Zeitehe

Die Zeitehe – Relikt oder Realität?

Besonders unter Schiiten ist die sogenannte Zeitehe weit verbreitet. Aber ist sie überhaupt erlaubt und wie wird sie legitimiert? Diese Fragen beantwortet der muslimische Rechtsgelehrte Prof. Dr. Saffet Köse.

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01
2016
Ehe
Symbolfoto: Hochzeitzeremonie © by Leland Francisco auf Flickr (CC BY 2.0), bearbeitet islamiQ

Eine gute Ehe im Sinne von Koran und Sunna basiert auf zwei Dingen: Glück und Dauer. Im Gegensatz dazu scheint in der schiitisch-dschafaritischen Tradition die zeitlich begrenzte Ehe („Zeitehe“ oder „Mut’a-Ehe“ genannt) fast schon den Rang einer Glaubensgrundlage zu haben. Angesichts dieser Wahrnehmung, gepaart mit dem sexuellen Verlangen des Menschen, ist es nicht verwunderlich, dass die Zeitehe bei einigen schiitischen Gruppierungen weit verbreitet ist. Wenn man nun noch die Behauptung hinzunimmt, der Prophet habe die Zeitehe erlaubt, aber Umar (r) habe sie abgeschafft, gewinnt das ganze auch eine anti-sunnitische, ideologische Dimension und führt dazu, dass noch stärker daran festgehalten wird.

Aus Sicht von Koran und Sunna hat die Zeitehe keinen Platz im Islam. Die Argumente, mit denen schiitische Gelehrte sie zu rechtfertigen versuchen, sind haltlos. Ihre Schwäche erkennt man schon daran, dass Schiiten den vielen Einwänden von sunnitischer Seite lediglich den Konsens (Idschma) unter schiitischen Gelehrten entgegenhalten können. Dabei herrscht unter sunnitischen Gelehrten ebenfalls Konsens darüber, dass die Zeitehe nicht zulässig ist. Zudem gibt es zu diesem Thema zahlreiche Überlieferungen in anerkannten Werken, die aber von Schiiten außer Acht gelassen werden. Kurz: Die schiitischen Überlieferungen entbehren jeder Grundlage.

Zeitehe in Koran und Sunna?

Das von den Dschafariten angeführte Hauptargument für die Zeitehe ist der Koranvers: „Und gebt denen, an denen (als Ehefrauen) ihr euch erfreuen wollt, ihr Brautgeld.“ Das Wort „istimtâ“, welches hier mit „erfreuen“ übersetzt wurde, sehen schiitische Exegeten als Beweis für die Zeitehe. Dabei geht es in diesem Vers um die Brautgabe. Diese quasi als Gegenleistung für die Ehe zu betrachten widerspricht dem koranischen Verständnis.

Durch die Ehe wird das Fortbestehen der Nachkommenschaft gesichert. Das sexuelle Verlangen wird in der Ehe zwar befriedigt, dient jedoch einem höheren Zweck. Anders bei der Zeitehe: Hier steht das sexuelle Verlangen und dessen Befriedigung im Vordergrund. Den Dschafariten zufolge ist die Frau in diesem Zusammenhang lediglich etwas Käufliches. Nichts an dieser Praxis entspricht Koran und Sunna.

Genausowenig wie sich die Zeitehe aus dem Koran herleiten lässt, kann sie auf den Propheten zurückgeführt werden. Im Gegenteil, der Gesandte Allahs hat die Zeitehe bis in alle Ewigkeit verboten: „O ihr Menschen! Ich hatte euch die Zeitehe erlaubt. Doch seht, nun hat Allah sie bis zum Tag des Jüngsten Gerichts verboten. Wenn es jemanden gibt, der eine solche Ehe führt, soll er sie sofort beenden. Aber fordert nicht von dem zurück, was ihr (der Frau) gegeben habt.“ (2) Es ist erstaunlich, dass dieser Hadith von Ali (r) überliefert wurde, und der Prophet ausgerechnet ihn damit beauftragte, das Verbot der Zeitehe allen mitzuteilen. Dieser Hadith findet sich in bekannten Werken der Schia, im „al-Madschmû“ des Zayd b. Ali und den bekannten sunnitischen Hadithsammlungen.

Was hat Umar (r) damit zu tun?

Schiiten behaupten, der Kalif Umar (r) habe die bis dahin erlaubte Zeitehe verboten. Das ist nicht richtig. Umar (r) hatte lediglich Personen wie Rabîa b. Umayya, die noch nicht von dem Verbot der Zeitehe gehört hatten, darüber in Kenntnis gesetzt. (3)

Außerdem stellt sich folgende Frage: Wenn Umar (r) die Zeitehe unrechtmäßig abgeschafft hat, wieso führte Ali (r) sie als Kalif nicht wieder ein? Mehr noch: Ali (r) hat Abdullah b. Abbas (r) widersprochen, von dem behauptet wird, er habe die Zeitehe erlaubt. Es gibt zuverlässige Überlieferungen darüber, dass Ali (r) Abdullah b. Abbas (r) das Verbot der Zeitehe mitgeteilt (4), ihn mit den Worten „Was bist du doch für ein fehlgeleiteter Mann“ deutlich kritisiert (5) und ihn schließlich von seiner Meinung abgebracht habe. (6)

Moralisch verwerflich

Der im irakischen Nadschaf ausgebildete schiitisch-dschafaritische Gelehrte Musa Musawi fasst das Thema wie folgt zusammen: „Leider haben sich einige schiitische Gelehrte der Aufgabe verschrieben, die Zeitehe zu verteidigen, sie haben eigens Werke dazu verfasst. Es wird nicht schwer sein, das wahre Gesicht dieser unrechtmäßigen Neuerung (Bid’a) zu enthüllen. Doch zuerst möchte ich auf die unhaltbaren Argumente hinweisen, damit die Schia die Ernsthaftigkeit und das Ausmaß dieses Desasters erkennt (…).

Die Behauptung, der Kalif Umar habe die Zeitehe verboten, wird dadurch obsolet, dass Hz. Ali (r), nachdem er Kalif wurde, der Zeitehe nicht wieder zur Umsetzung verhalf. Die Worte und Taten Hz. Alis (r) sind Beweise für uns. Wieso wollen unsere Rechtsgelehrten nicht einsehen, dass er als Kalif, wo er Ge- und Verbote leicht aussprechen konnte, eine solche Umsetzung (der Zeitehe) nicht erlaubte? Dies ist ein klarer Beweis dafür, dass die Zeitehe zur Zeit des Propheten verboten wurde.

Der Mensch wurde mit Würde erschaffen (7), und der Prophet wurde entsandt, um den Charakter zu vervollkommnen. Wie kann angesichts dieser Tatsache ein solches Verständnis noch verteidigt werden, wo doch nicht einmal die Herrscher in den Palästen sich getraut haben, so etwas zu tun? Wie kann diese Praxis, bei der die Frau erniedrigt und zur Ware degradiert wird und vom Mann nach Belieben benutzt wird, mit der Religion in Einklang gebracht werden? Unsere Rechtsgelehrten scheinen zu glauben, die Zeitehe sei eine Bestimmung Allahs, um zu verhindern, dass die Männer Unzucht begehen. Doch sie scheinen zu vergessen, dass der Islam nicht nur für die Männer da ist. Sind denn die göttlichen Religionen dazu da, um das sexuelle Verlangen der Männer unter dem Deckmantel der scheinbaren Rechtmäßigkeit zu befriedigen? Der Islam hat die Menschen aus der Zeit der Unwissenheit befreit und ihnen zu einem tugendhaften Leben verholfen. Er hat die Ehe auf vier Frauen beschränkt, und auch dies nur unter strengen Voraussetzungen erlaubt. Die Scheidung wird im Islam nicht gerne gesehen. Wie kann eine Religion, die in Sachen Ehe und Scheidung so ernsthaft ist, eine derart freizügige Praxis erlauben?“

Wir möchten den Beitrag mit einem Zitat des bekannten muslimischen Rechtsgelehrten Hayrettin Karaman abschließen: „Letztenendes vertreten die sunnitischen Rechtschulen einhellig die Meinung, dass die Zeitehe nicht erlaubt ist. Die anfängliche Erlaubnis wurde später für alle Zeiten aufgehoben, sie wurde abrogiert. Ein Mufti dieser Rechtschulen kann die Zeitehe, egal unter welchen Umständen, nicht erlauben.“ (8)

 

(1) Sure Nisâ, 4:24.

(2) Ibn Abî Schayba, IX, 299; Muslim, Nikâh, 21; Ibn Mâdscha, Nikâh, 44; Dârimî, Nikâh, 16; Ahmad b. Hanbal, al-Musnad, III, 406; Sahîhu ibn Hibbân bi-tartîbi ibn Balabân, IX, 455; Abû Awâna, al-Musnad, Beirut, ohne Datum. (Dâr al-Ma‘rifa), III, 30; Bayhakî, VII, 330-331.

(3) Mâlik, al-Muwatta, Nikâh, 42; Muttakî al-Hindî, Kanz al-Ummâl, XVI, 520, Nr. 45717.

(4) Buhârî, Nikâh, 31; Muslim, Nikâh, 32; Tirmizî, Nikâh, 28; Nasâî, Nikâh, 71, Sayd, 31.

(5) Muslim, Nikâh, 29; Nasâî, Nikâh, 71.

(6) Ibn Taymiyya, Minhâdsch as-Sunna, IV, 190.

(7) Sure Isrâ, 17:70.

(1) Karaman, Hayrettin, Web: http://www.hayrettinkaraman.net/kitap/meseleler/0777.htm (14.12.2015)

 

Leserkommentare

Kianoush sagt:
Salam lieber Geschwister im Islam Alle Muslimen sind einig darüber, dass Muta Ehe zur Zeit des Propheten s erlaubt war, weiterhin sind alle einig dass die Zeit Ehe durch den Vers 4-24 erlaubt wurde. Allah T sagt in Sure 2 Vers 106 :: Wenn wir einen Vers (aus dem Wortlaut der Offenbarung) tilgen oder in Vergessenheit geraten lassen, bringen wir (dafür) einen besseren oder einen, der ihm gleich ist. Weißt du denn nicht, daß Allah zu allem die Macht hat? Wer jetzt behauptet dass der Vers 4-24 abrogiert wurde, muss imstande sein, einen Vers nennen zu können der diesen 4-24 abrogiert hat. Viele Koran Interpretationen haben sogar bestätigt, dass dieser Vers nicht abrogiert wurde, dann somit laut dem Koran ist die Zeit Ehe weiterhin erlaubt.
23.08.21
19:24
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