Ein Pariser Soziologe warnt nach den Anschlägen vor wachsendem Rassismus gegenüber Muslimen und Juden. Die rechtsextremen Parteien würden demnach für die anstehenden Regionalwahlen mehr Stimmen bekommen.
Der Pariser Soziologe Michel Wieviorka hat nach den Terroranschlägen in der französischen Hauptstadt vor zunehmendem Rassismus gewarnt. Schon jetzt sei die Situation für Muslime und Juden in Frankreich unerträglich, sagte Wieviorka im Interview der „Süddeutschen Zeitung“ am Donnerstag. Es sei absehbar, dass vor den anstehenden Regionalwahlen in drei Wochen die „politischen Gräben
aufreißen“ und der rechtsextreme Front National von den Anschlägen profitieren würden. Die innenpolitische Situation werde sich „total verdüstern“, so Wieviorka.
Besonders Muslime, die nach dem Algerienkrieg nach Frankreich gekommen seien, steckten hier fest „wie in einer Falle“. Nach Algerien zurück könnten und wollten viele nicht, in Frankreich werde ihnen die Integration jedoch schwer gemacht. Von den Franzosen erhielten sie „zwei Befehle auf einmal“, die unmöglich beide auszuführen seien, so Wieviorka. „Sie sagen: Sie sind Muslim, Sie leben hier in der Republik, also bitte üben Sie Ihre Religion zu Hause aus und seien Sie ansonsten ein französischer Bürger!“ Gleichzeitig würden Muslime jedoch aufgefordert, sich als solche klar von der Terrormiliz IS abzusetzen. Dies sei ein „durch und durch disqualifizierender, negativer und isolierender Diskurs“.
Ähnlich schwierig sei die Lage auch für Juden in Frankreich. Besonders bei den Jugendlichen in den Pariser Banlieues herrsche Hass auf Juden, sagte Wieviorka. Viele identifizierten sich mit den Palästinensern und seien daher „gegen die israelischen Unterdrücker“. Andere wiederum sähen in Israel den „Inbegriff des dekadenten, imperialistischen Westen“, gegen den sie Krieg führten. Ein Ergebnis
sei, dass allein im vergangenen Jahr 7.000 französische Juden nach Israel ausgewandert seien, da sie um ihr Leben fürchteten. (KNA, iQ)