Gemeinsame Ausbildung von Religionslehrern

„Eine bessere ‚Schulung’ für das wirkliche Leben“

In Österreich sollen in naher Zukunft Religionslehrer unterschiedlicher Religionsgemeinschaften gemeinsam ausgebildet werden. IslamiQ hat eine Initiatorin des Projekts, Amena Shakir, zu dem Modellprojekt befragt.

12
03
2016
0
Studie zu islamischen Religionslehrern
Ausbildung der islamischen Religionslehrer. © janeb13 auf pixabay

IslamiQ: Was hat IRPA dazu bewogen, das Modellprojekt mit der gemeinsamen Ausbildung von islamischen und christlichen Lehrern ins Leben zu rufen? Worum handelt es sich dabei genau?

Amena Shakir:
In Österreich werden Religionslehrerinnen und Religionslehrer an Pflichtschulen bis dato in öffentlichen Einrichtungen mit religionsgesellschaftlicher Trägerschaft qualifiziert. Schon seit 1983 besteht in Österreich ein islamischer Religionsunterricht an öffentlichen Schulen, seit 1998 wurden die islamischen Religionslehrerinnen und Religionslehrer – adäquat zu katholischen und evangelischen Religionslehrerinnen und Religionslehrern – an Religionspädagogischen Akademien ausgebildet, ab 2007 dann in Pädagogischen Hochschulen.

Im vergangenen Jahr wurde das Hochschulgesetz reformiert, die Möglichkeit der Qualifizierung von Lehrerinnen und Lehrern, die ausschließlich Religion lehren, wurde mehr oder weniger aufgelöst. Die Kooperation mit der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule in Wien ermöglicht es unseren Studierenden, ein Volksschullehramt zu erwerben und gleichzeitig Religionslehrer/in zu sein, eine Zusatzqualifikation, die sicherlich zu einer Verbesserung der allgemeinen Schule führen kann. Der Private Studiengang für das Lehramt für Islamische Religion an Pflichtschulen in Wien (IRPA) bildet islamische Religionslehrer aus. Absolventen qualifizieren sich durch das Studium für den Unterricht an Österreichs Pflichtschulen.

Der Private Studiengang für das Lehramt für Islamische Religion an Pflichtschulen in Wien (IRPA) bildet islamische Religionslehrer aus. Absolventen qualifizieren sich durch das Studium für den Unterricht an Österreichs Pflichtschulen.


IslamiQ:
Ist ein solches Modellprojekt überhaupt notwendig?

Shakir: Meines Erachtens ja. Ich denke, dass Musliminnen und Muslime in Europa die Verantwortung haben, nicht nur unter sich zu bleiben, sondern aktiv und initiativ ihren Beitrag in einer demokratischen Gesellschaft leisten müssen. Sie sind besonders im Bildungsbereich gefordert, da hier ein großer Aufholbedarf besteht. Unzählige Studien machen sichtbar, wie sehr viele junge Musliminnen und Muslime aus bildungsfernen Schichten stammen und nur wenig Chancen haben, diesen zu entkommen. Umso mehr gefragt ist es, dass sich Musliminnen und Muslime selbst dieser Verantwortung stellen und die Wichtigkeit der Bildung in der Herausbildung der individuellen Persönlichkeit eines jeden Menschen herausstreichen. Die Mitwirkung in Bildungsprozessen und die Entwicklung von Fördermaßnahmen müssen stärker unterstützt werden.

Ich denke auch, dass die Qualität der Ausbildung in der Auseinandersetzung mit der und dem Anderen steigt. Gerade in Zeiten, in denen Religion oft als Instrument der Spaltung und der Trennung missbraucht wird, braucht es Initiativen der Religionsgemeinschaften, diesem Missbrauch entgegenzuwirken und sichtbar zu machen, dass ein korrektes Verständnis von Religion zur Persönlichkeitsbildung von Menschen beiträgt und Brücken zur und zum Anderen schlägt.

Studieren an einer gemeinsamen Pädagogischen Hochschule angehende katholische, evangelische und muslimische Religionslehrerinnen und Religionslehrer, dann werden diese Brücken schon im Studium geschlagen, Ängste, Blockaden und Vorurteile der und dem Anderen gegenüber werden im selbstverständlichen Miteinander abgebaut und es wird darüber in den Lehrveranstaltungen reflektiert werden. Eine bessere „Schulung“ für das wirkliche Leben, für das Wirken in unserer demokratischen, pluralistischen und multireligiösen Gesellschaft ist wohl nicht möglich. Österreich wird mit dieser Kooperation einmal mehr einen Meilenstein im friedlichen Miteinander der verschiedenen Religionsgemeinschaften vorweisen können. Die lebens.werte.Schule rückt damit immer näher ins Blickfeld der Möglichkeiten.

Amena Shakir ist Germanistin, Religionspädagogin und Leiterin des IRPA.

IslamiQ: Besteht denn ein Mangel an muslimischen Lehrern bzw. muslimischen Interessenten für eine Ausbildung zum Islamlehrer?

Shakir: Es besteht kein Mangel an Bewerbern für unser Studium, die Anzahl der Schülerinnen und Schüler, die am islamischen Religionsunterricht teilnehmen, ist in den letzten Jahren gestiegen – und auch die Zahlen der Bewerber/innen für das Studium in unserer Einrichtung. Im Gegenteil, es bestehen bei einigen Bedenken, ob diese Veränderungen nicht dazu führen werden, dass insgesamt weniger Religionslehrer/innen qualifiziert würden, weil neue Tätigkeitsfelder erschlossen wurden. Diese Einschätzung teile ich jedoch nicht. Die Vorteile, dass eine Lehrerin und ein Lehrer an nur einem Standort tätig sind und damit tatsächlich eine Brückenfunktion im Kollegium einnehmen können, zwischen Eltern und Schule, aber auch und besonders in den Fragen, die Religion und Interreligiösität in der Schule betreffen, überwiegen eindeutig.

IslamiQ: Welche Vorteile und Chancen erhoffen Sie sich von der Ausbildung? Gibt es auch Nachteile oder Bedenken?

Shakir: Wir erhoffen uns durch die Kooperation eine vertiefte Reflektion des Lehrerberufes und eine Erweiterung des Tätigkeitsfeldes unserer Absolventinnen und Absolventen. Es gibt aber auch Bedenken, dass die Eigenständigkeit in der Ausbildung von Religionslehrerinnen und Religionslehrern leiden könnte, d. h. dass die Themen, die derzeit in der Ausbildung im Vordergrund stehen, aufgrund des veränderten Kontextes verändert werden könnten. Ich bin mir sicher, dass der veränderte Kontext nicht folgenlos bleiben wird, bin jedoch davon überzeugt, dass es zu einer vertieften Reflektion und zu einer besseren Qualifizierung führen wird.

IslamiQ:
Wie bewerten Sie den bekenntnisorientierten Islamunterricht an österreichischen Schulen?

Shakir:
Wie gesagt, seit 1983 haben muslimische Schülerinnen und Schüler an den öffentlichen Schulen die Möglichkeit den islamischen Religionsunterricht zu besuchen. Seitdem wurde viel in den Religionsunterricht investiert, inzwischen haben wir auch eine kompetenzorientierte und qualitätsvolle Schulbuchreihe für den konfessionellen islamischen Religionsunterricht herausgegeben.

Mehr als jede/r zweite muslimische Schüler/in besucht inzwischen den islamischen Religionsunterricht, in den Hauptstädten der Bundesländer sind es mehr, und auf dem Land etwas weniger, da die Anzahl der Schülerinnen und Schüler dort geringer ist, und die Entfernung zwischen den einzelnen Schulen größer, gibt es dort sogar einen Versorgungsmangel an islamischen Religionslehrerinnen und Lehrern.