„Islamischer Feminismus“, ein sensibles und junges Forschungsfeld. Dunya Adıgüzel besuchte die Berliner Veranstaltung, die sich dieser Thematik annahm und schreibt über Inhalte und offene Fragen.
In Kooperation des Aktionsbündnis muslimischer Frauen und der Friedrich-Ebert-Stiftung fand am 3. Februar eine Veranstaltung zum Thema „Islamischer Feminismus“ statt. In Vorträgen und Diskussionsrunden wurde über die Bedeutung eines „islamischen Feminismus“ gesprochen. Was ist überhaupt ein „islamischer Feminismus“, und sind diese Begriffe zusammen kein Widerspruch? Die amerikanische Feministin Anse Tamara Gray prangerte an, dass zum einen Muslime den Feminismus muslimischer Frauen als Verrat an der muslimischen Community kritisieren und das auf der anderen Seite Mainstream-Feministinnen den muslimischen Feministinnen den Feminismus als solchen absprechen. Denn nach dieser Argumentation könne jemand, der das Kopftuch – als Zeichen der Unterdrückung per se – trägt und hoch hält, keine Feministin sein.
Gerade beim Thema Kopftuch wurde in Bezug auf das Recht am eigenen Körper diskutiert. Aus dem französischen Kontext berichtete die Feministin Malika Hamidi, wie sie 2004 mit anderen Feministinnen aus ganz unterschiedlichen Kontexten zusammenkam, um gemeinsam gegen das Kopftuchverbot vorzugehen. Dabei ging es den lesbischen, europäischen oder queer Feministinnen nicht darum, das Kopftuch zu verteidigen. Nur sollte eine Frau nicht das Selbstbestimmungsrecht über ihren Körper verlieren. Denn wie das Recht besteht, sich ausziehen zu dürfen, muss auch das Recht bestehen, sich zu bedecken. Es herrschte weitgehend Konsens, dass der Austausch unter Feministinnen und das Schließen von Allianzen sehr wichtig sei. Letztendlich würden alle Frauen unter ungleichen Gehältern, häuslicher Gewalt oder sexueller Belästigung leiden. Hier ist es wichtig, zusammenzukommen und sich darüber auszutauschen, um dann gemeinsame Strategien zu entwickeln.
Als besonderes Hindernis solcher Allianzen und der Thematisierung von Feminismus in muslimischen Communities wurde die Instrumentalisierung der feministischen Kritik durch antimuslimische und rechte Gruppierungen und Akteure bezeichnet. Dadurch würde der Machtdiskurs zwischen Minderheit und Mehrheit auf sehr negative Weise für die muslimischen Communities als Minderheit in Europa beeinflusst. Dabei identifiziert sich die Mehrheit als Art Befreier der Frau, der durch Frauenbewegung und Gleichberechtigung schon eine Gleichstellung erwirkt hat. Alle negativen Aspekte der Unterdrückung der Frau werden der Minderheit der muslimischen Community zugeschoben, die sich ständig rechtfertigen und distanzieren soll. Um in diesem Teufelskreis nicht mitzuspielen, wurden „sichere Orte“ gefordert, um frei sprechen zu können. Dass es in muslimischen Communities Probleme in puncto Gleichberechtigung von Frauen und deren Selbstbestimmungsrecht gebe, müsse ansprechbar sein, damit es verändert werden kann. Das sei aber keine theologische Debatte um den Islam, sondern eine Debatte um Kulturen und gesellschaftliche Praxis. Insofern war die Veranstaltung ein wichtiger Beitrag, um viele unterschiedliche Akteure zusammenzubringen und den Austausch zu fördern.
Ein Fragezeichen bleibt allerdings stehen: Was bedeutet es, wenn sich eine SPD-nahe Stiftung dem Thema „Islamischer Feminismus“ annimmt und sich darum bemüht, durch Veranstaltungen diesen Diskurs mitzuprägen? Denn wer Veranstalter ist, der benennt auch die Referenten. In diesem Sinne war auffällig, dass unter den geladenen Gästen keine Vertreterin muslimischer Moscheegemeinden anwesend war. Gleichzeitig müssen wir Muslime aber auch kritisch hinterfragen, ob muslimische Frauen in den Vorständen der Moscheegemeinden sich dieser Thematik überhaupt bewusst sind. Schließlich ist es hier wie mit vielen anderen Themen: Wenn wir nicht anfangen, Agenda-setting zu betreiben, dann werden es andere tun. Das Fazit der Veranstaltung ist insgesamt positiv. Dieser Diskurs ist in Deutschland überfällig und sollte in Zukunft weitergeführt werden – jedoch mit allen betroffenen Frauen.