Flüchtlinge in Deutschland

Kretschmann: Angst vor Islamisierung ist unbegründet

Die wachsende Zahl von Flüchtlingen macht manchen Menschen Angst. Baden-Württembergs Regierungschef Kretschmann kann Befürchtungen vor einer Islamisierung Deutschlands nicht verstehen

04
01
2016
Winfried Kretschmann
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann © by BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN auf Flickr (CC BY- 2.0), bearbeitet islamiQ

Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kann Ängste vor einer angeblichen Islamisierung Deutschlands nicht nachvollziehen. „Wenn man sich die Fakten anschaut, ist diese Angst unbegründet“, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. „Wir haben eine stabile Demokratie und eine freie Gesellschaft“, betonte er. „Staat und Religion sind getrennt. Wie sollten Muslime, die eine Minderheit darstellen, unsere Gesellschaft islamisieren?“

Die Muslime hierzulande seien froh, in einer guten Verfassungsordnung zu leben. „Flüchtlinge kommen zum Teil aus Diktaturen, aus patriarchalen und paternalistischen Gesellschaften. Das ist ein Problem. Aber nicht die Religion“, meinte Kretschmann.

Woher kommen dann solche Ängste? „Vor dem Fremden, das man nicht kennt, hat man eben Angst“, sagte der Grünen-Politiker. „Und leider haben es fundamentalistische Strömungen geschafft, dass öffentliche Bild des Islams zu dominieren und zu verzerren.“

Deshalb sei es wichtig, zum Beispiel flächendeckend einen islamischen Religionsunterricht einzuführen und Imame sowie Religionslehrer an den hiesigen Universitäten auf deutschem Niveau auszubilden. „In der Demokratie hat man die Chance, dass man Vorurteile aufhellen kann“, sagte Kretschmann.

Kretschmann rechnet nach eigenen Angaben damit, dass die Flüchtlingskrise sich im neuen Jahr entspannt: „Ich gehe davon aus, dass die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, Wirkung zeigen.“ In den Landeserstaufnahmeeinrichtungen im Südwesten seien massiv neue Kapazitäten geschaffen worden. „Mit dem Registrierzentrum in Heidelberg bringen wir Ordnung und Geschwindigkeit in die Verfahren.“

Wichtig sei aber auch, dass die Menschen sich erst gar nicht auf den gefährlichen Weg nach Deutschland machten. „Ich war erschüttert, dass die Gelder für Ausstattung der Flüchtlingslager in Jordanien oder dem Libanon gekürzt wurden und eine ordentliche Versorgung der Flüchtlinge gar nicht mehr möglich war“, sagte Kretschmann. Doch nun scheine die internationale Staatengemeinschaft endlich zu handeln.

Kretschmann bekräftigte, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bemühen um eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise zu unterstützen. „Wir müssen mit aller Kraft für eine europäische Solidarität kämpfen.“ Eine Alternative wäre die Abschottung der eigenen Grenzen, der Rückfall in die Nationalstaaterei. „Das aber wäre eine epochale Katastrophe. 28 europäische Nationalstaaten können in einer globalisierten Welt mit starken Wirtschaftsmächten wie China und den USA nicht bestehen“, mahnte Kretschmann. „Zudem wäre jeder Nationalstaat alleine mit der Flüchtlingsfrage überfordert.“ (dpa, iQ)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Herr Kretschmann behauptet "Staat und Religion sind getrennt" fordert aber im nächstem Atemzug eine Ausweitung des - staatlich finanzierten - konfessionellen Religionsunterricht auf die islamische Glaubensgemeinschaft. Vorbild wäre daher schon eher Berlin, wo nach einer Volkabstimmung eine religionsübergreifender Ethikunterricht als Pflichtfach in den öffentlichen Schulen stattfindet, bei dem die Kinder nicht nach dem religiösen Tradition ihrer Familien ausgesiebt werden. Sowohl das Christentum als auch der Islam sind patriachalisch orientierte Religionen. Herr Kretschmann macht es sich etwas zu einfach, wenn er verkündet, diesbezüglich sei die Religion "nicht das Problem. Das Rezept gegen Islamhetze kann sicher nicht die kritiklose Heiligsprechung von Religionen sein, wie sie Herr Kretschmann betreibt. Das ist Wasser auf die Mühlen von AfD und Co, denen dadurch das Monopol zuteil wird, religiöse Missstände auszuzeigen. Dem einfachen Anbiedern vorzuziehen wäre ein durchaus konfrontativer aber sachlicher Dialog, den es mit den christlichen Kirchen z.B. in der Abtreibungsdebatte gab, welchen aber Herr Kretschmann in diesem Interview nicht leistet.
05.01.16
9:35