Der Strom der Flüchtlinge stellt für viele eine Herausforderung dar. Hilfe wird überall gebraucht. Doch wo und wie genau? Die muslimische Juristin Nahla Osman betont die Notwendigkeit der Hilfe und liefert einen Überblick.
Die meisten Flüchtlinge, die zurzeit nach Deutschland kommen, sind Muslime – und sie brauchen Hilfe. Wie können wir Muslime, aber auch der Rest von Deutschland effektiv und direkt helfen?
Vorab ein demographischer Querschnitt der Geflüchteten: Rund ein Drittel aller Flüchtlinge stammen aus Syrien. Die Hälfte der Syrischen Bevölkerung ist mittlerweile auf der Flucht. Die Bevölkerung wird seit fast fünf Jahren systematisch ausgelöscht. Sie wird aus der Luft bombardiert, durch Heckenschützen, TNT-Fässer, Giftgas und nun auch wie bekannt geworden ist – durch Aushungern getötet. Die Menschen, die hier ankommen, flohen aufgrund lebensbedrohlicher Gegebenheiten und meist aufgrund psychischer Plagen. Man muss auch zwischen Geflüchteten, die legal und illegal eingereist sind, unterscheiden.
Legal konnten Syrer und Iraker durch das Bundesaufnahmeprogramm und danach durch das Länderaufnahmeprogramm der Bundesländer nach Deutschland einreisen. Hier können wir in den Bundesländern, in denen das Landesaufnahmeprogramm noch läuft, beispielsweise in Berlin, syrischen Antragstellern aus Berlin durch eine Verpflichtungserklärung helfen, ihre Verwandten ersten und zweiten Grades nach Deutschland zu holen, wenn wir finanziell dazu in der Lage sind.
Natürlich hat man dann auch längerfristige Verpflichtungen, aber nur so können z. B. ältere Leute, die nicht auf dem Landweg oder über das Meer nach Deutschland fliehen können, legal mit einem Visum zu ihren Kindern nach Deutschland kommen (s. hier). Die Krankenversicherung wird von den jeweiligen Bundesländern übernommen.
Die Menschen, die illegal nach Deutschland einreisen, müssen zunächst Asyl beantragen. Dies können sie bundesweit in den sogenannten Erstaufnahmestellen des Bundesamtes für Migration und Flüchtlinge tun.
Danach werden sie über den sogenannten Schlüssel bundesweit verteilt. Sodann müssen sie einen Gesundheitscheck durchlaufen und auf ihren Termin zur Antragstellung bei dem Bundesamt für Migration und Flüchtlinge warten. Hier durchlaufen sie dann auch die sogenannte Anhörung. Meist erfolgt der letzte Transfer in die Kommune oder den Kreis bereits vor dem Termin. Wenn der Termin und die Anhörung stattgefunden haben, warten die Geflüchteten nur noch auf ihren Bescheid. Sobald sie dann im besten Fall die Flüchtlingseigenschaft erhalten haben, können sie ihren Aufenthalt nach § 25 Absatz 2 AufenthG bei der zuständigen Ausländerbehörde beantragen und den Familiennachzug innerhalb von drei Monaten bei den Deutschen Auslandsvertretungen beginnen. Meist sind die Familien noch in der Türkei, im Libanon oder in Jordanien. Auch hier kann den Menschen bem Ausfüllen ihrer Anträge etc. geholfen werden (Näheres dazu hier).
Generell kann man die Hilfe, die wir leisten können, in drei große Gebiete aufteilen: Bildung, Arbeit- und Wohnungsmarkt. Hilfe für die Geflüchteten kann bereits während des Beginns des Asylverfahrens erfolgen: Sobald die Geflüchteten in der Erstaufnahmestelle sind, könnte dem zuständigen Regierungspräsidium ein Antrag auf Verteilung in die Kommune XY vorgelegt werden. Die Kreise und Kommunen sind über jede angebotene Mietmöglichkeiten erfreut.
Die islamischen Religionsgemeinschaften können hier den Geflüchteten, vor allem Frauen und Kindern aus den „Turnhallen“ und Sammelunterkünften heraushelfen. Die Mieten werden bezahlt und gesichert. Es gibt auch zahlreiche Hilfen im Internet, auf die man zurückgreifen kann. Dabei sollte man die Bereitwilligkeit und den Wunsch der Flüchtlinge zu arbeiten nicht unterschätzen.
Nunmehr dürfen diese nämlich bereits nach drei Monaten Aufenthalt in Deutschland, also noch vor Erhalt der Flüchtlingseigenschaft arbeiten: Viele unserer Mitbürger und Mitbürgerinnen haben Unternehmen, Firmen etc. und können Flüchtlinge einstellen. Auch größere Unternehmen wie Ernst&Young bieten Flüchtlingen bezahlte Praktika an, um ihnen den Einstieg in die hiesige Gesellschaft zu vereinfachen. Die erste Online-Jobbörse für Flüchtlinge in Deutschland ist im Juli 2015 gestartet.
Unter www.workeer.de können deutsche Arbeitgeber Jobs anbieten und Flüchtlingen ihrer Qualifikation nach, geeignete Arbeit suchen und finden. Das Konzept dieser Jobbörse haben die Kommunikationsdesigner Philipp Kühn (25) und David Jacob (24) am Montag als Bachelorarbeit an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Berlin eingereicht. Knapp 900 Menschen haben sich bisher für einen Bundesfreiwilligendienst in der Flüchtlingshilfe verpflichtet. Darunter sind 143 Asylberechtigte und Asylbewerber, die aller Voraussicht nach im Land bleiben dürfen.
Wichtig ist die Einbringung und die Präsens der Muslime in bisherige Strukturen, wie z. B. in das Niedersächsische Aktionsbündnis für Flüchtlinge. Das Bündnis will Kräfte bündeln, um Flüchtlinge unter anderem in Bildung, Arbeit und den Wohnungsmarkt einzugliedern. Dreimal im Jahr sollen künftig Integrationskonferenzen stattfinden, bei denen die Teilnehmer aktuelle Probleme besprechen und Lösungen für die Politik erarbeiten wollen. Die erste Konferenz ist für den 16. März vorgesehen. Geplant sind auch Regionalkonferenzen. Das Land stellt für die Arbeit des Bündnisses 2016 eine Million Euro zur Verfügung. Hier müssen wir Muslime aktiv mitarbeiten, teilnehmen und helfen.
Nicht zu vergessen ist natürlich die größte Hilfe: Das Erlernen der deutschen Sprache, der Schlüssel zur Gesellschaft. Es gibt von vielen Freiwilligen und Vereinen bereits Initiativen, den Geflüchteten kostenlos Deutschunterricht anzubieten, so zum Beispiel das Modell „Teachers on the road“ an der TU Darmstadt. Die Deutschkurse in den Volkshochschulen sind meist überlaufen und die Menschen müssen mit bis zu 7 Monaten Wartezeit rechnen. Auch die Unterstützung zur Erlangung eines Studienplatzes ist sehr wichtig und verhilft jungen Menschen zu neuen Perspektiven und Hoffnungen. Der Weg zum Jobcenter oder das zuständige Sozialamt ist ebenfalls von großer Notwendigkeit, denn meist sprechen die Geflüchteten noch kein Deutsch und schaffen es nicht, die Anträge selbst auszufüllen.
Die Geflüchteten freuen sich zudem, auf ein offenes Ohr zu stoßen. Sie möchten sich mitteilen, ihre traurigen Geschichten erzählen und weinen. Es tut ihnen gut, wenn man sie regelmäßig besucht, ihnen Gesellschaft leistet und zeigt, dass man sie willkommen heißt und sie nicht vergessen hat. Es gibt Fortbildungsseminare für Flüchtlingsbegleitungen, an diesen sollten wir in unseren Städten unbedingt teilnehmen.
Unbegleitete Jugendliche können zu Hause aufgenommen werden. Die Jugendämter suchen händeringend nach Pflegefamilien. Die Jugendlichen fliehen nach Deutschland, um Asyl in Deutschland zu erhalten und dann ihre Eltern aus dem Kriegsgebiet im Rahmen des Familiennachzugs zu sich zu holen. Wenn man also in der Lage ist, die jungen Flüchtlinge für einige Monate bei sich aufzunehmen, wäre dies, gerade auch aufgrund der gewohnten muslimischen Erziehung eine große Hilfe für die Jugendlichen. Auch islamische Zentren könnten für die Jugendlichen Pensionen einrichten und Betreuer mit Jugendlichen aufnehmen. Die Kosten für Unterkunft, Verpflegung etc. werden komplett vom Staat übernommen.