausgeblendet. Auf Veranstaltungen sind außerdem die Kreuz- Fahnen in Schwarz- Rot- Gold zu sehen, die ursprünglich als Symbol des Widerstands betrachtet wurden. Diese tauchen bei Kundgebungen der rechtspopulistischen Partei Pro NRW ebenso auf, wie auf Veranstaltungen der rechtsextremen Reichsbürger des „Deutschen Kollegs“, zu deren Gründungsmitgliedern der Holocaust-Leugner und Neonazi Horst Mahler gehört.[3]
Spaltungen und Rücktritte
Ebenfalls findet die Tatsache, dass der Hauptorganisator Lutz Bachmann im Januar dieses Jahres seinen Posten vom Orga- Team Pegidas räumen musste, weil Bilder von ihm in Hitler- Pose aufgetaucht waren und er zudem Asylbewerber als „Gelumpe“, „Dreckspack“ und „Viehzeug“ titulierte, kaum mehr Beachtung.
Nach dem Bekanntwerden der Hitler- Posen und einer zurückliegenden Verurteilung wegen Drogenbesitz und Diebstahl, sah sich der bis dahin als Hauptakteur agierende Lutz Bachmann gezwungen Ende Januar seinen Rücktritt bekannt zu geben, um nach einer einmonatigen Abstinenz wieder in den Vorstand der Pegida- Organisation gewählt zu werden. Unmittelbar nach Bachmanns Rücktritt, trat eine weitere prominente Vertreterin Pegidas, nämlich Kathrin Oertel, zurück. Nachdem sie zunächst den Verein“Direkte Demokratie für Europa“ mitgründete, den sie Anfang März aber wieder verließ, rief sie im April die Initiative „193 Friedenstauben“ ins Leben und entschuldigte sich bei allen Migranten und Muslimen, die hier friedlich zusammenleben.[4]
Im Zuge der Spaltung konnten zeitweise weniger TeilnehmerInnen auf Pegida- Veranstaltungen gesehen werden. Dennoch gelang es der Bewegung, Tatjana Festerling, die selbst der ohnehin rechtspopulistischen AfD „zu rechts“ gesinnt ist, als Oberbürgermeisterkandidatin für die OB- Wahlen im Juni dieses Jahres in Dresden zu nominieren. Die vor Krieg und Hunger flüchtenden und traumatisiert nach Deutschland kommenden Flüchtlinge werden von ihr als „Horden von Invasoren aus dem Nahen Osten“ oder „Versorgungsasylanten“ tituliert.[5] Worte einer friedlichen, demokratischen und besorgten Bürgerin!
Weiterhin kann konstatiert werden, dass die Pegida-Bewegung inzwischen eine europaweite Anhängerschaft erreicht hat und gewillt ist, ihre faschistoiden, islamfeindlichen und diffusen Forderungen weiterhin zu verbreiten. So existieren Ableger in Schweden, Belgien, Österreich und der Schweiz. Der niederländische Islamfeind Geert Wilders ließ es sich nicht nehmen, einer Einladung Bachmanns zu einer Demonstration zu folgen und verhalf der Bewegung zu weiterem Zulauf.
Flüchtlingsdebatte
Es scheint so, dass die Pegida- Teilnehmer eine Möglichkeit gefunden haben, ihre allgemeine Feindseligkeit ungehemmt kundzutun. Ereignisse, Vorfälle oder auch Krisen, die thematisch das Kritikfeld von Pegida füllen, dienen ihren Ressentiments als Ventil. Die Pegida- Demonstrationen des letzten Jahres haben gezeigt, dass der Islam diese Ventilfunktion erfüllt hat. Dieses Jahr sticht die Flüchtlingsdebatte als Hauptkritikpunkt hervor. So hat die Flüchtlingsdebatte auch für eine Art „Initialzündung“ gesorgt und den Zulauf zu Pegida erneut forciert. Nicht selten wird dabei der Frust über die Flüchtlingspolitik auf einzelne Politiker projiziert. Bei der am Montag, den 12.10.2015 stattgefundenen Demonstration in Dresden wurden seitens der TeilnehmerInnen Bundeskanzlerin Angela Merkel und ihr Vizekanzler Siegmar Gabriel ostentativ durch die Errichtung eines Galgens „bedroht“. „Reserviert- Angela ‚Mutti‘ Merkel“ und „Siegmar ‚das Pack‘ Gabriel“[6] waren auf den dazu gehörigen Schildern zu lesen. Lutz Bachmann hingegen spielt den Vorfall runter und sprach anschließend von einer unfassbaren Übertreibung der „Lügenpresse.“[7] Nach der Messerattacke auf die Kölner Oberbürgermeisterkandidatin Henriette Reker am vergangenen Wochenende durch einen Rechtsextremisten bemerkt der Justizminister Heiko Maas: „Pegida senkt die Hemmschwellen dafür, dass aus Worten Taten werden!“[8]
Dass diese Erkenntnis sich schon längst bestätigt hat, zeigen die rasante Zunahme von rechtsextremen Taten, die Angriffe auf Flüchtlinge sowie Flüchtlingsheime und auf Journalisten, die über Pegida- Demonstrationen berichten.
Die hier vorgetragenen Fakten stellen lediglich nur die Spitze des Pegida- Eisbergs dar. Diese reichen bereits aus, um die fremdenfeindliche, rassistische- und islamfeindliche Gesinnung Pegidas zu verdeutlichen.
Nicht umsonst bezeichnete der Bundesinnenminister Thomas De Maiziere gestern die Anführer von Pegida als „harte Rassisten“.[9]
[1] Weitere Ableger finden sich unter: https://pegidnrw.wordpress.com/offizielle-ableger-pegida/ sowie http://www.netz-gegen-nazis.de/artikel/zahlen-einstellungen-pegida-teilnehmerzahlen-10093 (letzter Zugriff: 19.10.2015). Die Vollständigkeit der Listen kann nicht gewährleistet werden.
[2] Vörländer, Hans, Wer geht warum zu Pegida-Demonstrationen? , unter: https://tu-dresden.de/aktuelles/news/Downloads/praespeg (letzter Zugriff: 19.10.2015).
[3] Hebel, Christina, Symbolik bei Demos: Warum bei Pegida die Kreuz-Fahne weht, unter: http://www.spiegel.de/politik/deutschland/pegida-warum-in-dresden-die-kreuz-flagge-weht-a-1045600.html (letzter Zugriff: 17.10.2015).
[4] Oertel entschuldigt sich bei Muslimen, unter: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-04/kathrin-oertel-pegida-muslime (letzter Zugriff: 18.10.2015).
[5] Facebook- Eintrag vom 16. September 2014, unter: https://www.facebook.com/photo.php?fbid=956243291108694&set=a.302662959800067.75155.100001690956303&type=3&theater (letzter Zugriff: 19.10.2015).
[6] Zeit.de, Pegida-Anhänger errichten Galgen für Merkel und Gabriel, unter: http://www.zeit.de/gesellschaft/zeitgeschehen/2015-10/dresden-pegida-galgen-attrappe-demonstration (letzter Zugriff: 19.10.2015).
[7] Stern.de, Lutz Bachmann verharmlost Galgen bei Pegida- Demo, unter: http://www.stern.de/politik/pegida-dresden–lutz-bachman-versteht-wirbel-um-galgen-nicht-6498442.html (letzter Zugriff: 18.10.2015).
[8] Wirtschaftsblatt.at, Nach Kölner Messer-Attacke steht Pegida am Pranger, unter: http://wirtschaftsblatt.at/home/nachrichten/europa/4846432/Nach-Kolner-MesserAttacke-steht-Pegida-am-Pranger (letzter Zugriff: 18.10.2015).
[9] Zeit.de, De Maizière warnt vor Pegida, unter: http://www.zeit.de/politik/deutschland/2015-10/pegida-maiziere-innenminister-rechtsextremismus-islamfeindlichkeit (letzter Zugriff: 19.10.2015).