Die Geburt des Propheten wird in der islamischen Kultur seit einigen Jahrhunderten schon zelebriert. Das Mawlîd-Gedicht des türkischen Dichters Süleyman Çelebi ist eines der bekanntesten Werke zu diesem Anlass. Ein Kommentar von Ahmet Arslan.
In Mawlîd-Gedichten werden oft Themen bezüglich der Geburt des Propheten, sein Aufstieg in das Himmelreich (Mirâdsch) und sein Tod behandelt. Diese religiösen Schriften sind in einer einfachen Sprache verfasst und an den einfachen Menschen gerichtet. In der türkischen Kultur haben Mawlîd-Gedichte eine besondere Bedeutung. Zusätzlich zu den in arabischsprachigen Mawlîd-Gedichten, wurden auch Schriften in persischer, albanischer, kurdischer, bosnischer, tscherkesischer, und tartarischer Sprache, sowie auf Urdu und Swahili verfasst. In der iranischen Literatur wird dieser Textgattung keine gesonderte Beachtung geschenkt.
Die ersten Feierlichkeiten anlässlich der Geburt Muhammads (s) fanden im 10.-11. Jahrhundert, zur Zeit der Fatimiden (910-1171) statt. Teilnehmen konnten ausschließlich der Herrscher und die höhere Gesellschaft des Hofes. Der erste Mawlîd, an dem jeder teilnehmen durfte, fand erstmals 1207 in Erbil, zur Zeit des Seldschuken Atabek Abû Saîd Muzaffaruddîn Gökbörü (1233), statt. Diese Mawlîd-Veranstaltung leitete die darauffolgende Tradition der Festlichkeiten anlässlich der Geburt des Gesandten Gottes ein.
Im Osmanischen Reich fand die erste offizielle Mawlîd-Feier zur Zeit Murâd III., 1588 statt. Auf die Mawlîdsche Textgattung wurde in der türkischen Literatur besonders viel Wert gelegt. Grund hierfür ist der erste türkische Mawlîd-Text „Vesîletü’n-Necât“ aus dem Jahr 1409, verfasst von Süleyman Çelebi, der bei den Menschen besonders viel Anklang fand und schließlich sogar zur Befreiung des Autoren führte. Das Mawlîd-Gedicht des Süleyman Çelebi ist in einer präzisen und eindrucksvollen Sprache verfasst. Dies führte dazu, dass daraufhin auch viele andere Mawlîd-Texte geschrieben wurden, allerdings gelang es niemandem Çelebi das Wasser zu reichen. In der türkischen Literatur sind mehr als 200 Mawlîd-Gedichte und ähnliche Texte zu finden. Die umfassendste Arbeit über die Mawlîd-Tradition stammt von einer der ersten Akademikerinnen der Türkei, Prof. Dr. Necla Pekolcay (1925-2008). Diese Arbeit beinhaltete Mawlîd-Texte von 63 Poeten, die nach alphabetischer sortiert wurden. Es gibt auch zahlreiche andere Mawlîd-Texte, die allerdings in ihrer Arbeit allerdings keine Erwähnung fanden.
Der Antrieb solche Mawlîd-Texte zu verfassen, ist die Hoffnung auf die Fürbitte des „Siegels der Propheten“, Muhammad (s). Nach seinem Tod ein religiöses Werk zu hinterlassen, stets in guter Erinnerung zu bleiben und natprlich die Hoffnung auf das Paradies könnten ebenfalls Beweggründe für das Schreiben eines solchen Werkes sein. Es gibt noch viel mehr nennenswerte Gründe, aber welchen hatte wohl Süleyman Çelebi?
Wie bereits erwähnt, ist der bekannteste Mawlîd-Text, der des Süleyman Çelebi. Quellen berichten, dass dieser Mawlîd-Text folgendermaßen entstand: Während seiner Zeit als Imâm in der türkischen Stadt Bursa interpretierte ein iranischer Prediger in der Moschee den 285. Vers der Sure Bakara. In seiner Ansprache sagte er demnach, dass Gott keinen Unterschied zwischen seinen Gesandten mache und demnach Muhammad (s) und Jesus (a) die gleiche Stellung hätten. Dies missfiel Süleyman Çelebi und als Antwort darauf schrieb er sein Mawlîd-Gedicht.
Der gesamte Inhalt des Mawlîd-Gedichts behandelt die Allmacht Gottes und den vollkommenen Charakter des Propheten Muhammad (s). Ein solcher Text drückt die unvergleichliche Liebe zum Propheten aus. Çelebis Werk zeigt eine besonders deutliche Sehnsucht zum Gesandten Gottes.
Çelebi beginnt sein Werk mit dem Namen Gottes und berichtet, dass alle Propheten von Adam (a) bis Muhammad (s) ein ganz besonderes Licht im Gesicht trugen. Besonders genau beschreibt Çelebi die Geburt des Propheten und geht dabei auf alles ein, was dessen Mutter bei der Geburt hörte, sah und mit welcher Freude seine Geburt erwartet wurde. Danach behandelt er das Prophetentum Muhammads (s) und seine Himmelfahrt (Mirâdsch). Beendet wird sein Mawlîd-Gedicht mit der Beschreibung des Todes des Gesandten Gottes und einem Bittgebet, das er in tiefer Trauer verfasst hat. Er schreibt, dass Muhammad (s) der Grund für das Entstehen aller anderen Wesen ist und allen Propheten übergestellt ist. Dafür lobpreist er Gott.
Çelebis Werk birgt in sich gut überlegte Gedanken und ist harmonisch abgerundet. Süleyman Çelebi hat für vollkommen aufeinander abgestimmte Verse, eine ganz besondere Sorgfalt an den Tag gelegt. Das ist auch der Grund, weshalb selbst die besten Dichter zu ihm aufschauten. Beispielsweise schrieb Ziyâ Pasa, ein bekannter Dichter gegen Ende des Osmanischen Reiches:
„Welch Worte, die den Hörenden sich selbst vergessen lassen. Seit vierhundert Jahren hat niemand ähnliches verfasst.“
Im Mawlîd-Gedicht sind die Passagen, die von Ereignissen und Gedanken handeln, sehr einfach und bescheiden gehalten. In dieser Textgattung stößt man auf alle möglichen Sprachelemente und -formen. Vor allem werden aber Wortspiele, Vergleiche und Wiederholungen verwendet. Die Achtsamkeit der Harmonie jedes einzelnen Verses, lässt das Gesamtwerk erst zu dem werden, was es ist. Der Mawlîd-Text lässt Lyrik und Didaktik in Gedichtform ineinanderfließen. Dadurch erscheint der Text weder trocken, noch überladen von Leidenschaft. Besonders ist auch, dass der Text an sich sehr einfach erscheint, doch Nachahmungsversuche beweisen das Gegenteil.
Das Dasein einer solchen literarischen Gattung ist für viele Muslime eine besondere Art der Erinnerung an den Propheten Muhammad (s).
Sie veranlasst den Muslim erneut über die Sunna des Gesandten Gottes und über seine Stellung im eigenen Leben nachzudenken. Die Wirkung, die die Mawlîd-Tradition selbst noch nach Jahrhunderten immer noch auf viele Gläubige hat, ist auch aus religionssoziologischer und kulturgeschichtlicher Perspektive interessant.