Die wachsende Zahl von Flüchtlingen macht manchen Menschen Angst. Baden-Württembergs Regierungschef Kretschmann kann Befürchtungen vor einer Islamisierung Deutschlands nicht verstehen
Baden-Württembergs Ministerpräsident Winfried Kretschmann (Grüne) kann Ängste vor einer angeblichen Islamisierung Deutschlands nicht nachvollziehen. „Wenn man sich die Fakten anschaut, ist diese Angst unbegründet“, sagte der Grünen-Politiker der Deutschen Presse-Agentur in Stuttgart. „Wir haben eine stabile Demokratie und eine freie Gesellschaft“, betonte er. „Staat und Religion sind getrennt. Wie sollten Muslime, die eine Minderheit darstellen, unsere Gesellschaft islamisieren?“
Die Muslime hierzulande seien froh, in einer guten Verfassungsordnung zu leben. „Flüchtlinge kommen zum Teil aus Diktaturen, aus patriarchalen und paternalistischen Gesellschaften. Das ist ein Problem. Aber nicht die Religion“, meinte Kretschmann.
Woher kommen dann solche Ängste? „Vor dem Fremden, das man nicht kennt, hat man eben Angst“, sagte der Grünen-Politiker. „Und leider haben es fundamentalistische Strömungen geschafft, dass öffentliche Bild des Islams zu dominieren und zu verzerren.“
Deshalb sei es wichtig, zum Beispiel flächendeckend einen islamischen Religionsunterricht einzuführen und Imame sowie Religionslehrer an den hiesigen Universitäten auf deutschem Niveau auszubilden. „In der Demokratie hat man die Chance, dass man Vorurteile aufhellen kann“, sagte Kretschmann.
Kretschmann rechnet nach eigenen Angaben damit, dass die Flüchtlingskrise sich im neuen Jahr entspannt: „Ich gehe davon aus, dass die Maßnahmen, die wir ergriffen haben, Wirkung zeigen.“ In den Landeserstaufnahmeeinrichtungen im Südwesten seien massiv neue Kapazitäten geschaffen worden. „Mit dem Registrierzentrum in Heidelberg bringen wir Ordnung und Geschwindigkeit in die Verfahren.“
Wichtig sei aber auch, dass die Menschen sich erst gar nicht auf den gefährlichen Weg nach Deutschland machten. „Ich war erschüttert, dass die Gelder für Ausstattung der Flüchtlingslager in Jordanien oder dem Libanon gekürzt wurden und eine ordentliche Versorgung der Flüchtlinge gar nicht mehr möglich war“, sagte Kretschmann. Doch nun scheine die internationale Staatengemeinschaft endlich zu handeln.
Kretschmann bekräftigte, Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) im Bemühen um eine europäische Lösung der Flüchtlingskrise zu unterstützen. „Wir müssen mit aller Kraft für eine europäische Solidarität kämpfen.“ Eine Alternative wäre die Abschottung der eigenen Grenzen, der Rückfall in die Nationalstaaterei. „Das aber wäre eine epochale Katastrophe. 28 europäische Nationalstaaten können in einer globalisierten Welt mit starken Wirtschaftsmächten wie China und den USA nicht bestehen“, mahnte Kretschmann. „Zudem wäre jeder Nationalstaat alleine mit der Flüchtlingsfrage überfordert.“ (dpa, iQ)