Niedersachsen

Vertrag mit Muslimen sorgt auf der Zielgeraden für Kritik

Schritt für Schritt hat Niedersachsen in den vergangenen Jahren Abmachungen mit den Muslimen getroffen, etwa zum Islamunterricht oder Friedhöfen und Seelsorge. An dem Rahmenvertrag, der die Kooperation würdigen soll, gibt es auf den letzten Metern noch einige Kritik.

16
02
2016
Stephan Weil
Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) © by SPD in Niedersachsen auf Flickr (CC BY-SA 2.0), bearbeitet islamiQ

Mit Abmachungen zum islamischen Religionsunterricht, zur Seelsorge in Krankenhäusern und Gefängnissen sowie dem Bestattungswesen hat Niedersachsen die Integration der muslimischen Gemeinschaft voran gebracht. Als Abschluss kündigte Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) nach der Regierungsübernahme einen Staatsvertrag an. Die Verhandlungen mit den islamischen Religionsgemeinschaften darüber zogen sich in die Länge, im Dezember aber kam dann ein Vertragsentwurf auf den Tisch, mit dem beide Seiten sich zufrieden zeigten. Dennoch häuft sich seitdem Kritik an der Abmachung und auch den islamischen Religionsgemeinschaften. Wegen kritischer Anfragen der Opposition debattiert am Mittwoch der Landtag erstmals über den Vertrag.


Worum geht es in dem Vertrag eigentlich?

Neben den Abmachungen etwa zum Islamunterricht und zur Seelsorge geht es um das Engagement der islamischen Religionsgemeinschaften in der Wohlfahrtspflege, die Vertretung in Gremien wie dem Landesschul- oder NDR-Rundfunkrat und auch um den Umgang mit muslimischen Feiertagen. Zum Aufbau einer Geschäftsstelle will das Land den Religionsgemeinschaften auf fünf Jahre verteilt eine halbe Million Euro zahlen. Anerkannt wird auch das Streben nach einer Anerkennung als Körperschaft des öffentlichen Rechts.

Gibt es Vorbilder für das Vertragswerk?

Hamburg und Bremen haben bereits einen solchen Vertrag mit der muslimischen Gemeinschaft abgeschlossen. Vorbild sind die Verträge mit den Kirchen und dem Judentum. Zur Grundsatzregelung des Verhältnisses von Staat und Kirche schloss Niedersachsen nach dem Zweiten Weltkrieg als erstes Bundesland 1955 den Loccumer Vertrag mit der evangelischen Kirche ab. Nach einem Kräftemessen um den Einfluss der katholischen Kirche im Schulwesen wurde 1965 das Niedersachsenkonkordat mit dem Vatikan besiegelt. Erneut bundesweit erstmalig schloss Niedersachsen 1983 einen Staatsvertrag mit dem Landesverband der jüdischen Gemeinden.

Welches Ziel verfolgt der Vertrag?

Neben praktischen Regelungen geht es um eine bessere Integration der Muslime, deren Zahl in Niedersachsen auf 300 000 geschätzt wird. Die übergroße Mehrheit der friedlich in Niedersachsen lebenden Muslime werde durch den Vertrag mit dem „Islam der Mitte“ noch weiter ins Boot geholt, sagt der Sprecher des Landesverbandes der Muslime, Firouz Vladi. Ein Anliegen sei auch, auf Augenhöhe mit anderen Religionen wahrgenommen zu werden, meint die stellvertretende Landesvorsitzende der Türkisch-Islamischen Union (DITIB), Emine Oğuz. Zugleich könne der Vertrag zu einer Professionalisierung der islamischen Religionsgemeinschaften beitragen.

Was waren Stolpersteine auf dem Weg zum Vertragsentwurf?

Durch ein Urteil des Bundesverfassungsgerichts wurde der Streit über das Tragen von Kopftüchern durch Lehrerinnen gelöst. Sie dürfen fortan ihr Haar verhüllen, solange dies nicht den Schulfrieden durcheinanderbringt. Konfliktstoff noch unter der Vorgängerregierung war das Vorgehen gegen Extremismus. Anstelle eines Antiradikalisierungskonzepts des Verfassungsschutzes richtete Rot-Grün ein Beratungsangebot gegen die Radikalisierung junger Menschen ein, das die muslimischen Gemeinschaften selber organisieren.

Woran gibt es jetzt noch Kritik?

Nach wie vor für Diskussionsstoff sorgt die angebliche Pflicht für Schulen, einen Gebetsraum für Muslime einzurichten. Hierzu stellte das Kultusministerium klar, dass es diesbezüglich keinerlei Verpflichtung geben soll. Schulen könnten wie jetzt bereits einen Raum zur Verfügung stellen, wenn Schüler egal welchen Glaubens außerhalb der Unterrichtszeit beten wollten. Nachgefragt wird auch, inwiefern die beiden islamischen Religionsgemeinschaften eigentlich die Mehrheit der Muslime repräsentieren. Da die Moscheegemeinden ihre Besucher nicht erfassen, lässt sich das nicht mit Zahlen belegen. Eine Vielzahl der Moscheen aber gehört dem Landesverband der Muslime an.

Trotz dem allgemeinen Ruf nach mehr Integration registrieren die islamischen Religionsgemeinschaften eine atmosphärische Abkühlung. Warum?

Aus Sicht der islamischen Religionsgemeinschaften gibt es nach den Terroranschlägen von Paris und den Kölner Silvester-Übergriffen eine Stimmungsmache gegen den Islam. Einige versuchten, aus Negativschlagzeilen zum Islam politisches Kapital zu schlagen. Frauenvertreter etwa stellten in Frage, ob die islamischen Religionsgemeinschaften wirklich eine Gleichberechtigung von Mann und Frau zum Ziel haben. Mancher Abgeordneter wolle Religion außerdem lieber aus dem öffentlichen Raum verbannt sehen, meint Vladi.

Wann soll der Vertrag nun besiegelt werden?

Die Landesregierung und auch die Religionsgemeinschaften wollen bis zum Sommer ihre Unterschrift unter die Abmachung setzen. Vorrang hat für beide aber eine gründliche Debatte und eine möglichst breite Zustimmung im Parlament. (iQ, dpa)

Leserkommentare

Ute Fabel sagt:
Staatsverträge mit ausgewählten Religionsgemeinschaften sind der absolut falsche Weg. Stattdesssen sollte die ungerechtfertigte Sonderstellung der katholischen und evangelischen Kirche beendet werden und nicht bestimmte Islamverbände an diese privillegierte Rechtstellung angeglichen werden. Ansonsten kommt es zu ungerechtfertigten Diskriminierungen anderer Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften (Humanisten, Buddhisten, Hinduisten, Jesiden, Zoroaster, Jains und viele mehr). Geschaffen werden sollte ein einheitliches Religions- und Weltanschauungsgesetz für alle, da der Staat alle Religionen und Weltanschauungen gleich zu behandeln hat. Deshalb sind auch staatlich finanzierte Gebetsräume für einzelne Konfessionen strikt abzulehen. Sinnvoll wären religions- und weltanschauungsübergreifende "Räume der Stille".
17.02.16
7:47
Manuel sagt:
Genau der falsche Weg, statt dem sollte man sich lieber an Frankreich oder der Vor-AKP-Türkei orientieren und einen konsequenten Laizismus verfolgen. Religion hat im Staat nichts verloren.
17.02.16
13:25
Manuel sagt:
Statt von den Erleichterungen beim Gebet Gebrauch zu machen, indem sie einfach Gebete zusammenlegen, suchen Muslime immer wieder die Konfrontation indem sie schreien, ihre freie Religionsausübung sei gefährdet, wenn sie nicht zu den angeblich verpflichtenden Zeiten in einem eigens dafür bereitgestellten Raum beten dürfen. Das zeigt doch ziemlich deutlich, dass Muslime keineswegs an einem friedvollen Miteinander interessiert sind. Stattdessen fordern sie immer wieder Sonderrechte. Wenn dann doch ein Raum bereitgestellt wird, der für alle Schüler oder Studenten (und nicht nur die Muslime) zum Gebet dienen soll, dann nehmen die Muslime ihn für sich in Beschlag und stellen für den Raum sogar eigene Regeln auf, indem sie Frauen in einen Bereich zwingen, der extra von den Muslimen für sie abgetrennt wurde. Muslime neigen also dazu, sich Dinge zu nehmen, die ihnen weder gehören noch zustehen. Wozu also ein merkwürdiger Sondervertrag zwischen dem deutschen Staat und den Muslimen?
17.02.16
15:55
Mads sagt:
Wer entscheidet denn, ob Religion etwas im Staat verloren hat? Dürfen Staatsbedienstete keine Religion haben? Es ist ein fataler Fehler, wenn wir versuchen, Religion aus dem Alltag und der Öffentlichkeit zu verbannen. Atheisten sind nicht diejenigen, die (alleine) entscheiden, was zulässig sein soll. Interessant ist auch, dass eine Volksabstimmung darüber, ob wir das Glockengeläut von Kirchen abschaffen wollen, sicherlich keine Mehrheit bekommen würde. Den Ruf zum Gebet von Muslimen wollen wir aber beharrlich verbieten. Es muss also unser Ziel sein, alle Religionen gleich zu behandeln. Es versteht sich dabei von selbst, dass die Religionsgemeinschaften, die in Deutschland aktiv sind, auf dem Boden des Grundgesetzes stehen müssen. Aber es kann nicht angehen, den Muslimen ständig die freie Ausübung ihrer Religion zu versagen. Das Grundgesetz gilt nicht nur als Keule gegen die Muslime (wie es leider momentan immer wieder missbraucht wird), sondern eben auch positiv, in dem Sinne, dass auch Muslime Rechte aus dem Grundgesetz ableiten können.
18.02.16
17:17
Manuel sagt:
@Mads: So einfach ist die Sache nicht, es kann nicht sein, dass alles nur wegen der Religionsfreiheit toleriert wird. Zweitens verwechseln Sie Laizismus mit Atheismus, jeder darf glauben was er will, nur hat eben im Laizismus, Religion im Staate nichts verloren. Die Trennung von Kirche und Staat ist ein zentraler Punkt der Aufklärung, wieso soll das nun plötzlich wieder in Frage gestellt werden, weil offenbar eine bestimmte Religion damit nicht klar kommt, sowas wäre ein Rückschritt. Toleranz ist wichtig, es darf aber keine Toleranz gegenüber Intoleranz geben sowohl in politischer, also auch in religiöser Hinsicht. Abschließend, wenn ich in ein anderes Land auswandere, dann habe ich mich diesem Land und zwar in jeder Hinsicht, anzupassen und kann nicht verlangen, die dortige Bevölkerung müsste sich mir anpassen, was ich leider bei vielen Moslems erlebe.
19.02.16
13:00