Zwei Studenten twittern regelmäßig von fremdenfeindlichen Aufzügen. Unter rechten Demonstranten sind sie nicht gern gesehen. Manchmal wird es brenzlig. Am Montag erhalten sie in Berlin den Preis für Zivilcourage.
Pegida war für Alexej Hock „wieder mal ganz schrecklich“. Knapp 20 000 islam- und fremdenfeindliche Demonstranten marschieren vor rund zwei Wochen in Dresden auf, Alexej und sein Kumpel Johannes Filous sind mittendrin. Sie beobachten Randalierer, sprechen mit Polizisten und werden von einigen aggressiven Rechtsradikalen getreten. „Es wird immer schlimmer“, sagt Alexej. Was er und sein Freund sehen, verbreiten sie mit ihren Smartphones über Twitter. „Böllerwürfe Nähe Taschenbergpalais“, ist dort etwa zu lesen. Hock und Filous erleben das hautnah mit und versuchen nüchtern zu berichten – einen Auftraggeber haben sie nicht.
Die beiden Studenten sind meistens gemeinsam unterwegs. Ihrem Twitter-Profil „Straßengezwitscher“ hat die Berichterstattung von Pegida & Co. mehr als 7500 Follower beschert. Am Montag werden sie vom Förderkreis für das Berliner Holocaust-Denkmal für ihre ehrenamtliche Arbeit mit dem Preis für Zivilcourage ausgezeichnet. „Das freut uns natürlich sehr“, sagt Alexej Hock.
Erst im März haben sie den Account gegründet und seitdem von zahlreichen Demos in und um Dresden berichtet. Vor kurzem ist Alexej nach Berlin gezogen, seitdem hat Johannes schon mehrmals ohne seine Hilfe berichtet. „Aber er kommt immer mehr in Schwierigkeiten, die Stimmung wird immer aggressiver“, sagt Alexej.
Die beiden Studenten sitzen auf der Terrasse eines Dresdner Restaurants. Ein Gefühl von Ohnmacht sei der Auslöser für ihre Twitter-Idee gewesen, sagt Medizin-Student Johannes. Als Anfang März Hunderte Rassisten und Nazis vor der Semperoper protestieren und Rufe wie „Weg mit dem Dreck“ zu hören sind, stehen Alexej und Johannes fassungslos daneben. „Es war uns sehr wichtig, dass man diesen Moment festhält und darüber berichtet.“ „Straßengezwitscher“ ist geboren.
Die Arbeit hat sie seitdem auch in die ein oder andere brenzlige Situation gebracht. Als sie nach einer rechten Kundgebung in Freital vor einigen Wochen zu ihrem Auto zurückkehren, werden sie bereits erwartet. Fünf Männer stehen vor dem Wagen. Dunkle Kleidung, aggressive Haltung, sagt Johannes. „Da mussten wir flüchten. Wir sind dann mit sechs Polizisten zurückgekehrt, dann sind die Männer gegangen.“
Auf mehreren islam- und fremdenfeindlichen Kundgebungen wurden sie gezielt fotografiert. Andere Organisationen verwiesen auf ihrer Facebook-Seite auf das „Linksgezwitscher“. Zum Beispiel auch die rechte Gruppe „Bürgerwehr Freital“. Auf deren Profilfoto ist folgender Spruch zu lesen: „Im Osten ist es Tradition, da knallt es vor Silvester schon.“
Ihr Projekt finanzieren die beiden zu großen Teilen selbst. Erst nachdem im Sommer der Berliner „Tagesspiegel“ über ihr Twitter-Projekt berichtet, fließen einige Spenden. Was ihnen aber noch fehlt, sind vor allem weitere Unterstützer. Leute, die mit zu den Demonstrationen in Dresden und Umgebung kommen, wenn einer von ihnen mal verhindert ist.
„Meine Diplomarbeit hat unter unserem Twitter-Projekt ganz schön gelitten“, sagt Alexej und grinst. „Ich musste den Abgabetermin immer wieder aufschieben.“ Mittlerweile ist er fertig – und die nächste Idee schon in der Umsetzung. „Wir wollen demnächst auch Live-Bilder von den Veranstaltungen streamen, nicht mehr nur tickern.“ Ein wenig Material dafür haben sie schon. (dpa, iQ)