Protest

Kopftuchstreit in Bosnien

Ein pauschales Kopftuchverbot vor Gericht in Bosnien-Herzegowina, löste einen hitzigen Kopftuchstreit im Land aus. Muslimische Frauen protestierten am Sonntag gegen das Verbot und prangerten es als Menschenrechtsverletzung an.

09
02
2016
Kopftuch Muslima Pride
Symbolbild: Junge Frauen mit Kopftuch halten Plakate hoch und demonstrieren für ihr Recht selbst zu bestimmen wie sie sich für Frauen einsetzen
© MuslimaPride

Am 20. Januar 2016 hatte das Verfassungsgericht in Bosnien-Herzegowina ein Urteil erlassen, wonach das Tragen religiöser Symbole vor Gericht verboten sei. Davon sind insbesondere muslimische Frauen betroffen, die künftig nicht mehr mit einem Kopftuch vor Gericht, sei als Angeklagte, Zeugen, Anwälte oder auch Richter erscheinen dürfen.

Das Urteil löste nun eine hitzige Debatte über das Verhältnis von Religion und Gesellschaft in Bosnien aus. Die islamische Gemeinschaft in Bosnien kritisierte das Verbot als „Ungerechtigkeit und rassistische Diskriminierung“.

Muslimische Frauen mobilisierten sich am Sonntag in der Hauptstadt Sarajevo und protestierten gegen das Kopftuchverbot. Unter dem Motto „Hidzab, meine Wahl, mein Leben“, nahmen mehr als 2000 muslimische Frauen an dem Protestzug teil, und demonstrierten ihren Unmut über das Gesetz.

Die Initiatorin des Protestzuges Dzevada Susko, Direktorin des Instituts für bosniakische Tradition, geht soweit das Urteil als Menschenrechtsverletzung zu bezeichnen. Muslimische Frauen werden schließlich durch dieses Verbot in ihrem Recht auf Selbstbestimmung und Religionsfreiheit eingeschränkt. so die Organisatorin. Außerdem sei die Säkularisierung des Staates in Bosnien ein Relikt aus der Zeit des sozialistischen Systems nach 1945, in dem Religionen grundsätzlich aus der Öffentlichkeit verbannt und unterdrückt wurden. Solche Prinzipien seien mit dem heutigen Bosnien nicht mehr vereinbar, kritisieren die muslimischen Frauen.

Rusica Jukic, Richterin beim obersten Gericht begründete in einem Interview das Urteil damit, dass vor Gericht alle Anwesenden deutlich erkennbar sein müssten, was durch das Tragen eines Kopftuches oder gar einer Ganzkörperverschleierung nicht gewährleistet sei. Weitere Befürworter des Urteils in diesem Kopftuchstreit lehnen das Kopftuch als Import aus den arabischen Ländern und als Symbol einer arabischen Islamisierung Bosniens ab.

Leserkommentare

SoWas sagt:
... und es wiederholt sich auf ein Neues, zwischenzeitlich in ganz Europa ... Das Tragen religiöser Symbole vor Gericht wurde verboten. Nicht mehr aber auch nicht weniger. Ich kenne die Gerichtsbarkeit in Bosnien-Herzegowina nicht, aber vielleicht wäre es an der Zeit, dass die Hardliner unter den Muslimen hier mal anfangen zu differenzieren, oder? Nur vor Gericht!!! Dies passt aber nicht in ihr Bild, nein, sofort wird von Menschenrechtsverletzung gesprochen und demonstriert. Wie mir dieses ständige Beleidigtsein auf den "Senkel" geht... Ob Frau Susko bereit wäre, mit mir zusammen ein Kruzifik durch Riad zu tragen? Ich vermute mal nicht.
11.02.16
10:44
Manuel (der andere, ich bin der mit dem Mittelalter) sagt:
@Ute Diri-Dost. Ja stimmt alles, wir leben aber hier und jetzt und jetzt ist es genau umgekehrt, der Islam des Mittelalters WAR, fortschrittlicher als der Westen. Die Islamische Welt macht derzeit einen unglaublichen Rückschritt und ich sehe nicht ein, wieso ich diesen Rückschritt tolerieren soll.
11.02.16
12:01
Enail sagt:
Auch ich kann diesem Urteil nur zustimmen. Wie sagte Kienzle gestern bei Lanz. Er hat sich in den 60iger Jahren sehr viel im Nahen Osten aufgehalten. Damals waren diese Länder nichts so islamisch geprägt. Die Frauen bewegten sich da zum großen Teil sehr westlich angezogen. In diesen Ländern haben sie ziemlich alle Regierungsformen, ob demokratisch oder sozialistisch, ausprobiert und keine gewählte Form hat funktioniert. Dann sahen sie den letzten Ausweg im politischen Islam. Was daraus entstanden ist, kann man an dem Zerfall des Nahen Osten sehen. Und das Tragen von Kopftüchern, das viele Muslime als Freiheit für sich ansehen, hat nichts mit freier Selbstbestimmung zu tun, denn es ist ein Zwang der von der Religion vorgeschrieben wird. "Sie hat Europa aus dem finsteren Mittelalter zum Licht der Wissenschaften geführt."Wie lange will man sich noch auf diesen Lorbeeren ausruhen? Europa hat sich weiterentwickelt und der Islam ist stehengeblieben und heute ist er wieder rückwärts gewandt- siehe Türkei Wir leben im jetzt und heute mit dem der Islam zunehmend Schwierigkeiten hat. Und das MA ist zumindest für den Westen schon lange Geschichte. In diesem Zusammenhang frage ich mich warum keine Nobelpreisträger aus muslimischen Ländern kommen, warum muslimische Länder weiterhin im Mittelalter verharren.
11.02.16
14:07
Manuel sagt:
@Ute Diri-Dost: Es ist unbestritten, dass die muslimische Welt, als in Europa das Mittelalter getobt hat, fortschrittlich und aufgeklärt war. Dummerweise ist dies lange her und heute entspricht die islamische Welt zunehmend dem europäischen Mittelalter. Das goldene Zeitalter, in dem die Muslime die Welt bereichert haben, ist lange vorbei. Heute sind die Muslime rückwärtsgewandt und versuchen den Fortschritt, den sie selbst initiiert haben, nicht nur zu stoppen, sondern sogar rückgängig zu machen. Da hilft geschichtliches Wissen auch nichts. Wir leben heute! Insofern interessiert mich nur der Beitrag, den Muslime heute für die Menschheit leisten.
11.02.16
16:09
Subah sagt:
Was für eine Schande, das Urteil dieser Frau Jukic! Vielleicht sollte Sie sich eine Brille anschaffen, wenn sie unfähig ist eine muslimische Frau mit Kopftuch zu erkennen. Was macht diese Frau nur, wenn ihr Damen mit offenem, langem Haar, womöglich noch mit Pony-Schnitt im Gerichtsaal begegnen? Dieses Urteil ist mit Rechtsstaatlichkeit nicht in geringster Weise vereinbar. Ein solch pauschales Verbot ist sogar nach streng laizistischem Verständnis ganz klar unverhältnismäßig. Zeugen, Angeklagte (!!) und sogar Anwältinnen zu verbieten, ein Kopftuch zu tragen ist - mit Verlaub - solch grotesker Unfug! Es gibt überhaupt keine sachliche Rechtfertigung für solch einschneidende Verbote. Und an die Herren im Forum, die sich so mächtig echauffieren: Befindlichkeiten, Ressentiments und vor allem Vorurteile gegenüber andere Religionsangehörigen sind KEIN sachlicher Grund, der die Verletzung der Religionsfreiheit rechtfertigt. Sie rufen nach Aufklärung, haben diese selbst offenbar jedoch dringend nötig! Kant würde sich im Grabe umdrehen, wüsste er, wie heute Manuels die Aufklärung unter Missachtung der Religionsfreiheit bemühen. Wesentlicher Bestandteil der Kant'schen Aufklärung war zu aller erst: Der Respekt, die Toleranz und die Religionsfreiheit für Minderheiten, er hat das Bild des Islams, das - u.a. anderem aufgrund Schriftsteller wie Voltaire - völlig entstellt, verzerrt und voller Falschheit war, zu recht gerückt hat. DAS, meine Herren, ist Aufklärung. Sie sollten sich im Übrigen nicht anmaßen, darüber zu befinden, was eine Frau zu tragen hat. DAS, ist Gleichberechtigung!
14.02.16
18:40
Manuel sagt:
@Subah: Aufklärung heißt vor allem, dass Religion im Staate nichts verloren hat und dazu gehören auch religiöse Symbole wie das Kopftuch, außerdem steht das Kopftuch auch noch für ein problematisches Frauenbild, aber das scheint Sie ja nicht zu stören, selbst der große türkische Staatsmann Atatürk hat dies erkannt und der wuchs in einem islamischen Land auf. Religionsfreiheit heißt auch befreit sein von Religion. Weiters braucht man sich nur die Islamische Welt ansehen, dann sieht man wie "aufgeklärt" die ist, in den meisten dieser Staaten herrscht die Scharia, Frauen werden als Menschen zweiter Klasse behandelt, Sexualität wird unterdrückt, Nacktheit als etwas Schlechtes dargestellt, Homosexuelle sogar hingerichtet und dann kommen Sie daher und wollen uns erzählen, da wird etwas verzerrt dargestellt. Vielleicht mal vor der eignen Tür kehren und nicht religiöse Dogmen, wie das Kopftuch unkritisch übernehmen und jeden auch noch Intoleranz unterstellen, wenn er die jetzige Intoleranz der Islamischen Welt kritisiert. Zeigen Sie mir doch mal ein islamisches Land, in denen Minderheiten geschützt werden und Rechte haben?
15.02.16
14:41
Johannes Disch sagt:
@Manuel -- "Aufklärung heißt vor allem, dass Religion im Staat nichts verloren hat..." (Manuel) Da gehen Sie sehr ungenau mit den Begriffen um und verwechseln Aufklärung mit Säkularismus und Laizismus. lg Johannes Disch
16.02.16
5:27
Manuel sagt:
@Johannes Disch: Säkularismus bzw. Laizismus sind die zentralen Werte der Aufklärung, Ziel der Aufklärer war es die Macht und den Dogmatismus der Religionen zu brechen. Und ich habe ein Problem damit, dass dies jetzt auf einmal aufgrund von falscher verstandener Toleranz wieder in Frage gestellt wird, nur weil eine Religion damit offenbar nicht umgehen kann.
16.02.16
11:53
Johannes Disch sagt:
@Manuel Der Stellenwert der Religion hat sich seit der Aufklärung und durch die Aufklärung verändert. Das ist in der Tat ein positives Ergebnis der Aufklärung. Das bedeutet aber nicht, dass Religion in unserer säkularen Gesellschaft keine Berechtigung mehr hat. Das hat sie sehr wohl. So ziemlich alle demokratischen Rechtsstaaten gewähren Religionsfreiheit als verfassungsmäßig verbrieftes Grundrecht.. Ein zentraler Wert und ein Resultat der Aufklärung sind auch die Menschenrechte. Deren zentraler Stellenwert macht unsere Verfassung in Art. 1 GG deutlich. Ebenfalls zentral für unser Gemeinwesen ist die Tatsache, dass niemand wegen seiner Religion diskriminiert werden darf.(Art. 3 GG). Und ebenfalls ein Grundrecht stellt die Religionsfreiheit dar. Das Grundrecht, sich zu einer Religion zu bekennen und sie ausüben zu dürfen. (Art. 4 GG). lg Johannes Disch
18.02.16
0:14
Manuel sagt:
@Johannes Disch: Alles richtig, das GG sagt aber auch, dass keine Religion über dem Staat oder der Verfassung steht. Wenn jetzt also eine bestimmte Religion meint, ihre Vorschriften/Praktiken würden über dem Staat stehen, dann ist das nicht zu tolerieren -> Scharia, Gleichberechtigung der Frau, Vermummungsverbot vs. Burka usw.. Es kann also nicht sein, dass ein Gesetz, hier die Religionsfreiheit dazu benutzt wird, andere Gesetze auszuhebeln. Weiters gibt es die theoretische Auslegung eines Gesetzes und natürlich auch die Rechtspraxis. Warum muss es für eine bestimmte Religion immer Ausnahmen und "Extrawürste" geben, weil diese offenbat Probleme hat, sich unsere Gesellschafts- und Wertesystem einzufügen. Der Staat hat auch neutral gegenüber Religionen zu sein.
18.02.16
11:34
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