Der Historiker Emmanuel Todd zieht ein Jahr nach dem Attentat auf das französische Satire-Magazin Charlie Hebdo negative Bilanz für Frankreich. Er wirft der französischen Regierung vor, seit einem Jahr ein permanentes Terror-Drama zu inszenieren.
Der französische Historiker Emmanuel Todd zieht ein Jahr nach dem Attentat auf das französische Satire-Magazin Charlie Hebdo eine für sein Land vernichtende Bilanz. Der Bestseller-Autor wirft seiner Regierung vor, seit einem Jahr ein permanentes Terror-Drama zu inszenieren, aber die eigentlichen Probleme Frankreichs nicht anzupacken. „Die Wirtschaft fault, die Gesellschaft fault, alles fault“, sagte Todd der Wochenzeitung „Die Zeit“.
Umso größer sei die Gefahr, dass sich die Mehrheit der Franzosen in falsche Illusionen stürze: «Frankreichs Hauptwahrheit liegt darin, dass seine Mittelklasse-Mehrheit christlichen Ursprungs, die mitten in der Glaubenskrise steckt, sich auf den Islam als Sündenbock fixiert hat», analysierte er und fügte hinzu: „Wobei der Anstieg der Islamophobie den Attentaten vorausgegangen ist. Sie haben ihn nur beschleunigt.“ Todd forderte die Deutschen auf, sich kritisch zu der französischen Reaktion auf die Pariser Attentate zu äußern.
„Ihr glaubt immer noch, es mit einem liberalen, egalitären, universalistischen Frankreich zu tun zu haben“, so der Historiker. Todds neues Buch „Wer ist Charlie“ hat in Frankreich erboste Reaktionen ausgelöst. Premierminister Manuel Valls warf dem Historiker in einem vielbeachteten Artikel in „Le Monde“ Zynismus und fehlenden Glauben an Frankreich vor. (KNA, iQ)