Der Politologe Asiem El Difraoui ist der Meinung, dass die Radikalisierung der Extremisten keine spirituelle Begründung hat. Eher würde es mit gesellschaftlich-sozialen Kontexten der Betroffenen zusammenhängen.
Nach Einschätzung des Politologen Asiem El Difraoui hat die Radikalisierung von Extremisten wenig mit Religion zu tun. Sie hänge eher mit familiären Traumata zusammen und mit einer „ganz allgemeinen Sinnsuche, mit dem Finden einer neuen Gemeinde“, sagte er der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ (Montag). „Es geht gar nicht darum, Muslim zu werden und in der Spiritualität des Islam auf Sinnsuche zu gehen. Sondern man wird gleich Dschihadist.“
Der Forscher, der französische Regierungsinstitutionen in Fragen der Terrorismus-Prävention berät, kritisierte die geringen Kenntnisse in diesem Bereich. Polizisten seien nicht ausreichend geschult, und „man fängt jetzt erst an mit den Studien“, sagte El Difraoui. Es brauche eine europaweite Debatte darüber, wie man jungen Menschen die europäische Identität vermitteln könne, etwa, „dass man auch seine Religion hier wesentlich besser leben kann als in Saudi-Arabien oder in Ägypten“.
Eine „Kreuzzügler-Rhetorik“ westlicher Länder spiele den Extremisten unterdessen in die Hände, sagte der Experte weiter. Sie wüssten, dass in drei Wochen Regionalwahlen in Frankreich stattfinden. „Und natürlich auch, dass Muslime jetzt stigmatisiert werden.“
Bei einer Anschlagserie am Freitagabend in Paris, zu der sich die islamistische Terrorgruppe „Islamischer Staat“ (IS) bekannte, waren 129 Menschen getötet und über 350 zum Teil schwer verletzt worden.