Sie leisten Aufklärung über den Islam oder erklären das demokratische System in Deutschland: Die Landeszentralen für politische Bildung haben viel zu tun. Doch die Sache hat einen Haken.
Wo immer gegen Flüchtlinge demonstriert wird, sind Unwissenheit und Ängste nicht weit. Um Populisten den Wind aus den Segeln zu nehmen, könnte mehr politische Bildung helfen. Die ist den 16 Bundesländern aber nicht überall gleich viel wert.
Die Landeszentralen für politische Bildung sind finanziell äußerst unterschiedlich ausgestattet, wie eine Umfrage der Deutschen Presse-Agentur ergab. Dabei kommt ihnen in diesem Punkt aus Sicht von Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD) eine besondere Bedeutung zu. Er weiß, wovon er spricht, denn sein Bundesland ist derzeit das einzige, dass auf eine entsprechende Institution verzichtet. Das soll sich nun aber ändern.
Als Reaktion auf Demokratiefeindlichkeit braucht es nach Ansicht Weils mehr politische Bildungsangebote in Deutschland. „Nur die Vermittlung einer umfassenden demokratischen Grundbildung hilft uns, offenbar immer stärker werdenden antidemokratischen Tendenzen entgegenzutreten“, sagt er. „Ein kritischer, auch selbstkritischer Umgang mit Vorurteilen oder gar Hasstiraden – wie sie zurzeit etwa in den sozialen Netzwerken verbreitet werden – ist eine wichtige Aufgabe für die gesamte Gesellschaft.“
In Niedersachsen hatten CDU und FDP um den damaligen Ministerpräsidenten Christian Wulff (CDU) 2004 die Abschaffung der Landeszentrale durchgesetzt. „Heute zeigt sich: Die Auflösung war schon damals ein riesiger Fehler“, sagt Weil. Nun will seine rot-grüne Koalition die Landeszentrale neu eröffnen. Der konkrete Termin ist noch offen, derzeit läuft die parlamentarische Beratung.
Im bundesweiten Vergleich zeigt sich, dass die verschiedenen Bildungszentralen mit sehr unterschiedlichen Finanzmitteln auskommen müssen. Während Rot-Grün in Niedersachsen dafür 1,014 Millionen Euro für 2016 im Haushalt vorgesehen hat, reicht die Bandbreite der Ausgaben in den übrigen Länder von 80 500 Euro im Saarland über rund 1,9 Millionen Euro in Bayern bis hin zu rund 8,8 Millionen Euro in Nordrhein-Westfalen.
Auffällig ist dabei, dass die Größe oder generelle Finanzkraft eines Landes nicht automatisch in Relation dazu steht, wie viel Geld für politische Bildung bereitgestellt wird. Während der Stadtstaat Hamburg 1,275 Millionen Euro gibt, sind es im Flächenland Brandenburg nur 580 000 Euro, wie die dpa-Umfrage ergab.
Abseits von Niedersachsen habe es noch in keinem anderen Bundesland Bestrebungen gegeben, eine Landeszentrale zu schließen, hieß es von den jeweiligen Regierungen unisono. Im Gegenteil. Die Zentralen für politische Bildung in Deutschland seien eine wichtige, aufklärende Schnittstelle zwischen Staat, Politik, Bildung, Wissenschaft und Medien, betont der Leiter der Saarländischen Landeszentrale, Erik Harms-Immand. In der globalisierten Informationsgesellschaft stellten sie eine „unverzichtbare Säule der Demokratiebildung dar“.
Sein Bremer Kollege Thomas Köcher ist sich sicher, dass die Bedeutung von politischer Bildung angesichts islamfeindlicher Bewegungen wie Pegida oder den Umfrageerfolgen der rechtskonservativen AfD weiter steigen wird.
Internationale Krisen, die Flüchtlingssituation in Europa und die Aufklärung über den Islam spielten eine immer größere Rolle in der Arbeit, heißt es aus den Zentralen. „Es gibt einen hohen Informationsbedarf dazu im Osten Deutschlands“, sagt der Leiter der Thüringer Landeszentrale, Franz-Josef Schlichtinger. Auch mit Blick auf anstehende Landtagswahlen komme den Einrichtungen eine wichtige Rolle zu. Unter dem Motto „Demokratie stärken“ soll etwa in Sachsen-Anhalt gezielt gegen die sinkende Wahlbeteiligung vorgegangen werden.
Auch aus Sicht der Politikwissenschaft sind die Landeszentralen unverzichtbar. „Natürlich war es ein Fehler, in Niedersachsen die Landeszentrale zu schließen“, sagt Wichard Woyke von der Universität Münster. Nur eine permanente politische Bildung helfe gegen Verunsicherungsstrategien, wie sie derzeit etwa im Umgang mit den Flüchtlingen kursierten. Kostendruck und Sparzwang erschweren den Landeszentralen jedoch die Aufklärungsarbeit. „Viele Seminare zur Korrektur von Fehlurteilen konnten nicht gegeben werden.“ (dpa, iQ)