Ein weinender Flüchtlingsjunge im Bus, grölende Demonstranten davor: Das Video aus Clausnitz hat viele entsetzt. Und auch das harte Vorgehen der Polizei gegen die sich sträubenden Neuankömmlinge. Unterkunftsleiter soll Mitglied der islamfeindlichen AfD sein.
Nach einem umstrittenen Einsatz bei fremdenfeindlichen Protesten vor einer Flüchtlingsunterkunft im sächsischen Clausnitz steht die Polizei in der Kritik. Nach Aussage betroffener Flüchtlinge soll sie in dem Erzgebirgsdorf gegen mehrere von ihnen körperlichen Zwang angewendet haben. Auf einem im Internet verbreiteten Video war bereits zu sehen, das ein Polizist einen Jungen im Klammergriff aus einem Bus in die Unterkunft zerrt. Politiker forderten Aufklärung. Die Blockadeaktion von etwa 100 aufgebrachten Demonstranten verurteilten sie scharf.
In dem kleinen Ort hatten Protestierer am Donnerstagabend versucht, die Ankunft des Busses mit den ersten Bewohnern einer neuen Asylbewerbereinrichtung zu verhindern. Der Bus sei auch mit einem Schneeball beworfen worden, sagten sie am Samstag in Clausnitz der Deutschen Presse-Agentur. Das ZDF berichtete, der Leiter der Unterkunft gehöre der rechtspopulistischen AfD an. Die AfD weist ihn im Internet aber als Mitorganisator von Parteiveranstaltungen aus.
Am Ankunftsabend hatten die Flüchtlinge augenscheinlich aus Angst vor den Protesten und der chaotischen Situation den Bus zunächst nicht verlassen wollen. Die Flüchtlinge berichteten der Deutsche Presseagentur (dpa) am Samstag, dass nicht nur der im Internet-Video zu sehende Junge von einem Bundespolizisten aus dem Bus gezerrt wurde: Auch einer Frau habe die Polizei die Arme auf den Rücken gedreht und sie zwangsweise aus dem Bus geholt.
Der betreffende Junge ist nach eigenen Angaben 14 Jahre alt und stammt aus Tripoli im Libanon. Er ist mit seinem Bruder und seinem Vater seit drei Monaten in Deutschland und war zunächst in Dresden untergebracht, wie er der dpa sagte. Der Bruder ist auf dem Video zu sehen, wie er freiwillig, aber weinend den Bus verlässt.
Die Polizei wollte sich am Samstagnachmittag bei einer Pressekonferenz in Chemnitz zu dem Einsatz äußern. Für den Abend war in Clausnitz, einem Ortsteil von Rechenberg-Bienenmühle, eine Solidaritätskundgebung geplant.
Der sächsische Grünen-Landesvorsitzende Jürgen Kasek sagte mit Blick auf die Vorfälle vom Donnerstagabend: „Das sind keine Bilder, die wir hier in Deutschland sehen wollen. Das, was am Donnerstagabend passiert ist, darf nie normal werden.“
Grünen-Bundeschef Cem Özdemir betonte: „Jeder, der eine Uniform unseres Landes trägt, vertritt und schützt unser Grundgesetz.“ Wer damit ein Problem habe, müsse sie ablegen. Da dürfe es kein Pardon geben. „Der leitende Polizeibeamte des Einsatzes von Clausnitz wurde dieser Verantwortung nicht gerecht und sollte suspendiert werden.“
Die Grünen wollen den Polizeieinsatz am Mittwoch im Innenausschuss des Bundestags thematisieren. Die Fraktion bestätigte auf Anfrage eine entsprechende Meldung des MDR.
Linke-Landtagsfraktionschef Rico Gebhardt betonte: „Menschen, die Busse blockieren, die hilflose Kinder, Frauen und Männer zusammenschreien, kann ich nur als Rassisten bezeichnen.“ Zudem müsse das Verhalten einzelner Polizisten aufgeklärt werden. Ein rabiater Umgang mit Kindern sei nicht zu entschuldigen.