Ein pauschales Kopftuchverbot vor Gericht in Bosnien-Herzegowina, löste einen hitzigen Kopftuchstreit im Land aus. Muslimische Frauen protestierten am Sonntag gegen das Verbot und prangerten es als Menschenrechtsverletzung an.
Am 20. Januar 2016 hatte das Verfassungsgericht in Bosnien-Herzegowina ein Urteil erlassen, wonach das Tragen religiöser Symbole vor Gericht verboten sei. Davon sind insbesondere muslimische Frauen betroffen, die künftig nicht mehr mit einem Kopftuch vor Gericht, sei als Angeklagte, Zeugen, Anwälte oder auch Richter erscheinen dürfen.
Das Urteil löste nun eine hitzige Debatte über das Verhältnis von Religion und Gesellschaft in Bosnien aus. Die islamische Gemeinschaft in Bosnien kritisierte das Verbot als „Ungerechtigkeit und rassistische Diskriminierung“.
Muslimische Frauen mobilisierten sich am Sonntag in der Hauptstadt Sarajevo und protestierten gegen das Kopftuchverbot. Unter dem Motto „Hidzab, meine Wahl, mein Leben“, nahmen mehr als 2000 muslimische Frauen an dem Protestzug teil, und demonstrierten ihren Unmut über das Gesetz.
Die Initiatorin des Protestzuges Dzevada Susko, Direktorin des Instituts für bosniakische Tradition, geht soweit das Urteil als Menschenrechtsverletzung zu bezeichnen. Muslimische Frauen werden schließlich durch dieses Verbot in ihrem Recht auf Selbstbestimmung und Religionsfreiheit eingeschränkt. so die Organisatorin. Außerdem sei die Säkularisierung des Staates in Bosnien ein Relikt aus der Zeit des sozialistischen Systems nach 1945, in dem Religionen grundsätzlich aus der Öffentlichkeit verbannt und unterdrückt wurden. Solche Prinzipien seien mit dem heutigen Bosnien nicht mehr vereinbar, kritisieren die muslimischen Frauen.
Rusica Jukic, Richterin beim obersten Gericht begründete in einem Interview das Urteil damit, dass vor Gericht alle Anwesenden deutlich erkennbar sein müssten, was durch das Tragen eines Kopftuches oder gar einer Ganzkörperverschleierung nicht gewährleistet sei. Weitere Befürworter des Urteils in diesem Kopftuchstreit lehnen das Kopftuch als Import aus den arabischen Ländern und als Symbol einer arabischen Islamisierung Bosniens ab.