In mehreren Bundesländern beobachtet der Verfassungsschutz islam- und fremdenfeindlichen Gida-Bewegungen. In Sachsen, ihrem Geburtsland, nicht. Doch der Ruf danach wird lauter.
Das sächsische Landesamt für Verfassungsschutz sieht trotz der Radikalisierung der Pegida keinen Anlass für eine Beobachtung der Führungsriege um Lutz Bachmann und Tatjana Festerling. Dafür seien die gesetzlichen Hürden zu hoch, sagte der Sprecher des Amtes, Martin Döring, am Mittwoch der Deutschen Presse-Agentur.
„Denn in der Gesamtschau dominieren noch die entlastenden gegenüber den belastenden Aspekten, die für das Vorliegen tatsächlicher Anhaltspunkte für Bestrebungen gegen Schutzgüter der freiheitlichen und demokratischen Grundordnung sprechen.“ Daran hätten auch Hetzreden bei der Jubiläumskundgebung der Pegida am vergangenen Montag nichts geändert.
Seitens der Opposition forderten Linke und Grüne ein klares Bekenntnis von Regierung und Behörden zum Umgang mit der fremden- und islamfeindlichen Bewegung. Die mitregierende SPD sprach sich für eine Beobachtung der Pegida durch den Verfassungsschutz aus. In der CDU-Landtagsfraktion wurde auf die Zuständigkeit der Behörden verwiesen. Vom Innenministerium war keine Stellungnahme zu erhalten.
Die Frage sei, ob die vom Gesetz vorgegebene Grenze bei Pegida schon überschritten sei, sagte Döring. „Und da muss ich sagen: nein.“ Davon unabhängig sei der Verfassungsschutz aber informiert, was bei Pegida vorgehe. „Das, was wir gegenwärtig natürlich dürfen, ist das aufmerksame Registrieren von Entwicklungen, um dem gesetzlichen Auftrag gerecht zu werden.“
Durch die Rede des deutsch-türkischen Autors und Rechtspopulisten Akif Pirinçci am Montag hätten sich „beschwerende Aspekte“ ergeben. „Wir müssen allerdings diese Ereignisse und Inhalte einordnen in einen Gesamtkontext: Wie geht die Versammlung, wie gehen die Versammlungsleiter damit um? Gibt es ein Gemeinmachen mit diesen Aussagen? Oder gibt es eine Distanzierung?“, sagte Döring und verwies darauf, dass sich Bachmann und viele Pegida-Anhänger von der Rede Abstand genommen hätten.
Pirinçci hatte vor tausenden Pegida-Anhängern gesagt: „Es gäbe natürlich andere Alternativen, aber die KZs sind ja leider derzeit außer Betrieb.“ Er hatte ihn nicht auf Flüchtlinge bezogen. Vielmehr versuchte er damit, deutsche Politiker zu verunglimpfen, die – so seine Wortwahl – „zunehmend als Gauleiter gegen das eigene Volk“ agierten.
„Was Bachmann und Festerling an Hass säen und wie sie gegen schutzsuchende Minderheiten hetzen, ist unerträglich“, sagte der Innenexperte der CDU-Fraktion, Christian Hartmann. Aber es gelte Meinungs- und Versammlungsfreiheit. „Die Beurteilung ob dies gegen unsere verfassungsmäßige Ordnung verstößt, obliegt den Behörden und der Justiz – dafür haben wir Gewaltenteilung.“
„Es ist überfällig, dass die sächsische Regierung diese rassistische Bewegung endlich auch auf den behördlichen Schirm nimmt“, meinte die Extremismus-Expertin der Linken, Kerstin Köditz. „Für mich geht von Pegida sehr klar eine Gefahr für die freiheitlich demokratische Grundordnung aus. Und das keineswegs erst seit diesem Monat.“
Auch in der SPD-Fraktion werde gesehen, „dass zumindest in der Führung der Pegida harte rechtsextreme Meinungen vertreten werden, dass von Teilen der Demonstrationsteilnehmer Gewalt ausgeht – die Hooligan-Angriffe am letzten Montag, zuvor schon die Angriffe auf Journalisten -, es wird zu Hass aufgerufen“, sagte Fraktionsvize Henning Homann. Deshalb erscheine eine Beobachtung sinnvoll.
„Das Landesamt für Verfassungsschutz muss sich grundsätzlich klar werden, ob es Pegida für ein Objekt der Beobachtung hält“, sagte der Grünen-Innenexperte Valentin Lippmann. „Das Argument, dass man rechtsextreme Kreise ohnehin beobachtet, zieht da nicht. Es geht eben auch um ein klares Zeichen an die Bevölkerung.“
In mehreren anderen Bundesländern werden Gida-Bewegungen bereits vom Verfassungsschutz beobachtet. „Natürlich gibt es in anderen Bundesländern Gida-Bewegungen, die stärker beispielsweise an die rechtsextreme NPD oder den III. Weg gebunden sind“, sagte Homann. „Vom inhaltlichen Profil her ist der Unterschied aber nicht so groß, dass er rechtfertigen würde, die Gida-Bewegungen in manchen Bundesländern zu beobachten, aber speziell in Sachsen nicht.“ Außerdem habe die Dresdner Pegida bundesweit Vorbildwirkung. „Ich bin der Meinung, dass wir um eine bundesweite Überwachung nicht umhinkommen.“ (dpa, iQ)